NAKU entwickelt plastikfreie Verpackungen und trifft damit voll den Nerv der #noplastic Bewegung. Der Weg dahin war lang und anstrengend. Flaschen und Tüten aus pflanzlichem Kunststoff wurden lange als utopisch abgetan. In der Zwischenzeit bewies das Start-up die Machbarkeit schon mehrfach – mit Rohstoffen, die man theoretisch essen könnte.
Co-Gründer Johann Zimmermann im Interview:
Welches Problem lösen Sie?
Das Problem ist offensichtlich: Kunststoff aus fossilen Rohstoffen hat die Werkstoffe in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Die Chemie hat menschen- und umweltzentrierte Werkstoffe bisher vernachlässigt und ist gefordert zu handeln. Unsere plastikfreie Flasche ist rein optisch von herkömmlichen Flaschen nicht zu unterscheiden. Aber anders als PET (PolyEthylenTrephthalat) ist sie in 35 Tagen kompostierbar und wird wieder zu Humus. Das ist machbar, aber bisher hat es keiner getan.
Wie funktioniert das?
Wir zerlegen das Maiskorn und schwemmen die Stärke heraus. Während die Schale in die Tierfutterherstellung geht, mischen wir die Stärke mit kompostierbarem Esther – das ist eine Art Kleber. Nur Stärke allein wäre in einem bestimmten Temperaturbereich nicht verformbar. Unsere Tüten entstehen ähnlich wie ein Luftballon. Man nimmt die Schmelze und bläst sie auf, oft so dünn, dass sie nur mehr halb so dick ist wie ein menschliches Haar.
Beim Rohstoff für Flaschen arbeiten wir mit Zucker, der unfermentiert in Milchsäure umgewandelt wird. Milchsäure ist zum Beispiel auch in Sauerkraut und Joghurt enthalten.
Was war das größte Hindernis, das Sie überwinden mussten?
Die gesellschaftliche Trägheit. Eigentlich ist es schon jedem klar, dass der Schritt in eine plastikfreie Zukunft getan werden muss. Je früher, desto besser. Aber die Trägheit ist groß.
Gab es einen Moment in dem Sie ihre plastikfreie Verpackung aufgeben wollten?
Wir waren sehr idealistisch und das war mit vielen Einbußen verbunden. Dreimal war es sehr knapp. Als wir 2009 kurz vor dem Aufgeben waren, hielt uns der österreichische Kinofilm Plastic Planet davon ab. Der Regisseur Werner Boote zeigte uns den Film vor Veröffentlichung und wollte unser Feedback. Er hatte dann die Idee plastikfreie Tüten von uns mit seinem Filmlogo zu bedrucken und für sein Marketing zu verwenden.
Was waren belohnende Momente?
Das ist wie beim Bergsteigen. Der Anstieg ist anstrengend, aber wenn man sich umdreht und den Startpunkt und den Weg betrachtet und die schwierigen Passagen Revue passieren lässt, dann ist das sehr schön. In der Zeit, in der es finanziell knapp war, hat meine Frau neue Geschäftsfelder aufgetan und wir haben jetzt vier Geschäftsbereiche: Ein technisches Büro, NAKU und die Geschäftsführung von zwei Wegbegleitern, die meine Frau übernommen hat. Wir sind froh, dass wir alle Geschäftsbereiche durchgebracht haben.
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Wie kam es dann zum wirtschaftlichen Erfolg von NAKU?
Am Anfang waren wir sehr unpraktisch und idealistisch und unsere hohen ethischen Ansprüche nur im Bootstrapping leistbar. Das hereinkommende Geld wurde stets für organisches Wachstum verwendet. Die ersten Schritte machten wir mit finanzieller Unterstützung von Family, Friends und Fans. Das ist anders als beim Crowdfunding, wo es Investoren gibt und schnell etwas entstehen muss.
Im Rückblick hat sich jede Umweltregulierung positiv auf NAKU ausgewirkt. In Frankreich sind schon seit 2010 natürlich abbaubare Flaschen und Tüten vorgeschrieben. Damals wurde die plastikfreie Tüte zu unserem Standardprodukt. Zuvor wollten wir sie schon fast aufgeben. Gleichzeitig begannen wir plastikfreie Flaschen zu entwickeln, um wieder einen Bereich zu haben, in dem wir die Nase vorn haben.
Was sind Ihre kurzfristigen Ziele?
Durch die Coronakrise sind die Dinge durcheinandergeraten. Aber wir forschen derzeit am Recycling unserer Flaschen im doppelten Kreislauf. Ein Kreislauf betrifft das Kompostieren. Das ist der natürliche Kreislauf, der dann gut ist, wenn die Flaschen in der Natur landen. Spannender ist der stoffliche Kreislauf, also das Recycling; und das setzen wir gerade mit englischen und französischen Kunden um, die ihre Flaschen zurückbringen. Das öffentliche Recyclingsystem ist derzeit nur auf PET ausgelegt und deswegen organisieren wir das Recycling unserer Flaschen selber.
Worin liegt die Herausforderung?
Beim Recyceln bleiben oft Stoffe wie Drucktinte von der Farbe oder Lösungsmittel vom Kleber zurück. Das ist der Nachteil, den wir vermeiden wollen. Wir wollen die Milchsäure filtern, um die Schadstoffe rauszubekommen – und so die hohe Qualität des ursprünglichen Rohstoffs erreichen.
Im Vergleich zur Konkurrenz – was ist an Ihren plastikfreien Verpackungen besser?
Wir stellen plastikfreie Flaschen aus Pflanzen und Milchsäure her und können sie entweder kompostieren oder im doppeltem Kreislauf recyceln. Dadurch erreichen wir tatsächlich einen ökologischen Kreislauf. Im Vergleich zu PET setzen plastikfreie Flaschen nur das CO2 frei, das durch das Wachsen der Pflanze gebunden wurde. Glas hat nur in Mehrwegsystemen eine Existenzbegründung, weil das Recyceln enorm energieintensiv ist. Bei einmaliger Verwendung unserer Flasche aus Milchsäure kann man 40 Prozent an CO2 sparen, bei zweimaliger Verwendung 100 Prozent.
Danke für das Gespräch.
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