Derzeit werden circa zwei Drittel des europäischen Aluminiumbedarfs aus Mineralien gewonnen. Das sogenannte Primäraluminium verursacht hohe CO2-Emissionen und widerspricht den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die eine effiziente Nutzung von Ressourcen fordern. Denn stellt man Aluminiumlegierungen durch Aluminium-Recycling (Sekundäraluminium) her, dann wird nur etwa fünf Prozent der Energie verbraucht, die bei der Gewinnung aus Mineralien erforderlich ist. In ähnlichem Ausmaß wird auch der CO2-Fußabdruck des Materials reduziert.
Geringer Treibstoffverbrauch
Das Thema hat enorme wirtschaftliche Bedeutung, denn Aluminium ist nach Stahl der zweitwichtigste metallische Werkstoff. 2016 belief sich das globale Gesamtproduktionsvolumen auf 95 Millionen Tonnen. Aluminium wird vor allem seiner Leichtigkeit wegen geschätzt. Allerdings bedarf es Legierungen, um die Festigkeitswerte zu erhöhen und auch andere Eigenschaften zu beeinflussen.
Bauteile aus Aluminiumlegierungen sind – verglichen mit Stahl – bei gleicher Festigkeit nur etwa halb so schwer. Dadurch eignet sich das Material vor allem für Fahrzeuge und Transportmittel, wo es zu einem geringeren Treibstoffverbrauch beiträgt. Verwendung finden die Aluminiumwerkstoffe zum Beispiel für verschiedene Motorkomponenten sowie für Teile des Fahrwerks und der Karosserie.
Standardwerk zu Aluminium-Recycling
Schätzungen zufolge wird sich die Menge des für das Recycling verfügbaren Aluminiums in Europa bis 2050 verdoppeln. Um die Recyclingrate zu erhöhen, braucht es jedoch ein besseres Verständnis dafür, wie künftige Werkstoffe gestaltet werden können, um gut wiederverwertbar zu sein, sagt Professor Stefan Pogatscher vom Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie an der Montanuniversität Leoben. Aber obwohl es in unterschiedlichen wissenschaftlichen Communities bereits viel Forschungsaktivität zu Aluminium-Recycling gibt, war bisher kein Standardwerk vorhanden. „Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wir müssen auch auf wissenschaftlicher Ebene die Komplexität unserer Systeme reduzieren – und generalistische und spezifische Perspektiven auf konkrete technische Fragen besser miteinander verknüpfen“, so der Professor.
Pogatscher hat gemeinsam mit Professor Dierk Raabe vom Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf und 22 Forschenden aus verschiedenen Forschungsinstitutionen über zwei Jahre lang knapp 1300 wissenschaftliche Arbeiten zu einem umfassenden Überblicksartikel kondensiert.
Unedle Eigenschaft
Problematisch am Recycling von Aluminium ist dessen unedle Eigenschaft. Diese erschwert es, die meisten unbrauchbaren Elemente im Recycling von Aluminiumschrott zu entfernen. Zudem können die Verunreinigungen die Qualität des Werkstoffs mindern. „Wenn Verunreinigungen aus nichtmetallischen Elementen bestehen, können diese im Recycling unter anderem durch Filter entfernt werden. Es sind metallische Elemente wie Stähle und Kupfer, die beim Sortieren oft nicht vollständig abtrennbar und in manchen Aluminiumlegierungen schädlich sind.
„Die Entfernung von anderen Metallen ist kompliziert und geeignete Technologien sind am Markt noch nicht verfügbar. Hinzu kommt, dass Elemente, die in einer Legierung gewünscht sind, in anderen Legierungen die Eigenschaften auch mindern können. Wolle man dies ändern, so müsse der Grad an Verunreinigung bei der Entwicklung nachhaltigerer Legierungsstrategien berücksichtigt werden“, erklärt Professor Pogatscher.
Einfache und komplexe Legierungen
2019 lag die globale Rate im Aluminium-Recycling bei 35 Prozent. Diese Rate ist unter anderem einfachen Produkten wie Getränkedosen zuzuschreiben. Da diese aus wenigen gut kompatiblen Legierungen bestehen, können sie leicht wieder zu neuen Dosen verarbeitet werden. Hingegen bestehen Altschrotte aus weit komplexeren Legierungen und können zum Beispiel noch nicht für Karosserien eingesetzt werden, weil diese viel zu empfindlich gegenüber verunreinigenden Elementen sind. Deshalb ist die Wiederverwertung von Altschrott derzeit noch auf Motoren und Motorblöcke reduziert. Durch die steigende Bedeutung klimafreundlicher Antriebe wird das Produktionsvolumen von Motoren jedoch zukünftig dramatisch sinken – und das wird das Recycling zusätzlich erschweren.
Eine hundertprozentige Kreislaufwirtschaft sei aufgrund des anhaltend wachsenden Materialbedarfs in absehbarer Zeit nicht machbar. Zudem gehe in Sammlung, Sortierung und Recyclingprozessen schon nach wenigen Produktlebenszyklen ein hoher Anteil des Aluminiums verloren. Um so wichtiger sei es deshalb, so viel Material wie möglich im Kreislauf zu behalten.
Vielfalt reduzieren
Trotz laufender Innovationen bei Aluminium-Recycling-Prozessen stoße man immer wieder an Grenzen. So können zum Beispiel automatisierte Sortieranlagen schon nach Legierungsklassen aufspalten – allerdings nur dann, wenn die Materialien nicht verschweißt sind. Zudem werde an neuen Legierungen gearbeitet, die breitere Eigenschaftsbereiche abdecken, um die Vielfalt zu reduzieren und gleichzeitig die Toleranz für Verunreinigungen zu steigern. Da stehe man aber noch ganz am Anfang und genau dazu möchte der Überblicksartikel Hilfestellung anbieten, so Professor Pogatscher.
Realistisches Ziel der Forschung ist es, die Entwicklung und Herstellung von Aluminiumlegierungen mit möglichst hohen Schrottanteilen zu fördern. In Zukunft sollen auch minderwertige Schrotte und Schrottsorten verwendet werden können, die bei der Wiederverwertung nur wenigen Ziellegierungen entsprechen.
Herausforderungen
Professor Pogatscher plädiert für den Aufbau einer integralen Sichtweise, die vom Design der Produkte über die Materialherstellung und die Bauteilherstellung bis hin zum Recycling führt. Dazu sei es noch notwendig, gesellschaftliche Lösungen zu finden. Ein erster Schritt aber wäre es, derartige Ausbildungen überhaupt erst anzubieten, „da auch den verantwortlichen Personen oft aufgrund der hohen Komplexität schlicht der Überblick zu fehlen scheint“, so der Professor. An der Montanuniversität Leoben macht man einen Anfang und startet ab Herbst 2022 zwei neue englischsprachige Bachelorstudien: Circular Engineering und Responsible Consumption and Production.
Der Artikel wurde in der Zeitschrift Progress in Materials Science (IF 39,58) veröffentlicht:
Making sustainable aluminum by recycling scrap: The science of “dirty” alloys