Gitterzellen sind Nervenzellen im Gehirn, die der Orientierung dienen. Vergleichbar mit Landkarten arbeiten diese mit metrischen Koordinaten. Jetzt wurde belegt, dass diese neben räumlichen Informationen auch Zielinformationen liefern. Diese Erkenntnis trägt zum Verständnis der beteiligten Gehirnregionen bei – und jenem neuronaler Netzwerke.
Gitterzellen sind Teil des Orientierungssinns im menschlichen Gehirn und befinden sich im entorhinalen Cortex. Entdeckt wurden diese 2005 von May-Britt und Edvard Moser. Das Forscherehepaar experimentierte mit Ratten. Ihre Befunde:
- Gitterzellen können verschiedene Orte mithilfe eines hexagonalen Netzes präzise bestimmen – und Wege wiederfinden.
- Gitterzellen erhalten ihre Informationen aus dem Hippocampus – beziehungsweise den dort lokalisierten Ortszellen.
Von den Ortszellen wusste die Wissenschaft schon seit 1971. John O’Keefe zeichnete die Signale auf, die von den Nervenzellen während der Orientierung abgegeben wurden. Abhängig davon, wo sich die Ratte befand, wurden bestimmte Nervenzellen im Hippocampus aktiviert. Er vermutete, dass diese im Gehirn ein Abbild des Ortes entwarfen, an dem sich die Ratte gerade befand – und nannte sie Ortszellen. Kam eine Ratte an einer Stelle vorbei, die bereits von den Ortszellen erfasst wurde, erkannte sie diese wieder.
Abläufe von Lernprozessen im Gehirn
Gitterzellen faszinieren Mathematiker und Neurowissenschafter seit ihrer Entdeckung. Im Gegensatz zu Ortszellen, die nur an einer Stelle aktiv sind, sind Gitterzellen vielerorts aktiv. Deren Aktivität folgt einem auffallend regelmäßigen, hexagonalen Muster neuronaler Signale, das die gesamte Umgebung mosaikartig nachzeichnet.
Es sind metrische Koordinaten, nach denen die Gitterzellen arbeiten. Die Neurowissenschafterin Charlotte Boccara vergleicht diese mit jenen einer Landkarte. Boccara forschte gemeinsam mit dem PHD-Studenten Michele Nardin im Team von Jozsef Csicsvari, Professor am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria). Csicsvari forscht an der für die Gedächtnisbildung bedeutenden Gehirnregion Hippocampus – und der Frage, wie Lernen zu Gedächtnisbildung führt.
Bisher ging man davon aus, dass Gitterzellen lediglich Informationen über räumliche Koordinaten liefern. Das Team Csicsvari konnte zeigen, dass diese auch Zielinformationen liefern. Durch Verformung des Aktivitätsfelds der Gitterzellen entsteht eine Art Schatzkarte, die es Ratten ermöglicht, versteckte Belohnungen aufzuspüren.
Organisatorische Funktion von Gitterzellen
Die Forschenden führten einen zielorientierten Test mit Ratten durch. Die Tiere wurden mit dem Versteck von Futterpellets vertraut gemacht, das sie anschließend wiederfinden sollten. Während dieses Prozesses wurden die Aktivitätsmuster der Gitterzellen aufgezeichnet, um deren Veränderungen zu beobachten. Die meisten Gitterzellen reagierten auf das Erlernen von Zielen mit einer Verformung ihrer Aktivitätsmuster, erklärt Boccara. Wobei sich die Gitterzell-Felder, die dem Ziel am nächsten lagen stärker verformten, als jene, die weiter weg lagen. Aus diesen Ergebnissen schließen die Forschenden, dass die Gitterzellen neben Raum- auch Zielinformationen vermitteln können. Folglich also mehr organisatorische Funktion haben, als bisher angenommen.
Veränderungen der Aktivitätsmuster
Das Experiment wurde mit unterschiedlichen, zufällig verteilten Verstecken an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Dadurch konnten die Forschenden auch die Dauer der Veränderungen in den Aktivitätsmustern der Gitterzellen beobachten. Nach dem Lernprozess war das neue Muster präsenter, so Boccara. Die fortwährende Verformung der Gitterzellen lässt auf eine neuronale Dynamik schließen.
Gitterzellen informieren Ortszellen
Darüberhinaus zeichneten die Forscher auch die Aktivitäten der Ortszellen auf. Dabei beobachteten sie den gleichen Effekt wie bei den Gitterzellen. Die Ortszellen, die dem Ziel am nächsten lagen, verschoben sich stärker als jene, die weiter weg lagen. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Blieb die Verformung der Gitterzellen über Nacht erhalten, war dies bei den Ortszellen nicht der Fall. Diese hatten am Tag darauf wieder ihre ursprüngliche Form angenommen.
Csicsvari: „Die Gitterzellen erinnern sich daran, wo die Belohnungen waren, aber die Ortszellen nicht. Das legt nahe, dass die Gitterzellen das Verhalten mitbestimmen.“ Daraus schließen die Forscher, dass die Gitterzellen die Ortszellen über die relevanten Regionen informieren und die Ortszellen diese Regionen dann präzise kartieren.
Charlotte Bocara war Postdoc im Labor von Csicsvari und ist jetzt am Institute of Basic Medical Sciences der Universität Oslo tätig, wo sie ihr eigenes Forschungsteam aufbaut.
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