Linopol-Team: Valentin Gala Marti, Anna Coenen, Jan Drönner, Prof. Dr. Ulrich Schörken, Prof. Dr. Matthias Eisenacher (f.l.t.r.) ©Michael Bause/TH Köln
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Wir alle wissen: Unsere Rohstoff-Ressourcen, wie zum Beispiel Erdöl, sind begrenzt. Grund genug, in den verschiedensten Anwendungsbereichen über Alternativen nachzudenken. Noch wird beispielsweise die jährliche Produktion von rund 400 Millionen Tonnen Polymere zu einem großen Teil aus Erdöl gewonnen. Das könnte sich in diesem Markt, der als einer der bedeutendsten der chemischen Industrie gilt, bald ändern. Denn Forscherinnen und Forscher der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln entwickelten ein Verfahren zur Nutzung von Linölsäure – diese kann aus Pflanzenölen über Hydrolyse und gegebenenfalls Destillation gewonnen werden – als neue Quelle für bio-basierte Polymerintermediate (Zwischenprodukte). Somit könnte zukünftig bei der Herstellung von Polymeren auf das Schwarze Gold verzichtet werden, da es durch heimische, pflanzliche Öle wie Sonnenblumen- oder Distelöl ersetzt wird.

„Unser Fokus liegt auf der Entwicklung von nachhaltigen und umweltschonenden Synthesen, die den zwölf Prinzipien der Grünen Chemie entsprechen“

…, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Ulrich Schörken von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln. „Wir wollen statt Erdöl heimische pflanzliche Öle wie z.B. Distelöl, nutzen, das zu etwa 70 Prozent Linolsäure enthält. Die Fettsäuren wollen wir so modifizieren, dass wir neue bifunktionale Polymerintermediate gewinnen.“ Und er ergänzt: „Aus diesen Zwischenprodukten können beispielsweise Hochleistungs-Polyamide und Polyester hergestellt werden. Daneben entstehen bei der Synthese Geruchs- und Aromastoffe, die für Parfums und Aromen verwendet werden können.“

Großes Interesse seitens der Industrie und Verbraucher

Das Ziel ist die Entwicklung eines kombiniert biotechnologisch-chemokatalytischen Verfahrens, das einen neuen Zugang zu den industriell wichtigen Zwischenprodukten (Intermediaten) liefern soll. Dazu arbeiten eine Doktorandin und zwei Doktoranden gemeinsam an der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften in Leverkusen. Anna Coenen und Valentin Gala Marti erforschen in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Schörken neue biotechnologische Syntheserouten. Sprich: Sie erforschen die chemische und/oder biotechnische Modifizierung von Linolsäure, so dass sie als Polymerintermediat genutzt werden kann. Das Projektteam komplettiert Jan Drönner, der sich in der Gruppe von Prof. Dr. Matthias Eisenacher mit der Entwicklung chemokatalytischer Synthesen beschäftigt.

„Es gibt ein großes Interesse in der Industrie sowie bei Verbraucherinnen und Verbrauchern an Produkten auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Biobasierte Intermediate, die petrochemischen Produkten entsprechen oder ihnen zumindest in ihren funktionalen Eigenschaften ähneln, haben deshalb eine sehr gute Chance auf mittelfristige Implementierung in der chemischen Industrie“, so Prof. Dr. Matthias Eisenacher von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften.

Wann das erste Produkt auf Basis von Linolsäure auf den Markt kommt, können die Forschenden in der frühen Projektphase noch nicht abschätzen. Doch sie sind zuversichtlich, denn es gibt bereits einige andere Polymere auf Basis nachwachsender Rohstoffe, darunter auch Produkte auf Basis von Fettsäuren.

Green Chemistry-Forschung in Köln

Dr. Oliver Thum, Forschungsleiter „Functional Solutions“ der Evonik Performance Materials GmbH und Dr. Henrike Brundiek, Forschungsleiterin der Enzymicals AG, bringen ihre Expertise als Mitglieder eines Industriebeirats in das Projekt ein. Die Firma Evonik zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Polyamid-Intermediaten und biobasierten Polyamiden. Enzymicals bietet eine anerkannte Expertise in der Anwendung enzymatischer Prozesse für die Synthese komplexer Chemikalien bis in den industriellen Maßstab.

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt soll die Expertise der TH Köln in den Bereichen Biotechnologie und „Green Chemistry“ weiter stärken. Gleichzeitig möchten die Wissenschaftler mit ihrer Entwicklung unter dem Namen „Linopol“ zu umweltschonenderen Prozessen in der chemischen Industrie beitragen. Insgesamt soll eine langfristig orientierte, interdisziplinäre Forschung im Bereich nachhaltiger Prozesse an der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln am Hochschulstandort Leverkusen etabliert werden. Das Projekt „Linopol“ wird mit 530.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.