Quantensimulation (c) IQOQi Innsbruck - Harald Ritsch
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Nach fünfzehn Jahren Forschungsarbeit: Physikern an der TU Innsbruck ist es gelungen, eine selbstverifizierende Methode für die Simulation von komplexen Quantenproblemen zu entwickeln. Diese kann in Verkehrsplanung, Wettervorhersage oder auch Molekularbiologie genutzt werden.

Physiker weltweit arbeiten an der Entwicklung des Quantencomputers, der Rechnungen schneller als der konventionelle Computer ausführen kann. Bevor es soweit ist, beschäftigen sie sich aber auch mit der Frage, wie die Quantentheorie in bereits verfügbarer Hardware genutzt werden kann. Forscher an der TU Innsbruck konnten eben ein Projekt erfolgreich abschließen. Es gelang ihnen über einen Quanten-Coprozessor in der Cloud eine neue Methode für die Simulation von komplexen Fragestellungen zu entwickeln.

Die Anfänge des Projekts datieren bereits in das Jahr 2004 zurück. 2016 gelang es dann erstmals, die spontane Entstehung eines Elementarteilchen-Paares mit einem digitalen Quantencomputer zu simulieren. Die Technologie war für kleine Simulationen geeignet. Aber für komplexere Simulationen erforderte die Fehlerrate sehr viele Quantenbits, die in den vorhandenen Quantencomputern noch nicht verfügbar sind. Das aktuelle Limit liegt bei maximal dreißig Quantenbits. Auch der analogen Nachbildung von Quantensystemen in einem Quantencomputer sind enge Grenzen gesetzt.

Quantenexperiment

In einem Quantenexperiment konnte das Problem jetzt gelöst werden: Die Forscher entwickelten einen programmierten Variations-Quantensimulator und nutzten dabei die aus der theoretischen Physik bekannte Variationsmethode. Diese ermöglicht, dass der Quantensimulator als eine vom untersuchten Problem unabhängige Quantenressource genutzt werden kann, erklärt Rick van Bijnen aus dem Forschungsteam. So können die Grenzen des konventionellen Computers aufgehoben werden und komplexe quantenmechanische Berechnungen in den Quanten-Coprozessor in der Cloud ausgelagert werden. Konkret kam ein programmierbarer Ionenfallen-Quantencomputer mit zwanzig Quantenbits zum Einsatz.

„Wir verwenden die besten Eigenschaften beider Technologien. Der Quantensimulator übernimmt die rechenaufwendigen Quantenprobleme und der klassische Computer löst die restlichen Aufgaben.“ Experimentalphysikerin Christine Maier

Bausteinsystem

Zur Erklärung der Technologie vergleichen die Forscher ein Puppenhaus mit Bausteinen. Dabei steht das Puppenhaus für den analogen Quantensimulator und die Bausteine für den programmierten Variations-Quantensimulator. Während das Puppenhaus bloß eine Wirklichkeit abbildet, können aus den einzelnen Bausteinen viele verschiedene Häuser gebaut werden.

Bei der analogen Quantenprozession muss man das System, das man simulieren will, im Labor wirklich bauen, erläutert Projektmitarbeiter Christian Kokail. Dabei verwendet man den Quantensimulator, um gewisse Zustände zu erzeugen. Diese werden dann vom klassischen Computer zielorientiert optimiert.

Bei den Bausteinen handelt es sich konkret um Verschränkungsgatter und Einzel-Spin-Rotationen. Diese entstehen, wenn die Ionen in der Simulation mit Laserlicht bestrahlt werden, um eine bestimmte Wechselwirkung oder einen bestimmten Zustand zu erzeugen. Das können entweder Rotationen von einzelnen Ionen sein oder eine Gesamtverschränkung. Der Zustand wird ausgemessen und die Messergebnisse werden an den konventionellen Computer zurückgefüttert. Dort wird der Zustand ausgewertet und der Quantensimulator erhält die Mitteilung, welcher Zustand als nächstes produziert werden soll.

Optimierungs-Algorithmus

Die Funktion der Bausteine ist stellschraubenartig. Bei der Simulation im konventionellen Computer wird so lange an diesen Stellschrauben gedreht, bis sich der Quantenzustand einstellt. Wollte man das Experiment mit einem klassischen Computer durchführen, müsste man so lange an diesen Stellschrauben drehen, bis sich der gesuchte Quantenzustand einstellt.

Für ihren programmierbaren Variations-Quantensimulator haben die Forscher einen Optimierungsalgorithmus entwickelt, der in rund 100.000 Aufrufen durch den konventionellen Computer zum Ergebnis führt. Werden die Algorithmen mit rapiden Mess-Zyklen kombiniert, so erreicht der Quantensimulator eine enorme Leistungsfähigkeit.

Auf Basis dieser Methode haben die Physiker erstmals die spontane Entstehung und Vernichtung von Elementarteilchen-Paaren im Vakuum simuliert – auf zwanzig Quantenbits. Ermutigt von der hohen Effizienz der Methode, wollen sie demnächst einen noch größeren Quantensimulator entwickeln – auf Basis eines Quantencomputers mit bis zu fünfzig Ionen.

Selbstverifizierend

Der programmierbare Variations-Quantensimulator hat aber noch ein weiteres Problem gelöst – nämlich die Überprüfung von komplexen Simulationsergebnissen. „Die Simulation auf zwanzig Quantenbits können wir am klassischen Computer noch überprüfen, bei komplexeren Simulationen ist das schlichtweg nicht mehr möglich“, erklärt van Bijnen. Im Experiment wurde das Problem mit zusätzlichen Messungen im Quantensystem gelöst. Die Quantenmaschine beurteilt die Qualität der Messung anhand der Ergebnisse.

Die Innsbrucker Forscher führten das Projekt am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durch.   Federführend waren Christian Kokail, Christine Maier, Rick van Bijnen und Christian Roos.

In diesem Video erklären die Physiker ihr Experiment.

Unter diesem Link finden Sie das Paper: Blatt, R./Brydes, T./Joshi, K./Jurcevic, P./Kokail, C./Maier, C./Muschik, C.A./Roos, C.F./Silvi, P./van Bijnen, R./Zoller, P. (2019): Self-verifying variational quantum simulation of lattice models. In: Nature. International Journal of Science.

 

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