Acetale sind wichtige chemische Verbindungen, die zum Beispiel in der Medizin bei der Herstellung bestimmter Wirkstoffe eingesetzt werden. Sie entstehen aus der Reaktion von Alkoholen mit Aldehyden und ihre Herstellung ist bisher recht aufwändig. Chemiker der Universität Bonn haben nun mithilfe modernster Computersimulationen ein nachhaltiges Katalyse-Verfahren entwickelt und optimiert, mit dem Acetale künftig einfacher und umweltschonender synthetisiert werden können. Die Reaktion in diesem Verfahren basiert auf einem Mechanismus, der in der Natur vorkommt. Bislang wurde er in der chemischen Synthese jedoch selten genutzt.
Zur Herstellung von Acetalen müssen zwei Sauerstoffatome an ein Kohlenstoffatom binden. Das geschieht in der Regel durch Oxidationen, für die aber normalerweise starke Oxidationsmittel eingesetzt werden. Das bei der Reaktion übriggebliebene Oxidationsmittel muss entsorgt werden.
„Wir beschreiben in unserer Studie jedoch einen Weg, den man als atom-ökonomisch bezeichnet – das heißt, bei ihm entsteht kein Abfall“, erklärt Prof. Dr. Andreas Gansäuer vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. „Dabei ist im Ausgangsmolekül selbst bereits das Sauerstoff-Atom enthalten, das für die Oxidation benötigt wird. Durch die von uns entwickelte Katalyse wird dieser Sauerstoff einfach im Molekül verschoben, wodurch das Acetal entsteht.“
Katalyse nach dem Vorbild der Natur
Das Ausgangsmolekül enthalte dazu eine sogenannte Epoxid-Gruppe – eine Art „Dreieck“, bei dem zwei Ecken von Kohlenstoffatomen und die dritte von einem Sauerstoffatom gebildet werden, schreiben Gansäuer und seine Kollegen in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie. Da solche Dreiringe unter großer Spannung stehen, brechen sie leicht am Sauerstoffatom auseinander. Dabei speichern Epoxide wie eine gespannte Feder die nötige Reaktionsenergie.
Dazu ist aber ein passender Katalysator nötig. Sauerstoffatome verfügen über zwei Arme, mit denen sie Bindungen eingehen können und einer dieser Arme wird beim Bruch des Epoxid-Rings frei. An ihn bindet nun temporär der Katalysator. Dadurch werde eine Abfolge von molekül-internen Umlagerungen in Gang gesetzt, an deren Ende das Sauerstoff-Atom den Katalysator wieder loslasse und stattdessen an den gewünschten Kohlenstoff binde, erklärt Gansäuer. „Wir bezeichnen diesen Schritt als Oxygen Rebound.“
Während dieser Mechanismus in der Natur häufig vorkommt, wird er bei chemischen Synthesen bisher nur selten genutzt. So baut zum Beispiel die Leber mit Hilfe des „Oxygen Rebounds“ unter anderem Giftstoffe ab. Die sogenannten P450-Enzyme funktionieren dabei als Katalysatoren. In ihrem aktiven Zentrum sitzt ein Eisen-Atom. „Auch das Herz unseres Katalysators besteht aus einem häufig vorkommenden und ungiftigen Metall, nämlich Titan“, erklärt Prof. Dr. Stefan Grimme vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemische der Universität Bonn.
Virtuelles Katalysator-Tuning
Bei der Acetal-Synthese nimmt das Titan zunächst ein Sauerstoff-Atom auf und gibt es dann wieder ab, d.h. auf die Oxidation folgt eine sogenannte Reduktion. Dazu muss es den Sauerstoff aber einerseits stark genug an sich binden, darf andererseits aber nicht zu sehr „klammern“. Um diese Sauerstoff-Affinität richtig einzustellen, wird das Titan an bestimmte Moleküle gebunden – seine Liganden. Je nach Bindungspartner wirke das Metall dann etwas stärker oxidierend oder ließe sich leichter reduzieren, sagen die Forscher. Die Wahl der am besten geeigneten „Tuning-Moleküle“ erfolge heutzutage am Computer. Die Arbeitsgruppe um Prof. Grimme ist auf diese Aufgabe spezialisiert: Sie hat in den letzten Jahren Algorithmen entwickelt, die sehr schnelle Simulationen von Katalysator-Eigenschaften erlauben.
Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler ihren Katalysator so optimieren, dass er den Ausgangsstoff komplett zum gewünschten Acetal umsetzt. „Das Ergebnis dokumentiert sehr schön, wie nützlich eine enge Kooperation zwischen Experiment und Theorie ist, um nachhaltige Katalyse-Methoden zu entwickeln“, betont Gansäuer.
Gefördert wurde die Studie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG mit Mitteln des Gottfried Wilhelm Leibniz Preises sowie durch die Konrad-Adenauer-Stiftung.
Titelbild: Im oxidierten Zustand ist Titan rot (links), im reduzierten blau (rechts). © AG Gansäuer, Pierre Funk/Universität Bonn