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Wenn man Elektronik in weiche und bewegliche Materialien integriert, dann ist die Knautsch- und Dehnfähigkeit ein wichtiges Kriterium. In elastischen Kunststofffolien oder Textilien müssen die erforderlichen Komponenten hohen mechanischen Belastungen standhalten. Die Forschung auf dem Gebiet dieser sogenannten dehnbaren Elektronik oder Stretchables ist in vollem Gange. Ermöglichen diese doch die technologische Interaktion zwischen Umgebung und Körper. Integriert in Textilien oder Pflaster können Stretchables zur Leistungsaufzeichnung beziehungsweise -optimierung sowie zur Überwachung der körperlichen Funktionen eingesetzt werden. Weitere Anwendungsgebiete sind unter anderem Prothesen und Roboterarme.

Tintensysteme für Stretchables

Es gibt zwei Verfahren, Elektronik wie Leiterbahnen oder Sensoren auf dehnbare Oberflächen aufzubringen: Tintenstrahldruck und Siebdruck. Wobei bei Tintenstrahldruck die etwas flüssigere Tinte und bei Siebdruck Paste von honigähnlicher Konsistenz eingesetzt wird.  Dadurch weist diese eine höhere Viskosität auf. Gängige Technologien für leitfähige Tinten- und Pastensysteme basieren auf nano- oder mikroskalierten Füllstoffen wie etwa Silber micro flakes. Die Füllstoffpartikel werden mit Polymeren verbunden und verleihen diesen die Leitfähigkeit. Der Nachteil diese Füllstoffe? Sie sind sehr teuer.

Selbstreduzierende Tintensysteme

Ein vielversprechender Ansatz für Stretchables wurde in selbstreduzierenden Tintensystemen gefunden. Dabei werden die Füllstoffe  nicht beigemengt, sondern entstehen im Druckprozess in der Aushärtungsphase des Komplexes. Diese selbstreduzierenden Tintensysteme wären erschwinglicher, können aber kommerziell noch nicht umgesetzt werden, weil giftige Chemikalien in die Herstellung involviert sind.

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„Die bis dato in der Literatur beschriebenen selbstreduzierenden Tintensysteme für die Herstellung dehnbarer Leiterbahnen beinhalten toxische Reduktionsmittel wie beispielsweise Natriumborhydrid, die Mensch und Umwelt schaden“, erklärt Professor Thomas Grießer vom Institut für Chemie der Kunststoffe an der Montanuniversität Leoben. Er und sein Team haben gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung ein gleichwertiges Tintensystem entwickelt, das ohne diese giftigen Chemikalien auskommt.

Die bis dato in der Literatur beschriebenen selbstreduzierenden Tintensysteme für die Herstellung dehnbarer Leiterbahnen beinhalten toxische Reduktionsmittel wie beispielsweise Natriumborhydrid, die Mensch und Umwelt schaden.

Prof. Dr. Thomas Grießer

Silbertinte

Das gelang den Forschern, indem sie ein neuartiges Tintensystem entwickelten, das auf der selbstreduzierenden Silberverbindung  Silberformiat basiert. Die leitfähigen Komponenten der Tinte bestehen aus Silbernanopartikeln. Diese können durch Selbstreduktion einer Silberverbindung hergestellt werden. Als Reduktionsmittel fungiert das Formiat Anion, ein Salz der Ameisensäure. Im Reduktionsprozess erwärmt man die Tinte, damit sich die Silberverbindung zu elementarem Silber zersetzt.

Polymerisation

Darüber hinaus enthält das Tintensystem auch Monomere, die bei erhöhter Temperatur zu einem Elastomer polymerisieren. Dies führt zur Bildung eines Nanokomposit-Materials. Das sind Silbernanopartikel, die in einer elastomeren Matrix eingebettet sind und auch bei Dehnung eine hohe Leitfähigkeit aufweisen.

Das elementare Silber bildet Nanostrukturen, die in eine polymere Matrix eingebettet werden und dem gedruckten Tintenfilm die Leitfähigkeit verleihen.

Prof. Dr. Thomas Grießer

Die Reduktion der Silberverbindung und die Polymerisation der Monomere erfolgen gleichzeitig. Ausgelöst wird dies durch die Erwärmung des Komplexes auf über 100 Grad Celsius im Druckprozess. Das Forschungskonsortium testete das Verfahren sowohl in Form von Tinte als auch in Form von Paste. Beides konnte mittels Druck strukturiert auf dehnbare Materialien aufgebracht werden.

Sensoren und Leiterbahnen

Entwickelt wurden Tintensysteme für Sensoren und Leiterbahnen. Herausforderung war es, das elektronische Verhalten für beide Anwendungsfälle zu realisieren. Grießer: „Bei Leiterbahnen möchte man eine geringe Änderung im elektrischen Widerstand unter mechanischer Belastung haben. Im Gegensatz soll sich die Leitfähigkeit bei Sensoren unter Dehnung stark ändern.“

Bei den Sensoren handelt es sich hingegen um Dehnsensoren. Das heißt, deren Funktion beruht auf der Vergrößerung des Abstands der Silberpartikel in der Kunststoffmatrix und der Änderung des Widerstands.

Enorme Dehnbarkeit

Neu an dem System ist auch die enorme Dehnbarkeit der Leiterbahnen und Sensoren, die bei bis zu 200 Prozent liegt, erklärt der Professor. Im Vergleich zu gängigen dehnbaren Siebdruckpasten erwies sich das neuartige System auch bei zyklischer Belastung als überlegen. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von Anwendungsgebieten.

Die neuartige selbstreduzierende Tinte ermöglicht es, Stretchables auf elastischen Folien zu realisieren. Als solches wäre die Tinte zum Beispiel ein ideales Material zum Einsatz in künstlicher Haut von Prothesen oder Robotern, skizziert Grießer. Auch die Verwendung in intelligenter Kleidung zur Überwachung der Körperfunktionen wäre denkbar.

Sensorenpflaster

In Zusammenarbeit mit Joanneum Research Materials Weiz, AT&S Austria Technologie & Systemtechnik AG und dem Start-up Human Research konnte mit der Technologie bereits ein Sensorenpflaster entwickelt werden. Dabei wurde die Tinte strukturiert im Siebdruck auf eine dünne elastische Folie gedruckt. Das Sensorpflaster ist selbstklebend und wird auf den Brustkorb aufgebracht, wo es die simultane Überwachung der Herz- und Atemaktivität ermöglicht. Es gibt aber auch noch andere Anwendungen in Medizin und Sport für solche Sensorenpflaster.

Die Vorteile des Sensorpflasters liegen in einem hohen Tragekomfort und geringen Herstellungskosten. Außerdem ist es umweltfreundlich, weil es zu einem großen Teil aus einer Polyurethanfolie besteht, die biologisch abbaubar ist. Das in den gedruckten Leiterbahnen enthaltene Silber kann einfach rezykliert werden.

Anwendung im Bergbau

Ein weiteres Anwendungsfeld haben die Forscher von der Montanuniversität Leoben gemeinsam mit ihren Kollegen vom Lehrstuhl für Bergbaukunde gefunden: Im Bergbau werden Gebirgsanker verwendet, um Hohlräume im Berg zu sichern. Gebirgsanker sind als lange Metallstangen vorzustellen, die als Stützen fungieren. Unter der hohen Gebirgslast können sich diese Metallstangen verformen. Um Längenveränderungen rechtzeitig zu erkennen, arbeiten die Forscher nun an Sensorfolien, welche diese detektieren.

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