Überfälle, tätliche Angriffe, Vergewaltigungen und Morde – immer wieder hört man in den Nachrichten von Verbrechen, die vielleicht hätten verhindert werden können, wenn andere Menschen geholfen hätten. Oft werden die Opfer aber daran gehindert, um Hilfe zu rufen, oder es hört sie einfach niemand. Das Notfallsystem des deutschen Start-ups prosfsec soll dazu beitragen, Verbrechen zu verhindern und benachrichtigt auf Knopfdruck alle Menschen im Umkreis von 300 Metern wie auch die Polizei.
profsec-Mitbegründerin Gaby Frontzeck hat sich mit Innovation Origins über ihr Start-up und die Probleme, als Frau die nötige Finanzierung zu sichern, unterhalten.
Wie kamen Sie auf die Idee zur Gründung des Start-ups?
Der Anlass war „böse Realität“. Eine Mitbewohnerin meiner Tochter ihrer Studenten-WG wurde im Hauseingangsbereich der WG Opfer einer Vergewaltigung. Notsituationen gehören leider zu unserem täglichen Leben. Schnelles Einschreiten und Hilfe sind meist nicht möglich, denn oft werden Notsituationen nicht wahrgenommen. Notleidende können niemanden erreichen. Durch dieses Ereignis und das Bewusstwerden, dass es jeden treffen kann, machte ich mir damals eingehend Gedanken darüber, eine Lösung für das Problem zu finden und wieder ein Sicherheitsgefühl für die Bevölkerung herzustellen.
Was macht profsec, bzw. Ihr Produkt besonders und welche Probleme löst es?
Unser Notrufsystem soll vielen Menschen zukünftig wieder ein Sicherheitsgefühl vermittelt. Mit der einfachen Anwendung ist es geeignet für jeden. Unabhängig von App, Internet und Leitzentralen. Ähnliche Notrufsysteme sind von Zusatzgeräten und/oder Leitstellen/Personen abhängig. Diese funktionieren über Festnetz, eine App, mit der man eine Leitstelle benachrichtigt, oder der Prämisse, dass das Umfeld die gleiche App hat. Folglich ist ein Telefon oder Handy von Nöten. Dieses kann im Notfall aus der Hand geschlagen werden. Und hat man im Notfall Zeit, die App zu aktivieren? Oder es gibt kein Internet? Das profsec® Notfallsystem ist unabhängig von diesen Faktoren und bezieht Bürger/Bürgerinnen mit ein.
Mit der Möglichkeit zum direkten Senden des Notrufsignals an alle sich in der Umgebung befindlichen Menschen ist sofort Hilfe möglich. Unser Notrufsystem ist am ganzen Körper tragbar und somit nicht von einem Straftäter/einer Straftäterin ausfindig zu machen. Eine zusätzlich im System verbaute Kamera nebst Mikrofon sendet Bilder über eine verschlüsselte Website direkt an nächstgelegene Polizeidienstellen. Diese können schnell eingreifen und die ausgewerteten Bilder können dann der schnellen Aufklärung dienen.
Was war die größte Hürde, die Sie überwinden mussten?
In meiner Tätigkeit im Kaufmännischen-Vertriebsbereich bin ich sehr gut, hatte jedoch keine Ahnung zur technischen Umsetzung des Produkts. Mit wenig eigenen Finanzmitteln war es eine große Herausforderung, geeignete Fachkräfte zu finden, die die Machbarkeit bestätigten. Und natürlich die Finanzierung der stetigen Weiterentwicklung und Bezahlung der Fachkräfte.
Stimmt das Klischee, dass es für Frauen schwieriger ist, Geld zu bekommen? Wie gehen Sie damit um?
Aus unserer Sicht ja. Als sich seinerzeit sogar ein Mitglied der Regierung für unser Vorhaben stark machte und mit dem Vorstand einer Bank sprach, delegierte dieser an einen Mitarbeiter weiter. Der Beauftragte lehnte eine Finanzierung mit der Aussage ab, dass das Projekt zu innovativ sei. Diese Begründung lies sofort vermuten, dass der wahre Grund darin lag, dass eine Frau das Unternehmen gründen wollte. Auf Nachfrage meines Partners wurde er gefragt, warum er sich nicht als Geschäftsführer eintragen lasse, dann müsste nur der Rahmen der Finanzierung neu verhandelt werden. Das lässt den Rückschluss zu, dass es bei der Beschaffung von Geldmitteln durch eine Frau wirklich schwieriger ist und es sich nicht nur um ein Klischee handelt. Auch bei möglichen Investoren wurde im Erstgespräch schon mal nach einem männlichen Geschäftsführer leise angefragt. Diese Umstände haben immer nur bedeutet, weiter zu kämpfen, andere Lösungen zu suchen/zu finden. Wir mussten schon viele Rückschläge einstecken, aber werden, auch als Team, nicht ruhen, bis jedem unser Notrufsystem zur Verfügung steht.
Gab es einen Moment, an dem Sie aufgeben wollten?
Aufgeben ist für uns keine Option. Selbst als wir, mit meist positivem Feedback von interessierten Investoren, letztendlich zu hören bekamen, dass wir uns in einer „zu frühen Phase“ befanden, aber grundsätzlich Interesse zu einem Invest zu einem späteren Zeitpunkt bestünde. Wir brauchen die Unterstützung jetzt. Natürlich hat man als Start-up mit Höhen und Tiefen zu kämpfen. Aber das grundsätzliche Interesse hat uns noch bestärkt, weiter zu machen.
Und umgekehrt: Was hat Sie besonders stolz gemacht?
Das Patent, das bereits erteilt wurde. Unser geschützter Markenname. Dass wir bei einem der weltweit größten Konzerne und allgemein schon viel öffentliches Interesse geweckt zu haben. Darauf, dass sich Mitglieder der Bundesregierung Zeit für mehrere persönliche Gespräche genommen haben und zu diesem Zweck sogar bei uns vor Ort waren. Wir wurden zum Interview bei einem Radiosender eingeladen. Der Podcast wird heute noch gesendet. Es gab eine erste Bestellzusage für die Sicherheit aller Stadtangestellten in unserer Region. Wir konnten unseren Bürgermeister als Befürworter gewinnen. Verschiedene Medien haben Berichte über uns verfasst und bekamen Anfragen zu redaktionellen Berichten in renommierten Wirtschaftszeitungen und auf verschiedenen Websites. Und wir sind stolz darauf, niemals aufgegeben zu haben, trotz aller Steine, die man als Start-up in den Weg gelegt bekommt. Stolz darauf, Schritt für Schritt „unser Baby wachsen zu sehen“ und dem Ziel immer näher zu rücken.
Worauf dürfen wir uns dieses Jahren freuen, sprich: Was können wir von profsec erwarten?
Es sind Veranstaltungen zur Sensibilisierung zum Thema Sicherheit und Verhalten in Notsituationen geplant. Um belegbare Zahlen zu erheben, wird es nach endgültigem Fertigstellen der Prototypen eine Musterstadt mit einem Testlauf geben. Auf unserer Website www.profsec.de wird das bestehende, kurze Erklärvideo durch ein neues ersetzt. Wir werden alles tun, um dieses Jahr eine Serienreife für unser Produkt zu erreichen und den Markteintritt vorzubereiten. Die Basisversion wird 69 Euro kosten.
Was ist Ihre Vision für profsec? Wo sehen Sie sich in fünf oder zehn Jahren?
Unsere Vision ist es, dass in den nächsten Jahren jedem Menschen weltweit unser Notrufsystem zur Verfügung steht. Es gibt auch noch viele weitere Möglichkeiten zur Nutzung und dem Gebrauch. Hieran werden wir in der Zukunft arbeiten. Gemäß unserem Motto: „Nur“ ein Leben gerettet, „nur“ eine Straftat verhindert, macht die Welt schon ein bisschen besser.
Titelbild: Gaby Frontzeck (2.v.r) und Vanessa Frontzeck (2.v.l.) mit zwei Mitarbeitern
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