Dr. Doris Ribitsch, Environmental Biologist at the University of Natural Resources and Applied Life Sciences Vienna, Austria (c) BOKU Wien
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Zu Beginn der Nullerjahre dachte man, dass gewisse Polymere wie Polyester und speziell Polyethyleneterephtalat (PET) gar nicht abbaubar sind, erklärt die Umweltbiotechnologin Dr. Doris Ribitsch von der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie forscht am Institut für Umweltbiotechnologie, das von Professor Georg Gübitz geleitet wird und zählt mit ihren Kolleg*innen zu den weltweit fünf Forschergruppen, die schon damals an das Potenzial von Mikroorganismen und Enzymen in der Natur glaubten. Jahre später konnten sie es auch beweisen – und selbst PET wiederverwertbar machen. Ribitsch im Interview mit IO:

Was ist das Problem am Plastikrecycling und wie wollen Sie es lösen?

Alle bestehenden Recyclingmethoden haben gravierende Nachteile – auch für die Umwelt – und für gewisse Plastiksorten gibt es noch gar keine Recyclingmethoden. In der Umweltbiotechnologie versuchen wir Konzepte zu nutzen, die in der Natur bereits vorhanden sind.

Inwiefern wirken sich bestehende Methoden im Plastikrecycling negativ auf die Umwelt aus?

Chemische Recyclingmethoden basieren auf harschen Chemikalien und mechanische Recyclingmethoden beschädigen den Kunststoff so sehr, dass nur mehr Downcycling möglich ist. Insbesondere haben diese Methoden aber Limitierungen bei Verbundmaterialien aus mehreren unterschiedlichen Polymeren.

Dabei ist zu bedenken, dass die meisten Kunststoffe aus dem fossilen Rohstoff Erdöl hergestellt werden und Erdöl ist wertvoll und nur mehr beschränkt verfügbar. Stellt man daraus eine Plastiktüte her, die oft nur eine Verwendungsdauer von wenigen Minuten hat, dann ist das Raubbau an der Natur.

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Aufgrund der fehlenden Recyclingmethoden werden immer noch große Mengen an Kunststoffabfällen verbrannt. Dabei entsteht zwar Energie, die man nutzen kann, aber das ist kein Recycling sondern bloß Verwertung.

Wir wollen wirklich umweltschonende Recyclingmethoden entwickeln und sammeln Wissen darüber wie der biologische Abbau in der Natur erfolgt und was notwendig ist, damit Polymere in Zukunft besser abbaubar sind. Dieses Wissen können wir auch anwenden, um nach Materialien zu forschen, die besser biologisch abbaubar sind.

Plastikrecycling
Polymer binding to Enzyme (c) BOKU Wien

Wie haben Sie die natürlichen Enzyme für das Recycling von PET entdeckt?

Zunächst mussten wir herausfinden, wo solche Konzepte in der Natur zu finden sind. Dazu braucht man viel Geduld. Im zweiten Schritt haben wir die Modelle im Labor nachgebaut und angewendet.  Das war ein langer Prozess, weil noch nichts darüber bekannt war. Man ging ja eigentlich davon aus, dass Plastikrecycling mit Mikroorganismen und Enzymen aus der Natur unmöglich ist.

Die ersten Mikroorganismen und Enzyme, die PET abbauen können, haben wir dann im Kompost gefunden, wo sie daran beteiligt sind, organisches Material abzubauen. Früchte wie Äpfel und Tomaten haben Schalen aus einem natürlichen Polyester, einem natürlichen Polymer mit der Bezeichnung Cutin. Damit so eine Frucht abgebaut werden kann, müssen Mikroorganismen auch die Schale durchdringen können. Dazu bauen sie Enzyme, die wie eine Schere wirken und die Polymere in den Schalen zerschneiden oder zerlegen können. Das ist es, was wir auch im Plastikrecycling erreichen wollen. 

Plastikrecycling
Bacteria growing on Polyester (c) BOKU Wien

Wie ist dieses Konzept auf synthetische Kunststoffe anzuwenden?

Cutin ist zwar auch ein Polyester, unterscheidet sich aber chemisch strukturell natürlich sehr stark von beispielsweise PET. Wir haben diese Enzyme isoliert und im Labor hergestellt und dabei festgestellt, dass sie auch PET zerlegen können.  Allerdings sind sie auf synthetischem Polyester weniger aktiv als auf natürlichem. In der Natur sind Enzyme hochspezifisch auf bestimmte Moleküle ausgerichtet. Da PET kein natürliches Polyester ist, gibt es kein Enzym, das darauf zugeschnitten wäre. Deshalb optimieren wir die natürlichen Enzyme im Labor für die Anwendung in Recyclingprozessen. Das heißt, wir tauschen gewisse Aminosäuren aus und verbessern so die Interaktion zwischen dem Enzym und dem Polyester, damit auch dieses Enzym besser binden und das Polyester zerschneiden kann. Auch die Reaktionsbedingungen unter denen die Enzyme in Recyclingprozessen arbeiten müssen, unterscheiden sich von den natürlichen Bedingungen – und wir müssen sie daran anpassen.

Die Interaktion mit und die Bindung des Enzyms an das Plastik bilden unseren Forschungsfokus. Das sind die Aspekte, die entscheiden, ob das Enzym aktiv wird und den Abbau durchführt.

Plastikrecycling
Microbes at work on plastics (c) BOKU Wien

Wie weit ist ihre Forschung schon gediehen und was ist das Ziel?

Wir haben in der Vergangenheit auch schon gemeinsam mit Unternehmen an Enzymen geforscht und diese Unternehmen haben mittlerweile Prozesse entwickelt, mit denen PET-Flaschen in 24 Stunden fast komplett zerlegt werden können. Das ist schon eine ganz gute Abbaurate, die wir aber weiter gemeinsam mit Firmenpartnern verbessern wollen.

Es gibt sehr viele Polymere und insbesondere Verbundmaterialien, die noch nicht abbaubar sind. Deshalb wollen wir das Wissen, das wir durch die bisherige Forschung generieren konnten, noch ausweiten. Das führt uns in andere Habitate, in denen wir untersuchen, wie die verschiedenen Polymere dort abgebaut werden. So haben wir zum Beispiel Enzyme gefunden, die Polymere in Wasser abbauen. Mit diesem Wissen konnten wir zeigen, dass der enzymatische Abbau auch unter anaeroben Bedingungen funktioniert. Das ermöglicht uns beispielsweise Enzyme zu entwickeln, die Plastikrecycling in Biogasanlagen ermöglichen.

Darüberhinaus beschäftigen wir uns auch mit dem Abbau von Bioplastik, weil es auf die eine oder andere Weise ebenso in der Natur landen und dort eventuell Mikroplastik erzeugen wird.

Weil auch Bioplastik nicht unbedingt abbaubar ist. Ist das so?

Richtig, die Definition von Bioplastik ist, dass es entweder aus nachwachsenden Rohstoffen kommt oder biologisch abbaubar ist. Das heißt, es muss nicht unbedingt abbaubar sein. Außerdem bedeutet kompostierbar nicht immer biologisch abbaubar in der Umwelt. Nicht alles was man in die Natur wirft, baut dort ab. Das heißt, wir werden auch Bioplastik sammeln und in eigenen Recyclinganlagen wiederverwerten müssen.

Danke für das Gespräch.

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