Eine Krise wie die Corona-Pandemie verlangt nach harten Maßnahmen. Die EU hat 723,8 Mrd. EUR für die Fazilität für Konjunkturbelebung und Krisenbewältigung (RRF) zur Verfügung gestellt, um die europäische Wirtschaft aus der durch Corona verursachten Rezession zu führen. Um einen Anteil an diesem großen Geldsack zu beanspruchen, müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission einen Plan vorlegen. In der Serie Decarbonizing Europe nehmen wir diese Pläne unter die Lupe. Diese Woche: Österreich.
Österreich wird für seinen Aufbau- und Resilienzplan 3,5 Milliarden Euro an EU-Zuschüssen erhalten und stockte das Budget auf, um letztendlich 4,5 Milliarden investieren zu können. Auch geht das Land deutlich über die von der Europäischen Kommission vorgeschriebenen Mindestanteile für die zwei Fokusthemen hinaus: So sollen 59 Prozent der Summe für den grünen Wandel und 53 Prozent für den digitalen Wandel ausgegeben werden. Die Umsetzung der Maßnahmen soll mittels 27 Reformen und 32 Investitionen erfolgen.
Um eine nachhaltige Reduktion der Treibhausgase – im Sinne der EU Klimaziele – zu erzielen, investiert Österreich hohe Summen in neue Infrastrukturen. Fast die Hälfte der Investitionssumme fließt in drei Sektoren: umweltfreundliche Mobilität, Breitbandausbau sowie Digitalisierung und Ökologisierung von Unternehmen. Die Höhe der Budgets für die Top 6 Investitionen variieren zwischen knapp 900 und 280 Millionen Euro.
Breitbandoffensive
Die höchste Investitionssumme fällt mit knapp 900 Millionen Euro in den Bereich Digitalisierung und kommt der Breitbandoffensive zugute. Hier habe die Coronakrise gezeigt, dass eine kompetitive Wirtschaft und gesellschaftliche Teilhabe ohne effektive digitale Anbindung nicht möglich sei. Folglich soll die flächendeckende Versorgung mit gigabit-fähigen Zugangsnetzen die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft und eine inklusive Gesellschaft sicherstellen.
Ein Beispiel für gesellschaftliche Exklusion sind etwa Kinder aus einkommensschwachen Haushalten, die in der Phase des Distant Learning nicht am Unterricht teilnehmen konnten. Weshalb es auch zu einer Digitalisierung im Bildungsbereich kommen soll (177,1 Mio. Euro). Die Bereitstellung von digitaler Ausstattung soll einen fairen und gleichen Zugang zur Bildung ermöglichen.
Mobilitätsplan 2030
Die aktuelle Regierung hat sich schon bei Antritt zu nachhaltigen Initiativen verpflichtet und 2021 das sogenannte KlimaTicket eingeführt. Dieses ermöglicht Bürgern alle österreichischen Verkehrsmittel in ganz Österreich um jährlich 1095 Euro zu nutzen. Im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans werden jetzt weitere Maßnahmen gesetzt, für die – inklusive KlimaTicket – knapp 850 Mio. Euro ausgegeben werden sollen. Damit liegt die Mobilitätsoffensive auf Platz zwei des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans. Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler erklärt gegenüber Innovation Origins, dass man so die Mobilitätswende vollziehen und bis 2040 Klimaneutralität erreichen wolle. Die Maßnahmen umfassen alle Bereiche: beginnend bei der aktiven Mobilität per Fahrrad und zu Fuß – über die öffentlichen Verkehrsmittel und den Individualverkehr – bis hin zu Bahn und Flug- sowie Güterverkehr.
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Ein zentraler Hebel für mehr Klimaschutz im Verkehr sei der Güterverkehr. Mit der Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene könne man sowohl Treibhausgase reduzieren, als auch Lärm- und Feinstaubaufkommen. Um im Schwerverkehr grüne Treibstoffe wie E-Fuels oder Wasserstoff zu ermöglichen, bedarf es noch Investitionen in die Forschung. Ähnliches gilt für die Luftfahrt. Aber „bis 2035 sollen alle LKWs, die in Österreich neu zugelassen werden, emissionsfrei unterwegs sein und bis 2040 auch alle österreichischen Flugzeuge“, so die Umweltministerin.
Bahnausbau
Im Fokus des Bahnausbaus steht sowohl die Erschließung von entlegenen Regionen, als auch ein erweitertes Angebot im europäischen Nachtzugnetz. Beides zusammen wird die Anreise per Bahn auch für Touristen attraktiver machen. Im Individualverkehr laute das Ziel, bis 2030 nur noch emissionsfreie Autos zuzulassen. Gleichzeitig wolle man die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver machen – auch für Pendler. Gewessler: „Bei vielem haben wir bereits angesetzt, denken wir etwa an das KlimaTicket mit über 140.000 KartenbesitzerInnen oder das über 18 Milliarden Euro schwere Bahnausbaupaket.“
Thermische Maßnahmen
Österreich will mit seinem Aufbau- und Resilienzplan möglichst viele Bürger erreichen. Eine geeignete Maßnahme ist die Sanierungsoffensive, in die 210 Mio. Euro investiert werden, um der Energiearmut entgegenzuwirken. Denn trotz bestehender Förderungen seien thermische Maßnahmen für einkommensschwache Haushalte nicht leistbar. Da auch Sanierungsprojekte von sozialen Wohnbauträgern und Energiedienstleistern gefördert werden, profitieren viele Bürger zusätzlich von reduzierten Energiekosten.
NextGenerationEU
Die Korona-Krise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Mit NextGenerationEU – dem mit 806,9 Milliarden Euro größten Konjunkturprogramm aller Zeiten – will die Europäische Union ihren Mitgliedstaaten helfen, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Die Corona-Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit ist das Herzstück dieses Plans (723,8 Mrd. EUR).
Der Corona Recovery Fund verfolgt zwei Ziele: Erstens soll er die europäische Wirtschaft aus der durch die Corona-Pandemie verursachten Rezession herausführen. Zugleich soll sie Impulse für wichtige Zukunftsinvestitionen und Reformmaßnahmen geben. Die ursprüngliche Frist für die Einreichung eines Plans war der 30. April 2021, wurde aber nun auf Juni 2022 verlängert. Bislang haben 26 von 27 Ländern einen Plan vorgelegt. Die Pläne sehen vor, dass die Mitgliedstaaten mindestens 37 Prozent ihres Budgets für Klimamaßnahmen und 20 Prozent für die Digitalisierung ausgeben müssen.
Förderung von Unternehmen
Auf Platz drei im Budget-Ranking steht die Digitalisierung und Ökologisierung von Unternehmen, welche die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen sichern soll. Die Investitionssumme liegt bei über 600 Millionen Euro.
Weiters soll die öffentliche Verwaltung digitalisiert (160 Mio. Euro) und dabei auch das once-only-Prinzip der EU umgesetzt werden. Es bringt den Vorteil, dass Unternehmen den Behörden und Verwaltungen bestimmte Standardinformationen nur noch einmal mitteilen müssen.
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Im Rahmen einer Reform soll die geplante Liberalisierung von gewerberechtlichen Rahmenbedingungen erfolgen. Um wachstumsorientierte Jungunternehmen nachhaltig zu unterstützen, sollen Behördenverfahren erleichtert und eine neue Rechtsform etabliert werden. Arbeitstitel: Austrian Limited.
Biodiversität und Plastikwirtschaft
Mit einem Budget von 350 Millionen Euro rangieren Initiativen im Bereich der Biodiversität und Kreislaufwirtschaft im österreichischen Aufbau- und Resilienzplan auf Platz vier. Die Förderung von Kreislaufsystemen bezieht sich hauptsächlich auf Kunststoffverpackungen. In Österreich fallen jährlich rund 0,92 Tonnen Kunststoffabfälle an. 77 Prozent davon finden sich im Restmüll und nur 28 Prozent werden stofflich verwertet.
Darüber hinaus wird auch die lange Nutzung von Elektrogeräten unterstützt. Dies geschieht im Rahmen eines Reparaturbonus für Endverbraucher. Dieser wurde in Wien schon erprobt und soll 2022 bundesweit ausgeschrieben werden.
Wissensbasierter Aufbau
Das fünfthöchste Budget ist mit 277 Millionen Euro im Sektor Umschulen und Weiterbilden festgelegt. Österreich misst gut qualifizierten Fachkräften eine hohe wirtschaftliche Bedeutung bei und möchte die Fähigkeiten und Kompetenzen von Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau – und Frauen verbessern. Beide Personengruppen waren zuletzt pandemiebedingt stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Ein Fokus liegt auf arbeitsmarktpolitischen Programmen, die Frauen unter anderem dabei unterstützen sollen auch in nicht-traditionelle technische Berufe zu wechseln.
Ein Ziel, das übrigens auch in der Forschung verfolgt wird. Hier sollen Frauen motiviert werden, in die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) einzusteigen. Bei Abschlüssen in technischen Fächern soll der Frauenteil um 5 Prozentpunkte gesteigert werden.
In Österreich hat sie die Einkommenssituation von Frauen in der vergangenen Dekade kaum verbessert. Im Jahr 2020 verdienten sie in der Privatwirtschaft insgesamt um fast ein Fünftel (18,9 Prozent) brutto pro Stunde weniger als Männer. Das zeigen Daten der Statistik Austria. 2010 lag der Gender Pay Gap noch bei 24,0 Prozent. Damit liegt Österreich im EU-Ranking weit hinten. Nur in Lettland und Estland war der Gender Pay Gap 2020 noch größer.
Forschungsförderung
Im Bereich der Forschung basiert der österreichische Aufbau- und Resilienzplan auf der FTI (Forschung, Technologie und Innovation)-Strategie, die in Form von übergeordneten Zielen die strategische Richtung für die kommenden zehn Jahre vorgibt. Fokusthema ist die Förderung der Quantenwissenschaften. Österreich hat starke Forschungsteams in dem Sektor und möchte damit nicht zuletzt den Wirtschaftsstandort im Bereich der Zukunftstechnologie stärken. Zudem soll ein Center für Präzisionsmedizin gebaut werden. Investitionssumme: 212 Millionen Euro.
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Gerechter Wandel
Die Maßnahmen im Bereich eines gerechten Wandels sind vielfältig und sollen die Resilienz in Gesundheitswesen, Pflege, Gemeinden und Kinderbetreuung sowie Kunst und Kultur fördern. Zwischen den Zeilen liest man auch hier eine Reihe von Initiativen für Frauen: Im Bereich des Gesundheitswesens will das Land in Primärversorgungszentren investieren (125 Mio. Euro), die nicht nur die Qualität der hausärztlichen Behandlungen steigern sollen. Vielmehr begünstige die Teamstruktur auch familienfreundliche Arbeitsbedingungen – vor allem von Ärztinnen. Die Weiterentwicklung der Pflegevorsorge und der Ausbau von Community Nursing sind weitere Handlungsfelder. Letzteres soll Bürger von der Pflege von Angehörigen entlasten, von der vor allem Frauen betroffen sind. Zusätzlich soll durch Reformen im Pensionsbereich die zukünftige Pension von Frauen erhöht werden, um den Gender Pensions-Gap zu verringern.
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