Mit Stoßwellen kann die körpereigene Wundheilung angeregt werden. Der Effekt ist bekannt und die Stoßwellen-Therapie hat sich besonders bei der Regeneration von Knochen und bei Wundheilung bewährt. Dass Stoßwellen auch auf das infarktgeschwächte Herz angewendet werden können, fand das Team um Johannes Holfeld an der Universitätsklinik für Herzchirurgie in Innsbruck heraus. Jetzt konnten sie auch den zugrundeliegenden molekularen Mechanismus aufklären.
Die zahlreichen Zellkultur- und Tiermodelle der Forschenden zeigten, dass Stoßwellen nach einem Herzinfarkt zur Neubildung von Blutgefäßen führen. Ein Prozess, der unter dem Begriff Angiogenese bekannt ist und durch Sprossungs- und Spaltungsvorgänge aus bereits vorgebildeten Blutgefäßen erfolgt.
Auslöser für diesen Prozess ist die Aktivierung eines bestimmten Rezeptors des angeborenen Immunsystems. Es handelt sich dabei um den Toll-like Rezeptor 3 (TL-3), der die gefäßbildenden und immunmodulierenden Effekte anregt.
Toll-like Rezeptoren sind Strukturen des angeborenen Abwehrsystems. Sie dienen der Erkennung von pathogen associated molecular patterns (PAMPs) das sind Strukturen, die ausschließlich auf oder in Krankheitserregern vorkommen und steuern entsprechende Aktivierungen von Genen. Die Toll-like-Rezeptoren lassen das angeborene Immunsystem zwischen selbst und nicht selbst unterscheiden.
Stoßwellen setzen Mikrovesikel frei
Bislang ungeklärt blieb der Mechanismus der T3-Aktivierung. Unter anderem waren es Can Gollmann-Tepeköylü und Leo Pölzl aus dem Team Holfeld, denen es jetzt gelang, neue molekularbiologische Details aufzuklären. Die Forschenden gingen der Frage nach, w i e Herzmuskelzellen nach einem Herzinfarkt auf die Erschütterung durch Stoßwellen reagieren. Dabei konnten sie erstmals nachweisen, dass durch die Stoßwellen kleinste Mikrovesikel (Exosomen) freigesetzt werden. Der Nachweis wurde sowohl in der Zellkultur als auch im Mausmodell erbracht.
Freisetzung erfolgt durch Endothelzellen
Mikrovesikel sind in der Zelle gelegene, sehr kleine Bläschen, die für den Transport vieler Stoffe in der Zelle verantwortlich sind.
Dabei sind es die für die Angiogenese verantwortlichen Endothelzellen, welche die Mikrovesikel freisetzen. Endothelzellen sind spezialisierte, flache Zellen, welche die Innenseite der Blutgefäße auskleiden. Ihre wichtigste Funktion liegt in der Bildung einer regulierbaren Barriere zwischen dem Blutgefäß und dem Raum außerhalb des Blutgefäßes.
Die durch die Stoßwellen freigesetzten extrazellulären Vesikel transportieren Botenstoffe, die TLR-3 aktivieren und so die Gefäßneubildung einleiten. Als der Botenstoff mit der wichtigsten Funktion konnte die MicroRNA miR-19a-3p identifiziert werden.
Isolation und Charakterisierung der Mikrovesikel
Weiters gelang es dem Team, die freigesetzten Mikrovesikel zu isolieren, genauer zu charakterisieren und eine Injektion zu entwickeln. Im Versuch wurden in den infarktgeschädigten Herzmuskel von Mäusen Mikrovesikel mit miR-19a-3p injiziert. Diese regenerierten deutlich besser, als jene in der Vergleichsgruppe.
Die Injektion entspricht dem Mechanismus, der auch durch Stoßwellen freigesetzt wird, die während einer Bypass-Operation an den geschädigten Herzmuskel abgegeben werden.
Die Forscher vermuten, dass die Freisetzung der Mikrovesikel ein angeborener Mechanismus ist, mit dem der Herzmuskel auf die Erschütterungen antwortet.
Die Erkenntnisse wurden im Fachjournal Cardiovascular Research veröffentlicht.
Weiterführende Studien
Die Erkenntnisse zur Reaktion der infarktgeschwächten Herzmuskelzellen auf die Stoßwellen erweitern das molekulare Verständnis der Stoßwellen-Therapie und werden in weiterführende Studien einfließen. Unter anderem ist dies die laufende Studie CAST (Safety and Efficacy of Cardiac Shockwave Therapy in patients undergoing coronary artery bypass grafting) unter der Leitung von Johannes Holfeld.
Nach Abschluss der klinischen Prüfung könnten die von den Innsbrucker Herzchirurgen entwickelten Stoßwellen-Geräte schon bald in der klinischen Routine eingesetzt werden. Profitieren sollen davon Patienten und Patientinnen nach Herzinfarkt und mit Herzschwäche, die für eine Bypass-Operation vorgesehen sind. Die Stoßwellen-Therapie soll die Stammzellen- und Gentherapie ersetzen. Sie stimuliert einen Regenerationsmechanismus, den der Körper in sich trägt. Durch die mechanische Natur der Therapie sind kaum Nebenwirkungen zu erwarten.
Das Stoßwellen-Gerät wurde patientiert und Holfeld gründete gemeinsam mit Michael Grimm, dem Direktor der Universitätsklinik für Herzchirurgie und dem Physiker Christian Dorfmüller das Start-up Heart Regeneration Technologies Hier finden Sie ein Video, das die Funktion des Geräts erklärt:
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