Wenn sich zwei Studentengruppen der TU Eindhoven unabhängig voneinander Gedanken über nachhaltige Mobilitätskonzepte der Zukunft machen, kommen auch zwei unterschiedliche Konzepte raus: das Solar-Auto Stella Vie und das Elektroauto Noah. Und doch eint die ambitionierten jungen Menschen ein gemeinsamer Gedanke: Nachhaltigkeit und der schonende Umgang mit Ressourcen.
Fakt ist, Städte wie Amsterdam oder München platzen aus allen Nähten. Prognosen zufolge soll die niederländische Metropole 2030 auf eine Million Bewohner anwachsen – momentan sind es mehr als 800.000. Während die Einwohnerzahl laut Experten in der bayerischen Landeshauptstadt bereits bis 2022 auf 1,75 Millionen Einwohner steigen soll. Hier wohnen Menschen, die mobil sein wollen und sich innerhalb- und außerhalb der Stadtgrenzen möglichst unkompliziert bewegen möchten. Stadtplaner stellt das vor riesige Herausforderungen. Lassen sich Straßen, Fahrradwege und der öffentliche Nahverkehr nicht einfach beliebig erweitern. Ebenso ist es ums Transportwesen bestellt. Hinzu kommen wachsende Emissionswerte, eine höhere Feinstaub-Belastung, mehr Lärm und damit unweigerlich weniger Lebensqualität.
Städteplaner stehen vor gewaltigen Aufgaben
Schon jetzt raucht den Städteplanern der Kopf. Hastig werden zumindest in München E-Mobilitätskonzepte aus dem Boden gestampft. E-Bikes und -Roller sowie Carsharing-Access-Points sollen die Bewohner dazu bewegen, auf ihre Autos zu verzichten. Stattdessen sollen sie den auf öffentlichen, in München zu den Hauptverkehrszeiten, dauerüberfüllten Nahverkehr oder auf E-Mobility-Angebote ausweichen.
Sicher ist dies ein Weg in die richtige Richtung. Am tagtäglichen Verkehrsstau, überfüllten Bussen, U-Bahnen und Radwegen ändert das bisher nur wenig. Stadt und Planer schreiben einen Mobilitätswettbewerb nach dem anderen aus, um neue Ideen für die Lösung der wachsenden Bevölkerung und dem enormen Mobilitätshunger zu finden.
Studententeams mit unkonventionellen Lösungen
Die beiden Studententeams geben auf die Herausforderungen der Zukunft Antworten. Das Bemerkenswerte daran ist: Sie studieren zwar an der technischen Universität in Eindhoven, haben ihre Studien aber noch nicht beendet. Dafür gehen sie mit den wachsenden Mobilitätssorgen in den Städten unkonventionell um. Sie entwickeln Ideen, Konzepte und Autos, die sich sehen lassen können. „Wir hatten von der Autoherstellung keine Ahnung“, erklären sie bescheiden. Stimmt, doch genau das hat dafür gesorgt, dass sie unbeeinflusst und mit frischen Ideen die Sache angegangen sind.
Am Anfang jeder Idee stand, zu verstehen, welchen Anforderungen Autos Zukunft gerecht werden müssen. Im Prinzip fingen sie an, wie es Kinder tun würden. Unvoreingenommen, neugierig, einfach ausprobieren und machen.
Zwei clevere Konzepte
Herausgekommen sind zwei Mobilitätskonzepte: Stella Vie und Noah. Stella Vie, die futuristisch anmutende Familienkutsche, setzt auf Solarenergie. Eine Lithium-Ionen-Batterie ist für Schlechtwettertage trotzdem verbaut.
Zweisitzer Noah dagegen beeindruckt durch seine handliche Form und der Front. Sie verleiht dem Auto einen freundlichen Touch. Gemein haben beide Konzepte, dass sie auf einen sparsamen Umgang mit Ressourcen setzen. Ressourcen, mit denen wir in den vergangenen Jahren so arglos umgehen. Wir verschwenden sie, lamentieren darüber, ändern aber nichts daran.
Die Studententeams haben genau dieses Problem erkannt. Noah, das circular car, kommt mit recycelbaren Zucker-Flachs-Teilen daher, die unproblematisch entsorgt werden können.
Stella Vie dagegen besteht aus Carbon. Das 370 Kilogramm schwere, besser leichte, Vehikel legt dadurch eine Distanz von bis zu 1.000 Kilometern mit einer Solarfüllung zurück.
Eine Straßenzulassung hat das Gefährt bereits. Zudem auch einen Sieg in der Tasche. Bei der World Solar Challenge 2017 in Australien von Darwin nach Adelaide gewann das Eindhovener Studententeam den ersten Platz. In sechs Tagen legten sie 3.000 Kilometer zurück, trotzen Regen und zeigten, welche Distanzen ein solarbetriebenes Fahrzeug fahren kann.
Nachhaltig, recycelbar und ressourcenschonend
Noah hat zwar noch keine Straßenzulassung, aber ein durchdachtes Konzept. Nachhaltig, recycelbar und ressourcenschonend ist die Devise. Der Prototyp, der zwar noch nicht so professionell wirkt wie Stella Vie gibt aber schon jetzt einen sehr guten Eindruck. Aus Anfängern in Sachen nachhaltigem Autobau sind nach Monaten beziehungsweise Jahren intensiver Entwicklungszeit inzwischen Profis geworden. Das Noah-Team präsentiert schon Autogrößen wie BMW sein Konzept. Aus Stella Vie-Team wird ein Spin-Off und damit ein marktreifes Unternehmen.
Wie geht’s weiter?
Bleibt am Ende die Gretchenfrage: Schaffen die beiden Konzepte die Marktreife und werden sie die Bürger überzeugen können?
Die Euphorie weicht schnell einer realistischen Erkenntnis. Der Verbraucher muss überzeugt werden und das ist schwer. Während der Präsentation der Fahrzeuge in München bleiben viele Interessierte stehen, fragen nach, machen Fotos, sind neugierig. Aber auf die Frage hin, ob sie sich vorstellen könnten, eines Tages eines dieser Autos zu fahren, lächeln sie verlegen. Manche sagen ganz schnell nein.
Das hat einen Grund, der auf den Straßen Münchens zu finden ist. Große, kompakte Autos, SUVs, dominieren das Straßenbild. Eben genau das Gegenteil, was die Macher von Stella Vie und Noah propagieren. Bei der Vorstellung, dass eines dieser Autos hinter Noah oder Stella Vie an der roten Ampel nicht zum Stillstand kommt, stellen sich jedem die Nackenhaare auf. Vieles muss sich ändern, vor allem in den Köpfen der Stadtbewohner, um den Weg für nachhaltige, recycelbare und ressourcenschonende Autos frei zu machen. Aber mit guten, mutigen Konzepten ist ein Anfang gemacht.
Technische Daten Stella Vie:
Batteriegröße: 13kW
Geschwindigkeit: 130 km/h
Reichweite am Tag: 1.000 km
Reichweite bei Nacht: 640 km
Leergewicht: 370 kg
Technische Daten Noah:
Batteriegröße: 15kW
Geschwindigkeit: 100 km/h
Reichweite: 240 km
Leergewicht: 350 kg
Lesen Sie mehr über Noah und Dialoogkreativ – während des einen Monat dauernden Networkings und Austauschs zwischen Amsterdam, Utrecht und München.
Dabei wurden auch die beiden nachhaltigen Autos vorgestellt:
Fotos: Christiane Manow-Le Ruyet