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Windkanäle sind in der Wissenschaft und im Sport weit verbreitet. Aber auch Computersimulationen, die den Wind elektronisch simulieren, werden immer verbreiteter. Sind Windkanäle noch auf dem Vormarsch oder werden sie in Zukunft ganz durch computergenerierten Wind ersetzt? Professor Bert Blocken, der sich auf Aerodynamik spezialisiert hat, beleuchtet den aktuellen Stand und die Zukunft des Windkanals.

Wir können es nicht ignorieren: Windkanäle haben ihre Relevanz immer wieder bewiesen. Sie werden genutzt, um Einblicke zu gewinnen, wie der Wind auf hohe Gebäude, Rennwagen und große Gruppen von Radfahrern wirkt. So hat der Windkanal in Eindhoven dazu beigetragen, den Marathon-Weltrekord des Kenianers Eliud Kipchoge zu brechen, der im vergangenen Oktober als erster einen Marathon unter zwei Stunden gelaufen ist.

Der Name sagt es schon: In diesen Windkanälen sind alle möglichen Objekte Luftströmungen knapp über der Erdoberfläche ausgesetzt. Auf diese Weise können die Auswirkungen starker Windböen nachgestellt werden. Diese Forschung ist entscheidend, um zum Beispiel die Sicherheit von Hochhäusern garantieren zu können. In der Welt des Sports wird der Tunnel dazu verwendet, die Auswirkungen des Windes auf die Materialien der Sportler zu messen. Wie zum Beispiel die Kleidung von Skatern.

Windstärke 12

Die vier Ventilatoren im Windkanal in Eindhoven sind in der Lage, eine Windgeschwindigkeit von bis zu Windstärke 12 zu erzeugen. Das bedeutet, dass sie mit einer Geschwindigkeit von bis zu 33 Metern pro Sekunde blasen können. Der Tunnel ist ringförmig gebaut, so dass die Luft nach jedem Zyklus einen neuen Schub erhält. Dieses Modell macht den Tunnel im Vergleich zu einem linearen Tunnel wesentlich energieeffizienter.

Professor Bert Blocken © TU/Eindhoven

Die technischen Universitäten in den Niederlanden nutzen Windkanäle ausgiebig. Die Technische Universität Eindhoven (TU/e) verfügt über einen 46 Meter langen Windkanal. Blocken war an seinem Bau beteiligt: „Bereits in den 1970er Jahren gab es Pläne für einen Tunnel an der TU/e. Aber die Kosten sind beträchtlich. Man kann ihn nicht einfach irgendwo hinstellen.” Dennoch wurde Blocken vor einigen Jahren mit dem Bau eines neuen Tunnels beauftragt, der schließlich 2017 gebaut wurde.

Der Windkanal in Eindhoven ist etwas ganz Besonderes. Obwohl weltweit riesige Tunnel im Einsatz sind, in denen sogar komplette Lkws und Kampfjets in vollem Umfang getestet werden, ist die Größe des Eindhovener Tunnels beeindruckend. Die Messstrecke des Tunnels ist 27 Meter lang, 2 Meter hoch und 3 Meter breit. Groß genug, um ein ganzes Team von Radfahrern unterzubringen. „Es gibt nur wenige Tunnel dieser Art, die diese Länge erreichen”, sagt Blocken. „Außerdem ist der Tunnel darauf spezialisiert, Luftströmungen zu simulieren, wie sie knapp über der Erdoberfläche auftreten. So können wir Situationen aus dem wirklichen Leben nachstellen.“

Hohe Gebäude

Und das nicht nur in Eindhoven, wo man sich auf die aerodynamische Forschung spezialisiert hat. Auch an der Technischen Universität Delft und an der Universität Twente (UT) wird in eigenen Tunneln viel über Windströmungen geforscht. Der Wind im UT-Tunnel kann Geschwindigkeiten von bis zu 240 Kilometern pro Stunde erreichen.

Laut Blocken sind die Niederlande definitiv unter den Top 10, wenn es um die Forschung in der Aerodynamik geht. Diese hohe Platzierung ist nach Ansicht von Blocken aus historischer Sicht leicht zu erklären. Der Wind weht in den Niederlanden sehr stark, und wir müssen uns immer wieder mit den Konsequenzen auseinandersetzen. „Die Niederlande mussten beispielsweise schon immer vor dem Meer und vor Sturmfluten geschützt werden.”

Dass die Niederlande dem Wind eine große Bedeutung beimessen, zeigt sich auch darin, dass sie als einziges Land der Welt Standards gesetzt haben, um Gefahren für hohe Gebäude zu verhindern, die vom Wind ausgehen. Im Jahr 2006 wurden diese Normen in die so genannte „NEN8100″ aufgenommen. Damit sollen Architekten, Kommunen und Projektentwickler vor negativen Einflüssen durch den Windgeschützt werden. „Und nach 13 Jahren sind die Niederlande immer noch das einzige Land mit einem solchen Standard”, so Blocken.

Windkanäle versus Computersimulationen

Neben Windkanälen werden auch immer häufiger computergestützte Windsimulationen genutzt. Mit Hilfe von Software wird der Einfluss des Luftwiderstandes auf Objekte berechnet. Auch Blocken arbeitet regelmäßig mit diesen Windsimulationen. „Sie liefern im Vergleich zu Windkanälen viel mehr Informationen. Während der Windkanal oft nur einen oder wenige Werte liefert, zum Beispiel den Luftwiderstand eines Radfahrers, liefern die Computersimulationen sehr viel detailliertere Informationen.”

Daher sind Simulationen in der Windforschung sehr nützlich und werden immer häufiger eingesetzt. Dennoch gibt es auch große Einschränkungen. Das sei selbst bei den modernsten Computern der Fall, so Blocken. „Nehmen wir an, für Radfahrer werden fünf neue Helme getestet. Das dauert im Windkanal nur 15 Minuten. Wenn das von einem Computer genau simuliert werden muss, ist man damit etwa zwei Wochen beschäftigt.”

Außerdem ist auch die Entwicklung von Windkanälen nicht stehen geblieben. Sie sehen zwar immer noch so aus wie vor etwa 60 Jahren, aber es wurden erhebliche Fortschritte erzielt. „So sind zum Beispiel die Messgeräte viel genauer geworden und viele Prozesse automatisiert worden.“ Auch die Ventilatoren haben sich verbessert. „Während sie früher aus Magnesium hergestellt wurden, sind sie jetzt aus Edelstahl. „In der Nähe von Brüssel ist immer noch ein Windkanal in Betrieb, der etwa 65 Jahre alt ist”, gibt Blocken zu.

Unersetzlich

Obwohl Windkanäle schon seit einiger Zeit im Einsatz sind, sind sie immer noch weit verbreitet und bis heute unersetzlich. Laut Blocken arbeiten physikalische Tunnel und Computersimulationen in der Tat Hand in Hand. Beides kann der Windforschung dienen. „Wir führen Windkanalmessungen und Computersimulationen unabhängig voneinander durch und vergleichen die Ergebnisse beider Methoden. So hat man mehr Sicherheit.” Windkanäle werden daher in den kommenden Jahren nicht außer Acht gelassen werden. „Sie werden auch in hundert Jahren noch gebaut werden. Man kann ohne sie einfach nicht leben.”