Katharina Unger ist mit ihrem Start-up Livin Farms im Markt der alternativen Proteine tätig. Konkret ist es das Protein von Mehlwürmern, das sie als Lebensmittel zugänglich machen möchte. Ihre Mission: Feeding the World, while Saving the Planet.
„Wir werden uns auf den Klimawandel einstellen müssen und nachhaltigere Lebensmittelsysteme einführen“, sagt Unger. „Die CO2-Emissionen aus einem Kilogramm Protein aus Rindfleisch sind 25-mal höher als jene der gleichen Menge Protein aus Mehlwürmern.“
Um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren, frisst ein Rind die zehnfache Menge an Futtermittel. Beim Mehlwurm ist es nur die 2,2-fache Menge. Dadurch vereinnahmt die Rindfleischproduktion derzeit ein Drittel der Anbauflächen weltweit – die derzeit für den Anbau von Getreide für Tierfuttermittel verwendet werden. Futtermittel für die Zucht von Mehlwürmern erfordern nur zehn Prozent dieser Fläche.
Proteine aus Insekten
Unger beschäftigte sich schon in ihrer Masterarbeit im Industriedesignstudium mit der Insektenzucht. Damals designte sie eine kleine Maschine zur Zucht von Insekten in den eigenen vier Wänden. Später führte sie ihr Beruf nach Hongkong, wo sie Kopfhörer und Auto-Interieur designte. Erst ein 2013 erschienener Bericht der Vereinten Nationen ermutigte sie, an ihrem Masterprojekt weiterzuarbeiten. Der Bericht enthielt die Empfehlung, Insekten als Lebensmittel zu nutzen, weil diese gesund und nachhaltig sind. Ihr Engagement ermöglichte ihr, Projekte in Hawaii, Afrika und Malaysia durchzuführen. Zurück in Hongkong bekam sie eine Fianzierung von einem südchinesischen Investor, das 2015 zur Gründung von Livin Farms führte.
Den Firmensitz in Hongkong behielt sie bei, gründete aber 2019 eine Niederlassung in Wien. Hier, wo die Mietpreise günstiger sind, arbeitet sie an der Industrialisierung der Insektenzucht – mit Mehlwürmern. Ihr zweites Geschäftsfeld ist die Mini-Mehlwurmfarm, die über den Standort Hongkong läuft. Die Insektenzucht für Privathaushalte wirft zwei Produkte ab: Proteine und Dünger. Der Dünger – ein trockenes Pulver – ist ein Nebenprodukt, das einen idealen Nährstoff für Pflanzen ergibt. Da die Mehlwürmer von pflanzlichen Küchenabfällen ernährt werden, ergibt sich ein natürlicher Kreislauf. Die geernteten Mehlwürmer werden gefroren, bevor sie zum Kochen verwendet werden können.
Katharina Unger im Interview:
Welches Problem lösen Sie und warum ist das wichtig?
Ich möchte das Lebensmittelsystem gravierend verbessern und die Insektenzucht durch Reststoffverwertung und hochwertige Proteine in die Kette einfügen. In der Reststoffverwertung kooperieren wir mit Lebensmittelketten, die viele organische Reststoffe haben, wie etwa altes Obst und Brot, das nicht mehr verkauft werden kann. Dadurch reduzieren wir die Lebensmittelabfälle, die acht Prozent zur globalen Erwärmung beitragen.
Schon seit Jahrtausenden ist bekannt, wie man Schweine, Hühner und Rinder züchtet. Aber über die Insektenzucht weiß man noch kaum etwas. Wir streben die Insektenzucht in großem Stil an und erforschen Dinge wie
- die Futterverwertung;
- welche Umweltbedingungen erforderlich sind;
- wie deren Haltung zu automatisieren ist – so dass die Zucht skalierbar wird;
Mehlwürmer werden nach deren Ernte gefroren und zu Mehl und Fett weiterverarbeitet. Das Mehl hat einen hohen Nährstoffwert und wird bisweilen vorwiegend im Futtermittelbereich eingesetzt.
In der Insektenzucht – was war das größte Hindernis, das Sie überwinden mussten?
Es sind nicht Einzelheiten, die schwierig sind, sondern das Zusammenspiel der unterschiedlichen Dinge. Die Insektenzucht ist erst 2012 entstanden und noch immer sehr neu. Es gibt noch keine Unternehmen, die Insekten in großem Stil einsetzen. Dadurch ist es sehr schwer nachhaltig Kunden zu akquirieren und zu halten. Gleichzeitig ist der Maßstab der Produktion noch nicht gegeben. Mit großen Abnehmern können wir noch nicht sprechen.
Wir forschen sowohl an der Technologie, als auch an Nischen, um Produkte im Markt zu platzieren. Die Entwicklung von Produkten in denen Insekten verarbeitet werden, erfordert viel Fingerspitzengefühl.
Was waren die bisher schönsten Momente?
Die ersten Produkte und glückliche Kunden. Wir haben die Mini-Mehlwurmfarm mit Blut, Schweiß und Tränen in China hergestellt und dann hunderte Stück weltweit verkauft. Es war schön, Rückmeldungen von Kunden zu bekommen, die damit besser leben können.
Wie schwer war es, eine Finanzierung zu bekommen?
Wegen des komplexen Marktes nicht einfach. Viele glauben, dass das Thema Insektenzucht in Zukunft wichtiger werden wird, aber wenige sind bereit, Geld auf den Tisch zu legen. Aber es gab bereits einen Investor, der Eigenkapital eingebracht hat.
Wie sind die Standortbedingungen in Wien?
Wir sind wegen der günstigeren Mietpreise in Wien. Hongkong ist eine der teuersten Städte weltweit und es ist schwierig, alternative landwirtschaftlich nutzbare Fläche zu bekommen. Die industrielle Zucht braucht außerdem Platz für Maschinen. Den Markt für Proteine gibt es in Europa und Asien. Hier und dort muss man sparen. Wir wollen den Standort in Hongkong behalten, um dort strategisch verankert zu sein und wir den asiatischen Markt weiterverfolgen wollen
Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf Jahren sein?
Wir wollen uns als einer der bedeutendsten und nachhaltigsten Unternehmen im Bereich der alternativen Proteine etablieren. Dabei streben wir die Zucht hochwertiger Proteine an – in einem nachhaltigen System mit Partnern, deren Rohstoffe wir sinnvoll als Futtermittel verarbeiten können.
Was macht Ihre Innovation besser/anders als existierende Dinge?
Insekten sind speziell gut darin, minderwertige Rohstoffe gut zu verarbeiten. Das macht sie in einigen Szenarien sogar nachhaltiger und effizienter als Proteine aus Pflanzen, da diese zum Beispiel auch guten Boden, viel Fläche und frisches Wasser benötigen.
Hiring?
Wir sind gerade auf der Suche nach eine*r/m fleißigen und motivierten Produktionsmitarbeiter*in.
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