Sanfte Landung nach freiem Fall aus dem Weltraum

Nachhaltigkeit -

Foto TU Vienna
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Ein Messgerät aus dem Weltraum im freien Fall abwerfen, Daten sammeln und das Messgerät auf der Erde unversehrt in Empfang nehmen – das war der Plan eines länderübergreifenden Studententeams. Und er war erfolgreich!

Das Space Team der TU Wien ist ein Studierenden-Verein, der in den letzten Jahren immer wieder aufwändige Weltraumprojekte durchgeführt hat – von der Entwicklung eigener Raketen bis zum Start eines Mini-Satelliten. Zuletzt war das Team an einem Projekt mit Studierenden der Universität Würzburg beteiligt. Ziel des Projektes war es, auf einfache und kostengünstige Art in höheren Atmosphäreschichten meteorologische Daten zu sammeln. Wobei die Höhe von siebzig bis achtzig Kilometern besonders interessant ist, weil sie weder von Satelliten noch von Wetterballons abgedeckt wird. Wetterballons können maximal auf dreißig bis vierzig Kilometer aufsteigen und mit Satelliten lässt sich dieser Teil der Atmosphäre nur schwer erfassen.

Daedalus, so der Name des Projekts, sollte beweisen, dass es keinen Fallschirm braucht, um Messgeräte, die im freien Fall aus dem Weltraum abgeworfen werden, wohlbehalten auf der Erde ankommen zu lassen.

Inspiration Ahornsamen

Die Studierenden gaben dem Messgerät eine Form, die am Ahornsamen inspiriert war. Dieser verfügt über zwei Flügel und sinkt in Rotationsbewegungen langsam und sanft zu Boden. Lange Flügel sollen auch den Fall der röhrenförmigen Sonden bremsen.

Wir wollten eine Alternative für Fallschirme anbieten, erklärt Projektleiter Clemens Riegler von der Universität Würzburg. „Fallschirme sind sehr temperaturempfindlich und neigen bei Weltraumbedingungen dazu, brüchig zu werden. Riegler nennt drei gravierende Gründe, die für das Ahornsamenprinzip sprechen:

  • Flügel aus solidem Material sind mehr oder weniger unempfindlich und daher eine sehr gute Alternative zum Fallschirm.
  • Flügel ermöglichen Steuerbarkeit, das heißt man kann den Landeort bestimmen, was mit Fallschirmen möglich, aber komplex ist.
  • Rotoren können die Landegeschwindigkeit gegen Null bringen und somit eine sanfte Landung ermöglichen.

Test in Schweden

Eigentlich sollte das Experiment schon vor einem Jahr starten, scheiterte aber an unvorhergesehenen Problemen mit der deutsch-schwedischen Trägerrakete. Die Sonden sollten im Rahmen von Rexus/Bexus, einer Kooperation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit dem Swedish National Space Board und der ESA. Am vierten März 2019 war es dann soweit: Die Orion 5 Rakete startete in einem unbesiedelten Gebiet in Schweden und transportierte die Instrumente in eine Höhe von siebzig bis achtzig Kilometern.

Unversehrte Landung

Die Rakete stieg einhundertdreißig Sekunden lang auf und die drei Sonden wurden in einer Höhe von fünfundsiebzig Kilometern planmäßig abgeworfen. Die Geschwindigkeit beschleunigte im freien Fall auf achthundert Meter pro Sekunde und wurde nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre reduziert. Bei der Landung betrug das Tempo noch etwa fünfundzwanzig Meter pro Sekunde. Auf der Erde angekommen, meldeten die Sonden mit Hilfe von Satellitenkommunikations-Modulen ihren Aufenthaltsort. Sie befanden sich etwa dreiunddreißig Kilometer von der Startrampe entfernt und konnten per Hubschrauber geborgen werden. Die Sonden blieben unversehrt – bis auf einige Flügel, die vermutlich durch Kontakt mit Bäumen bei der Landung gebrochen sind.

Stabile Rotationsbewegung

Die entscheidende Frage, ob der ahornsamenartige Bremsmechanismus auch tatsächlich korrekt funktioniert hat, konnte durch die Auswertung der Sensordaten beantwortet werden, berichtet Christoph Fröhlich, Präsident des Space Teams. Erhoben wurden die Sinkgeschwindigkeit und die Drehgeschwindigkeit der Sonden. Laut Auswertung bewegten sich die Sonden in einer stabilen Rotation, wodurch deren Geschwindigkeit abgebremst wurde. Ein negativer Befund hätte ergeben, dass diese wie ein Stein zu Boden gefallen oder in ein unkontrolliertes Trudeln gekommen sind, so Fröhlich. Das Projekt hat also bewiesen, dass die neu entwickelte Technologie für Atmosphärenexperimente geeignet ist. „In Zukunft wollen wir auch wissenschaftliche Experimente in der Atmosphäre durchführen, sagt Fröhlich. Ein Nachfolgeprojekt ist bereits geplant.

Vielfältige Anwendungen

Neben dem Sammeln von meteorologischen Daten könnte die Innovation in Zukunft auch eingesetzt werden, um kleinere Nutzlasten (wie etwa Experimente oder Proben) von der International Space Station (ISS) zurück zur Erde zu senden, erklärt Riegler. „Das würde die derzeit genutzte Dragon Capsule oder den Progress Frachter ersetzen. Wobei man auch den Landeort wählen könnte und zum Beispiel sehr präzise auf Schiffen landen, so wie SpaceX das tut. Außerdem könnte das Prinzip zur Landung von Nutzlasten auf anderen Planeten oder Monden mit dichter Atmosphäre eingesetzt werden“, so Riegler.

 

Die Messgeräte mit eingeklappten Flügeln, eingebaut in den Auswurfmechanismus. (c) TU Wien

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