Multiresistente Keime – das Schreckgespenst für Menschen, die in ein Krankenhaus müssen. Laut Informationen des Bundesgesundheitsministeriums erkranken in Deutschland jährlich 400.000 bis 600.000 Menschen an Infektionen, die sie während einer stationären Behandlung eingefangen haben. 10.000 bis 15.000 Menschen sterben in Deutschland daran, in ganz Europa mehr als 30.000.
Das Problem besteht darin, das viele bakterielle Erreger mittlerweile gegen mehrere Antibiotikaklassen immun sind. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellen vor allem „gramnegative Bakterien mit Resistenzen gegen Carbapenem- und Cephalosporin-Antibiotika“ eine immer größer werdende Bedrohung dar, da sie schwere Infektionen wie Lungen- oder Hirnhautentzündungen, Wundinfekte oder Blutvergiftungen auslösen können. Gegen diese oft lebensbedrohlichen Infektionen wirkt häufig noch nicht einmal mehr das Reserve-Antibiotikum Colistin.
Neuer Wirkmechanismus
Im Kampf gegen diese Erreger haben Forscher um Anatol Luther vom Pharmaunternehmen Polyphor AG in Allschwil und Matthias Urfer von der Universität Zürich nun eine neue Klasse von Antibiotika entwickelt, die offenbar auch gefährliche gramnegative Erreger wie Escherichia coli, Klebsiella oder Pseudomonas unschädlich machen kann. Das Besondere an diesen neuen Medikamenten sei ihr Wirkmechanismus: „Die Antibiotika interagieren mit Proteinen der Außenmembran von gramnegativen Bakterien“, sagt Urfers Kollege John Robinson. „Nach unseren Ergebnissen binden sie einerseits an fettähnliche Membrankomponenten, den sogenannten Lipopolysacchariden, und andererseits an das Membranprotein BamA.“
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Indem die Antibiotika an BamA, den Hauptbestandteil des sogenannten Beta-Faltkomplexes (BAM) binden – er ist für die Synthese der bakteriellen Außenmembran unerlässlich – wird die Membran, eine wichtige Schutzhülle der Erreger, zerstört. So wird der Aufbau der Erreger blockiert, denn diese Außenmembran schützt die Bakterien nicht nur vor toxischen Umweltfaktoren und den Angriffen durch Antibiotika, sie ist auch sie für die Aufnahme und den Export von Nährstoffen und Signalmolekülen verantwortlich.
Bisher würde keines der klinisch eingesetzten Antibiotika auf Schlüsselproteine zielen, die für die Biogenese der Außenmembran erforderlich sind, erklärt Robinson. Untersuchungen mit Zellkulturen und mit von Bakterien infizierten Mäusen zeigten jedoch, dass diese Strategie wirkungsvoll ist. Die Zerstörung der Außenmembran führe nämlich dazu, dass die Zellen platzen und so die Infektion eingedämmt werden kann.
Neue Wunderwaffe gegen Krankenhauskeime?
Nachdem einige der getesteten Substanzen sogar eine hohe Aktivität gegen verschiedene multiresistente Pathogene wie die ESKAPE-Erreger, eine Gruppe gefährlicher Krankenhauskeime, zeigten, sollen sie so bald wie möglich in Studien am Menschen getestet werden.
Ein erstes Leitmolekül der neuartigen Antibiotika-Klasse, befindet sich laut Mitautor Daniel Obrecht von Polyphor derzeit in der präklinischen Entwicklung. Sollten sich die Wirkstoffe dabei tatsächlich als wirksam erweisen, könnten sie die ersten Antibiotika sein, die seit den 1960er Jahren gegen diese gramnegativen Bakterien auf den Markt kommen. „Dies hätte das Potenzial, effektiv gegen lebensgefährliche Infektionen vorgehen zu können und damit ein dringendes medizinische Bedürfnis zu erfüllen“, erklären die Forscher in ihrer Studie, die im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde.