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Wenn der Asphalt auf den Straßen altert, dann liegt das am Bitumen. Die klebrig schwarze Substanz fungiert im Asphalt als Bindemittel. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Material altern lassen – vor allem aber sind es Temperaturschwankungen und Belastungen. Weshalb sich neue Herausforderungen durch die globale Erwärmung und den zunehmenden Schwerverkehr stellen.

Noch unerforscht

Aus dem fossilem Rohstoff Erdöl gewonnen, wäre es wünschenswert, Bitumen wiederverwerten zu können. Aber obwohl die Geschichte des Werkstoffs schon ins dritte Jahrtausend vor Christus zurückreicht, war über dessen Oberflächenstruktur bis zuletzt noch wenig bekannt. Die Forschung arbeitet zum Teil noch mit Methoden aus dem 19. Jahrhundert. Zum Beispiel bestimmt man den Härtegrad von Bitumen mit genau definierten Belastungsversuchen mit Nadeln.

Molekülverbände entschlüsselt

An der TU Wien forscht man schon seit mehreren Jahren an Bitumen und konnte unter anderem die Verteilung der einzelnen Molekülverbünde im Bitumen entschlüsseln. Das war insofern herausfordernd, als die Auflösung herkömmlicher Messmethoden für die chemische Charakterisierung zu gering war. Einzelne Domänen der Oberfläche ließen sich erst durch die Kombination verschiedener physikochemischer Methoden bis auf zehn Nanometer genau abbilden. 

Jetzt will man die Forschung in einem neugegründeten Labor für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien  intensivieren. Das Labor wird von Professor Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften und Professor Hinrich Grothe vom Institut für Materialchemie geleitet. Die beiden wollen gemeinsam mit ihren Teams noch fundierteres Wissen über Bitumen sammeln, um die Alterung des Werkstoffs zu verlangsamen und haltbareren Asphalt zu ermöglichen. Außerdem sollen Verfahren entstehen, die es ermöglichen, altes Bitumen zu regenerieren und zu recyceln.

Suche nach langlebigem Bitumen

Zunächst geht es aber darum, die Alterungsmechanismen von Bitumen zu erforschen. Das soll helfen, den Einsatzzweck für das Material zu bestimmen – und für Asphalt von vornherein langlebiges Bitumen auszuwählen. Neben dem Asphaltstraßenbau wird Bitumen auch in Dach- und Dichtungsbahnen, sowie Bautenschutz und Isolierungen eingesetzt. Hohe Qualitätsansprüche werden vor allem an Bitumen für Asphaltstraßen und Dachbahnen gestellt, da die Erhaltung mit hohen Kosten verbunden ist. „Frühzeitige Versprödung und Rissbildung in den Dachbahnen, wie sie zum Beispiel bei einem Wasserschaden entstehen, können kostspielig werden. Für Radwege und im Deichbau kann man jedoch auch Bitumen mit niedriger Qualität einbauen“, erklärt Dr. Ayse Nur Koyun, Postdoc Scientist in der Forschungsgruppe Physikalische Chemie von Aerosolpartikeln an der TU Wien.

Bitumen, Asphalt, TU Wien
UV-Alterungsexperiment (c) Labor für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien – TU Wien

Komplexe Alterungsmechanismen

Bitumen ist typischerweise ein Gemisch aus mehreren unterschiedlichen Molekülen und einem geringen Schwefelgehalt. Aber Bitumen aus verschiedenen geologischen Standorten weisen eine unterschiedliche Zusammensetzung von organischen Stoffen auf – und manche dieser organischen Stoffe altern schneller. Daraus resultieren eine komplexe Chemie und eben solche Alterungsmechanismen. Um trotzdem genaue Untersuchungsergebnisse zum Alterungsverhalten zu erreichen, zerlegen die Forscher das Bitumen in einzelne Moleküle. Das heißt, sie spalten es anhand der Polarität der Moleküle mit verschiedenen Lösungsmitteln in chemisch ähnliche Gruppen auf und erhalten so die Klassen der Aliphate, Aromate, Harze und Asphaltene. 

Bei der Alterung von Bitumen werden Carbonyle und Sulfoxide gebildet. Carbonyle sind Kohlenstoffe, die ein doppelt gebundenes Sauerstoffatom tragen – und Sulfoxide sind organische Schwefelverbindungen. Beides wirkt sich auf die physikalischen Eigenschaften von Asphalt und insbesondere auf dessen Viskosität aus. Das Bitumen wird dadurch spröder. 

Lassen sich die Harze, Aromate und Asphaltene im Alterungsprozess leicht von reaktiven Sauerstoffmolekülen und UV-Strahlung angreifen, handelt es sich um ein kurzlebiges Bitumen. 

Dieses Wissen um die Alterungsmechanismen von Bitumen ermöglicht den Forschern, den Werkstoff im Labor möglichst realitätsnah altern zu lassen – um herauszufinden, welche Arten alterungsbeständiger sind und welche schneller oxidieren. 

Bitumen, Asphalt, TU Wien
(c) Labor für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien – TU Wien

Foto: Alterungsmechanismen an der Bitumenoberfläche: UV Alterung, Reaktive Sauerstoffspezies – NOx, OH Radikal und Ozon – sowie der Verlust von leichtflüchtigen Molekülen der das Material auch versprödet.

Einfluss der UV-Alterung

Bei der realitätsnahen Alterung im Labor nutzen die Forscher sogenannte Alterungszellen, in denen Einflüsse wie Sonnenstrahlen und Stickoxide in der Luft simuliert werden können. Wobei die Wiener Forscher auch den Einfluss der UV-Alterung untersuchen, obwohl das in standardisierten Bitumenalterungsmethoden nicht berücksichtigt wird. Die Alterungszellen bestehen aus Kammern, in denen Alterungsprozesse von zehn bis 15 Jahren in wenigen Stunden bis Tagen vollzogen werden. Um die Alterung in so kurzer Zeit zu simulieren, muss mit extremen Bedingungen gearbeitet werden – hohen Drücken und Temperaturen, UV-Strahlung und reaktiven Sauerstoffspezies in hoher Konzentration. Die Laborexperimente haben gezeigt, dass die Sonneneinstrahlung in den ersten Asphaltschichten eine wesentliche Rolle bei der Langzeitalterung spielt, erklärt Koyun. 

Temperatureinwirkungen

Die größte Rolle bei der Alterung des Bitumens spielen aber die Temperaturen, die in der Aufbereitung des Materials angewendet werden – sowohl in der Raffinerie als auch beim Aufbringen, dem sogenannten Einbau. In der Raffinerie wird das Erdölgemisch bis zu 350 Grad Celsius erhitzt und für das Aufbringen des Asphaltgemisches auf die Straße sind ebenfalls hohe Temperaturen (~200°C) notwendig. 

Bitumen, TU Wien, Asphalt
(c) TU Wien

Graphik:

Die Bedingungen in der Raffinerie und beim Einbau spielen die größte Rolle bei der Alterung des Bitumens. Die Steigung der Alterungskurve ist in der Raffinerie und beim Einbau am höchsten und flacht erst nach dem Einbau ab. 

Alterungserscheinungen regenerieren

Die oben erwähnten Mikrorisse in Bitumen können wieder geheilt werden – indem diese bei höheren Temperaturen wieder geschlossen werden. Im Labor sollen auch gezielt Zusatzstoffe entwickelt werden, die Alterungserscheinungen regenerieren und die Lebensdauer von Bauwerken verlängern sollen. Zur Qualitätskontrolle von Bitumen wird ein Scanner eingesetzt. Dieser regt die Autofluoreszenz des organischen Materials an. „Es sind Harze und kleine aromatische Verbindungen, die besonders stark fluoreszieren und gleichzeitig empfindlich auf die Alterung reagieren“, erklärt Professor Hofko.

Wiederverwendung

Eines der vordringlichsten Ziele aber ist es, Asphalt künftig, je nach Qualität, auf höchster Stufe wiederzuverwenden. Asphalt ist zu 100 Prozent recyclebar. In Österreich und in der EU werden schon heute unter bestimmten Bedingungen Ausbauasphalte beim Bau einer neuen Straße beigemischt. Im allgemeinen Streben nach nachhaltiger Bauweise und Kreislaufwirtschaft wird der Anteil an Ausbauasphalt in den nächsten Jahren noch steigen. „Mit einer geeigneten Analytik kann man hier einen wichtigen Beitrag liefern und feststellen, welche Komponenten dem gealterten Bitumen fehlen und man kann diese gezielt wieder zusetzen“, so Hinrich Grothe vom CD-Labor.