© Matthias Kluge/USM/MPE
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Rund 700 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt haben Astronomen im Galaxienhaufen Abell 85 das massivste schwarze Loch im nahen Universum gefunden, das je entdeckt wurde. Die Forscher der Arbeitsgruppe von Ralf Bender am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und Astronomen der Universitätssternwarte München (USM) führten Studien über die durchschnittlichen Geschwindigkeiten von Millionen von Sternen im Zentrum des Abell 85 Galaxienhaufens durch. Dabei entdeckten sie das schwarze Loch im Zentrum der Galaxie Holm 15A, das 40-Milliarden-fach schwerer ist als unsere Sonne. Zum Vergleich: Die schwarzen Löcher in der Milchstraße haben eine Masse zwischen drei und 20 Millionen Sonnenmassen. Das bisher größte bekannte schwarze Loch ist ein 3,5 Milliarden Lichtjahre entfernter Quasar im Sternbild Krebs mit 18 Milliarden Sonnenmassen.

Die Zentralgalaxie des Clusters Abell 85 hat eine sichtbare Masse in Sternen von etwa zwei Billionen Sonnenmassen, dennoch ist das Zentrum der Galaxie extrem diffus und schwach, weshalb sich die Wissenschaftler diese Region auch genauer untersuchen wollten. Diese zentrale diffuse Region in der Galaxie, die aus mehr als 500 einzelnen Galaxien besteht, ist fast so groß wie die Große Magellansche Wolke. Der Grund, dass die Region so lichtschwach ist, hängt nach Aussagen der Forscher mit der Kollision von Galaxien zusammen. So eine Kollision führe zum Verschmelzen der zentralen schwarzen Löcher zu einem neuen, größeren Massemonster, wobei eine auffällig lichtarme zentrale Region entstehe. Da dieser Bereich von Holm 15A ganz besonders diffus und lichtarm ist, sahen die Forscher darin einen verdächtigen Hinweis auf das Vorhandensein eines schwarzen Lochs mit einer sehr großen Masse.

Überraschung selbst für die Forscher

Der Galaxienhaufen Abell 85 ist allerdings doppelt so weit von der Erde entfernt wie die schwarzen Löcher früherer Messungen. „Es gibt nur wenige Dutzend direkte Bestimmungen supermassereicher schwarzer Löcher – und noch nie zuvor ist es in einer solch großen Entfernung gelungen“, sagt Max-Planck-Forscher Jens Thomas, der die Studie leitete. „Aber wir hatten bereits eine Ahnung von der Größe des schwarzen Lochs in dieser speziellen Galaxie, also haben wir es probiert.“

Schwaches Leuchten: Dieses Diagramm zeigt die Verteilung der Flächenhelligkeit der zentralen Haufengalaxie Holm 15A. Im Vergleich zu anderen Galaxien hat der Kern der Galaxie eine sehr geringe Flächenhelligkeit und erstreckt sich über einen Durchmesser von rund 15.000 Lichtjahren. © MPE

Anhand der neuen Daten, die am USM Wendelstein Observatorium der LMU und mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte gewonnen wurden, konnten die Forscher eine Massenschätzung des schwarzen Lochs durchzuführen, die direkt auf den stellaren Bewegungen um den Kern der Galaxie basiert. Das Ergebnis zeigte eine Masse von 40 Milliarden Sonnenmassen und überraschte auch die Wissenschaftler. „Es ist um ein Vielfaches größer, als man es aufgrund indirekter Messungen, wie der Sternmasse oder der Geschwindigkeitsverteilung der Sterne, erwarten würde“, sagt Roberto Saglia, der Co-Autor der Studie.

Das lichtschwache Zentrum der Galaxie mit nur sehr wenigen Sternen sei zwar ähnlich wie manche andere elliptische Galaxien, aber viel stärker ausgeprägt. „Das Lichtprofil im inneren Kern nimmt zum Zentrum hin auch nicht mehr zu“, erklärt USM-Doktorand Kianusch Mehrgan, der die Datenanalyse durchführte. „Das bedeutet, dass die meisten Sterne aufgrund von Interaktionen bei vorangegangenen Verschmelzungen von schwarzen Löchern aus dem Zentrum geschleudert worden sein müssen.“

Informationen auch auf andere Galaxien übertragbar

Diffuse Kerne in den größten elliptischen Galaxien entstehen nach gängiger Auffassung durch die sogenannte „Kernreinigung”, d.h. bei einer Verschmelzung von zwei Galaxien verschmelzen auch deren schwarze Löcher. Das führt dazu, dass die gravitativen Wechselwirkungen wie eine Schleuder wirken, die Sterne, die sich in der Nähe der Löcher befinden, aus dem Zentrum der Galaxie hinausgeschleudert werden. Wenn im Zentrum kein Gas mehr vorhanden ist, um neue Sterne zu bilden – wie in jüngeren Galaxien – wird der Kern immer diffuser und ärmer an Sternen.

Galaxien kollidieren © NASA

Im Fall von Abell 85 haben Computersimulationen von Galaxienfusionen Vorhersagen geliefert, die tatsächlich gut zu den beobachteten Eigenschaften passten. Diese Simulationen beinhalten laut Studienleiter Jens Thomas, der auch die dynamischen Modelle lieferte, die Wechselwirkungen zwischen Sternen und einem Paar aus schwarzen Löchern. „Der entscheidende Bestandteil sind aber zwei elliptische Galaxien, die bereits diffuse Kerne haben. Die Form des Lichtprofils und die Flugbahnen der Sterne beinhalten sehr wertvolle Informationen und verraten uns, wie sich der Kern in dieser Galaxie gebildet hat. Das lässt sich auch auf andere, sehr massereiche Galaxien übertragen.“

Anhand der Verschmelzungsgeschichte von Abell 85 konnten die Wissenschaftler eine neue Beziehung zwischen der Masse des schwarzen Lochs und der Oberflächenhelligkeit der Galaxie herstellen: Das schwarze och gewinnt mit jeder Fusion an Masse und das Galaxienzentrum verliert Sterne. Diese Beziehung klnnten Astronomen nun für Massenschätzungen von Schwarzen Löchern in entfernteren Galaxien nutzen, wo direkte Messungen der stellaren Bewegungen nahe genug am Schwarzen Loch nicht möglich sind.

Titelbild: Rekord im Galaxienhaufen: Abell 85, aufgenommen am Wendelstein-Observatorium der Ludwig-Maximilians-Universität. Die zentrale, helle Galaxie Holm 15A hat einen ausgedehnten diffusen Kern. Ein Team von Astronomen am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und an der Universitäts-Sternwarte München hat mit neuen Daten die Masse des zentralen schwarzen Lochs dieser Galaxie direkt gemessen: Es besitzt die 40-Milliarden-fache Masse unserer Sonne. © Matthias Kluge/USM/MPE

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