Ein internationales Forscherteam hat mit Hilfe der Projekte Red Dots und CARMENES überzeugende Beweise für einen Exoplaneten gefunden, der um den nur sechs Lichtjahre von der Erde entfernten Barnards Stern (GJ 699) im Sternbild Ophiucus kreist. Der auf den Namen Barnards Stern b getaufte Planet weist gut drei Mal so viel Masse wie die Erde auf – eine sogenannte Supererde – und ist ähnlich kalt wie der Saturn.
Was ist nun aber eine „Supererde“? „Es gibt derzeit keine international anerkannte, einheitliche und abgesprochene Klassifizierung von Exoplaneten. Die derzeit gängigste Definition einer Supererde ist ein Exoplanet, der eine Masse hat, die zwischen der Erde und dem Neptun liegt“, erklärt Dr. Markus Nielbock vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA). „Das liegt auch daran, dass man derzeit nur wenig und auch nur unter erheblichem Aufwand mehr zu solchen Objekten herausfinden kann.“
Eine etwas engere Definition einer Supererde käme aus den Beobachtungen des Kepler-Teleskops der NASA. „Wegen der von ihm genutzten Transitmethode konnte es jedoch keine Massen sondern nur Radien bestimmen. Da hat man auch mit theoretischen Überlegungen ermittelt, dass es in dieser Massenskala durchaus physikalische Unterschiede geben muss, so dass neben dem Begriff der Super-Erde auch Mini-Neptun benutzt wird. Es scheint nämlich in der Radienverteilung der Exoplaneten ein Mengenminimum zu geben, was darauf hindeutet, dass im Massenbereich zwischen Erde und Neptun tatsächlich zwei unterschiedliche Objektklassen auftreten, die unterschiedliche Eigenschaften haben: die Supererde ist erdähnlich, d.h. Gesteinsplanet mit dünner Atmosphäre, der Minineptun ist eher neptunähnlich, d.h. eine Mischung aus flüssigem und gefrorenem Material mit einer dicken, dichten Atmosphäre.“
Ohne eine Bestimmung der Größe von Barnards Stern b, und damit einer Ermittlung der Dichte des Planeten, ließe sich aber keine sichere Aussage treffen. „In diesem Fall benutzt man daher die allgemeinere Definition von Supererde. Damit wird aber rein gar nichts darüber ausgesagt, ob dieser Planet in der Lage ist, Leben zu begünstigen. Das führt in der Öffentlichkeit sicher oft zu Missverständnissen, da mit dem Begriff gleich auch die Kategorie ‚lebensfreundlich‛ assoziiert wird. Das ist aber normalerweise nicht gemeint.“
Die Supererde ist ein kalter, lebensfeindlicher Ort
Barnards Stern, benannt nach dem Astronomen E. E. Barnard, ist ein roter Zwergstern, der nur 4 ‰ der Strahlungsleistung der Sonne abgibt und obwohl sich der Exoplanet relativ nah an seinem Zentralstern befindet – in nur 0,4-facher Entfernung von Erde und Sonne – liegt er nahe an der Schneelinie, der Region, in der flüchtige Verbindungen wie Wasser zu festem Eis kondensieren können. Den Planeten Barnard’s Star b erreicht nämlich nur etwa 2 % der Intensität, die die Erde von der Sonne empfängt. Daraus folgern die Wissenschaftler, dass diese eisige, schattige Welt eine Temperatur von -170°C haben könnte, was sie für das Leben, wie wir es kennen, unwirtlich macht und eine lebensfeindliche, eisige Wüste ist, in der es kein flüssiges Wasser gibt.
Direkte Hinweise auf das Vorhandensein von Wasser auf dem Planeten gebe es jedoch nicht, sagt Nielbock. „Das lässt sich aus den Daten nicht direkt ermitteln. Es ist aber sehr unwahrscheinlich. Der Planet befindet sich in einer solch großen Entfernung, dass die Strahlungsenergie des Sterns im Vergleich zur Sonne und und ihrer Entfernung zur Erde sehr schwach ist“, betont er.
„Eine einfache Abschätzung weist auf eine mittlere Temperatur von -170°C hin. Die könnte aber je nach Vorhandensein und Zusammensetzung der Atmosphäre wegen eines möglichen Treibhauseffekts höher sein. Sie könnte aber auch noch niedriger sein, wenn die Oberfläche sehr hell ist (Albedo) und einen Großteil der eingestrahlten Energie nicht absorbiert sondern reflektiert. Allerdings würde es auch mit Treibhauseffekt schwierig, die Temperatur so hoch zu schrauben, dass flüssiges Wasser möglich wäre. Daher muss man davon ausgehen, dass alles Wasser, so es denn dort vorhanden ist, gefroren ist.“
Daten aus 20 Jahren
Barnards Stern ist der uns am nächsten gelegene Einzelstern und uralt – wahrscheinlich doppelt so alt wie unsere Sonne – und relativ inaktiv, bewegt sich von der Erde aus gesehen von allen Sternen am schnellsten über den Himmel. Astronomen hatten schon seit Langem erfolglos nach Planeten um Barnards Stern gesucht und haben nun aus 771 Einzelmessungen ein Signal entschlüsselt, das auf einen Planeten hindeutet, der ein Mal innerhalb von 233 Tagen in einem Abstand rund 60 Millionen Kilometern um sein Muttergestirn umherläuft. Die Messungen vereinen einen der größten und unfangreichsten Datensätze, der je für präzise Radialgeschwindigkeitsstudien erstellt wurde.
„Man hat schon sehr lange vorher nach Planeten bei Barnards Stern gesucht. Und eine Zeitlang war man sich auch sicher, Hinweise auf einen oder zwei Planeten gefunden zu haben. Dann zeigte sich aber dass es sich um Störungen durch das Messinstrument handelte. Die aktuelle Studie basiert dagegen tatsächlich auf Messungen der letzten 20 Jahre“, betont Nielbock.
Die Entdeckung basiert auf der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode. Hierbei registriert ein empfindlicher Spektrograf kleine periodische Verschiebungen der Spektrallinien im Spektrum eines Sterns aufgrund seiner Bewegung entlang der Sichtlinie, die von dem Planeten hervorgerufen wird. Daraus kann man die Masse des Planeten berechnen. Ist die Planetenbahn gegenüber der Sichtlinie geneigt, unterschätzen wir jedoch die Geschwindigkeitsänderung des Sterns und damit die Masse des Planeten. In den meisten Fällen kennen wir die Neigung nicht. Daher sind die 3,3 Erdmassen von Barnard’s Star b nur ein Minimalwert. Allerdings stellen sie auch den wahrscheinlichsten Wert dar.
„Supererden sind die häufigste Art von Planeten, die sich um massearme Sterne wie Barnards Stern bilden, was diesem neu entdeckten Planetenkandidaten Glaubwürdigkeit verleiht“. Heißt es bei der ESO. „Darüber hinaus sagen aktuelle Theorien zur Planetenbildung voraus, dass die Schneelinie der ideale Ort für die Bildung solcher Planeten ist.“
Über die genaue Entstehung von Barnards Stern b könne man anhand der gesammelten Daten nur wenig sagen, stellt Nielbock klar. „Zu diesem Planeten kann nicht mehr sagen, als was die generellen Modelle der Planetenentstehung hergeben. Üblicherweise handelt es sich beim Prozess um eine zwangsläufige Entwicklung, die mit der Entstehung von Sternen einhergeht. Das Material der Planetenbildung (Gas, kleinste Geröllklumpen, Eis) ist ein Überbleibsel der Materie, die den Stern während seiner Entstehung speist. Durch die Rotation flacht die Urwolke zu einer Scheibe ab. Daraus bilden sich durch verschiedene Prozesse letztendlich die Planeten.“
Bilder der neu entdeckten Supererde gibt es noch nicht. Aktuell können man den Planeten nicht auf Aufnahmen sichtbar machen. „Aber auch die nächste Generation von Teleskopen und Instrumenten (z. B. ELT) wird den Planeten höchstens als Lichtpunkt nachweisen können“, so Nielbock. „Die Spektren sagen etwas über die Zusammensetzung und die Bewegung des Sterns aus, denn man untersucht lediglich die Schwankungen im Spektrum des Sterns. Diese Schwankungen werden zum Teil von dem umlaufenden Planeten erzeugt.“
Die Astronomen nutzten den Doppler-Effekt, um den Exoplaneten-Kandidaten zu finden. Während der Planet den Stern umkreist, lässt seine Anziehungskraft den Stern wackeln. Wenn sich der Stern von der Erde entfernt, verschiebt sich sein Spektrum in den roten Bereich, d.h. es verschiebt sich zu höheren Wellenlängen. Ebenso wird das Sternenlicht in Richtung kürzerer, blauerer Wellenlängen verschoben, wenn sich der Stern auf die Erde zubewegt.
Hinweise auf weiteren Planeten
„In den Daten hat man auch Anzeichen von Variationen in der Sternatmosphäre gesehen, die für diese Klasse von roten Zwergsternen durchaus üblich sind. Darüber hinaus hat man offenbar auch Hinweise auf eine weitere Periode um etwa 6.000 Tage gefunden. Die könnten auf einen weiteren Planeten hinweisen, der massereicher und weiter vom Stern entfernt ist.“
Allgemeine Rückschlüsse seien aber eher nicht möglich, die wichtigsten Erkenntnisse aus der Entdeckung seien jedoch, dass die Bildung von Planeten offenbar sehr häufig vorkommt. „In unserer unmittelbaren Nachbarschaft hat man nun schon einige Planetensysteme gefunden. Innerhalb von 15 Lichtjahren der Sonne kennen wir inzwischen 14 Systeme.“
Zum anderen zeige die Arbeit, dass es möglich ist, eine größere Zahl von Datensätzen aus sehr unterschiedlichen Instrumenten und Jahren so miteinander zu verknüpfen, dass man ein konsistentes Gesamtergebnis erhält, betont Nielbock. „Das ist keineswegs trivial.“ Und schließlich: „Innerhalb des kommenden Jahrzehnts wird man beginnen, routinemäßig Exoplaneten zu charakterisieren, d.h. ihre Eigenschaften zu bestimmen. Dafür ist es meistens notwendig, sie getrennt von ihrem Muttergestirn beobachten können.“
In vielen Fällen ginge das nicht, weil sie einfach zu nah am Stern dran sind. „Bei Barnards Stern wäre das aber relativ leicht möglich, sobald die gerade in der Entwicklung stehenden Teleskope und Instrumente genutzt werden können. Es ist wichtig, möglichst viele solcher Fälle zu sammeln, um später eine große Anzahl von Kandidaten zu haben, um die Eigenschaften von Planeten detaillierter untersuchen zu können.“
Barnards Stern b ist der am zweitnächste bekannte Exoplanet der Erde. Die einzigen Sterne, die der Sonne näher sind, bilden das Dreifach-Sternsystem Alpha Centauri. Unter Verwendung von ESO-Teleskopen und anderen Einrichtungen fanden Astronomen 2016 klare Hinweise darauf, dass ein Planet den der Erde am nächsten liegenden Stern in diesem System, Proxima Centauri, umkreist. Dieser Planet, Proxima Centauri b, liegt etwas mehr als 4 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Bilder: ESO
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