By Biju Mathew - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60825297
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Etwa jeder fünfte Baum der weltweit gefällt wird, landet als Papier in unseren Häusern. Sei es als Buch, Zeitung, Zeitschrift, Schreibblock, Geschenkpapier, Küchentuch oder Toilettenpapier. Bedenkt man, dass jedes Jahr rund 15 Milliarden Bäume der Axt zum Opfer fallen, könnte eine Alternative zu Holz als Rohstoff für Papier ganze Wälder retten. Studenten der Leibniz Universität Hannover (LUH) haben diese Alternative gefunden: Abfälle der Ananaspflanze.

Das 14-köpfige Musa-Fibra-Team hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Papierherstellung künftig komplett ohne das Fällen von Bäumen auskommt. „Zugleich würde die Verwertung der Ananas-Abfälle ein großes Entsorgungsproblem in den Anbauländern am Äquator lösen“, sagt Niklas Tegtmeier, Student der Pflanzenbiotechnologie an der LUH.

In Costa Rica, dem Weltmarktführer im internationalen Ananashandel, fallen jede Woche bis zu 300 Tonnen Pflanzenreststoffe an. Da die dicken Ananasblätter nur schwer kompostierbar sind, müssen sie arbeitsintensiv untergepflügt werden. Oder sie werden verbrannt oder mit Chemikalien zur Austrocknung behandelt. Darüber hinaus brüten Stechmücken, die die lokalen Nutztiere befallen, in den Abfällen, die auf den Feldern liegen bleiben.

Ohne toxische Chemikalien

Das Team von Musa Fibra hat am Institut für Technische Chemie der LUH nun ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sie Zellulose aus Ananasblättern extrahieren können. Diese kann dann beispielsweise in der Papierproduktion als Ersatz für hölzernen Zellstoff eingesetzt werden. In Costa Rica konnte das Team im Rahmen von Studienreisen bereits wichtige Verbindungen, wie zum Beispiel zu den Verantwortlichen der Ananasplantagen und zur deutsch-costaricanischen Handelskammer aufbauen. Unterstützung bekommt die Gruppe auch vom Forschungsinstitut CENIBIOT und der Universität UTN.

Das Verfahren, das Musa Fibra zur Extraktion von Zellulose aus den Ananasblättern nutzt, wird mit nicht-toxischen Chemikalien durchgeführt. Chlorhaltige Substanzen, wie sie in der konventionellen Papierproduktion zum Bleichen angewendet werden, kommen nicht zum Einsatz. Außerdem würde der Wasserverbrauch möglichst geringgehalten, betonen die Nachwuchsforscher. „Holz hat einen hohen Ligningehalt“, erläutert Studentin Merit Ulmer, „daher ist es viel komplizierter, die Lignine, diese stark vernetzenden Substanzen, herauszutrennen. Der Gehalt an Ligninen in Ananasblättern ist deutlich geringer, und dementsprechend können wir ein weicheres Verfahren anwenden.“ Professor Thomas Scheper vom Institut für Technische Chemie der LUH unterstützt seine Studierenden: „Sie haben ein ausgereiftes Verfahren entwickelt, das Hand und Fuß hat.“

Interesse an dem Verfahren gibt es bereits aus der Industrie und auch in Costa Rica. Im kommenden Jahr wollen die Studenten auf der ersten Partnerplantage im Norden des Landes eine Pilotanlage bauen. Dort wollen sie zeigen, wie Zellulose aus Ananas-Abfällen gewinnbringend produziert werden kann. Dadurch könnten zudem neue Arbeitsplätze in einer der ärmsten Regionen Costa Ricas geschaffen werden.

Vermarktung in Deutschland

Der produzierte Zellstoff soll dann nach Deutschland exportiert und, unter anderem in Niedersachsen, an Unternehmen vermarktet werden, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. Ein Anliegen der Gruppe ist es, die Produktkette transparent zu halten. So könnten auch die Endkunden erfahren, „warum Produkte aus Ananaspapier sowohl für Mensch als auch Natur einen Mehrwert bedeuten“.

Drei Mitglieder des 14-köpfigen Teams bekommen eine Förderung des Landes Niedersachsen in Gesamthöhe von 33.000 Euro. Es ist das 100. Stipendium aus dem Programm „Gründungsstipendium“ des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, das im Mai 2019 ins Leben gerufen wurde. Gefördert werden damit Start-ups (bis zu drei Stipendien pro Gründung), die von einer Hochschule, einem Start-up-Zentrum oder einem anderen Accelerator intensiv unterstützt werden.

Musa Fibra ist Teil der studentischen Initiative Enactus. Diese hat zum Ziel, globale, soziale und ökologische Probleme durch unternehmerisches Handeln zu lösen. Mit insgesamt mehr als 70.000 Studierenden gehört Enactus zu den größten Entrepreneurship-Initiativen weltweit. Enactus Hannover hat bereits mehrere zukunftsträchtige Projekte wie „Insectus“ in unterschiedlichen Ländern hervorgebracht.