Drohnen werden als Transportmittel der Zukunft gehandelt. Sie könnten die innerstädtische Verkehrsdichte reduzieren, aber auch die Versorgung von Menschen in Katastrophenregionen übernehmen. Letzteres motivierte Studierende des Master-Studiengangs Aerospace Engineering an der Fachhochschule Wiener Neustadt (FHWN). Hier sind Masterstudenten seit 2017 mit der Transportdrohne Trogon befasst. Nach zahlreichen Projektarbeiten und mehreren Masterarbeiten wollten die Studenten und Lektoren die Drohne auch fliegen sehen. Mit Unterstützung des Modellflug Club (MFC) Weikersdorf gelang es ein Modell zu bauen – und wie ein erster Test zeigte, haben die Studierenden und Lektoren hervorragende Arbeit geleistet: Trogon bestand den Jungfernflug einwandfrei.
Getestet wurde das Verhalten in schnellen, engen Kurven, in Manövern zur plötzlichen Veränderung der Flughöhe und in Windböen. Dabei hielt der Demonstrator selbst starken Windböen stand – ein Faktor, der in der Konstruktion zwar berücksichtigt werden kann, aber vorab schwer präzise zu berechnen ist. Im Militärbereich werden Drohnen mit dieser Leistung schon genutzt. Die Studierenden an der FH Wiener Neustadt wollten jedoch einen Anstoß für die Nutzung der Transportdrohne für den Zivilbereich geben.
Transportdrohne für den Zivilbereich
Als Schwerlastdrohne kann Trogon beladene Europaletten mit bis zu 500 Kilogramm Gewicht befördern – und das mit einer maximalen Geschwindigkeit von circa 350 km/h. Aber nicht nur Gewicht und Tempo sind beachtlich – sondern auch die Distanz. Liegt diese doch bei bis zu 1500 Kilometern. Das entspricht der Entfernung Wien – Manchester (UK). Dazu ein Vergleich: Die in der Entwicklungsphase befindliche Transportdrohne Volodrone des deutschen Herstellers Volocopter kann eine Nutzlast von 200 Kilogramm über 40 Kilometer transportieren.
Trogon hat Flügel mit einer Spannweite von 14 Metern und ähnelt dadurch einem Kleinflugzeug. Die Flügel unterscheiden Trogon von der verbreiteten Kategorie Drohnen, die helikopterähnliche Technik nutzen. Bei der Helikopterdrohne wird der Auftrieb durch den Rotor erzeugt. Die Steuerung erfolgt über die Drehzahl und die Blattanstellung des Rotors. Bei geringerer Drehzahl nimmt der Auftrieb ab und die Drohne sinkt. Wenn man sich vorwärts bewegen will, muss man das Fluggerät etwas kippen und die Rotorblätter verstellen – und das ist mechanisch ein sehr großer Aufwand.
Helikopterähnlicher Antrieb …
Drohnen mit mehreren Propellern funktionieren etwas anders, sie haben vier bis acht Propeller, die fix in ihrer Geometrie sind. Das heißt, man kann sie nicht verstellen. Die Steuerung erfolgt über die unterschiedlichen Drehzahlen der einzelnen Propeller – und damit kann die Drohne praktisch in alle Richtungen fliegen. In dem Moment, wo der Propeller weniger dreht, hat man weniger Auftrieb und verliert an Höhe. Dadurch können Drohne und Helikopter nur eine begrenzte Höhe erreichen. Mit Flugzeugen ist das kein Thema. Die Drohne hat hingegen den Vorteil, dass sie ohne Start- und Landebahn auskommt. Das ist bei Einsätzen in Ballungsräumen und in den Bergen von Vorteil.
… vs. flugzeugähnlicher Antrieb
Bei der Transportdrohne Trogon erzeugt der Flügel den Antrieb. Durch die Vorwärtsbewegung wird der Flügel umströmt und das führt zum Auftrieb. Ein Effekt, der auch eintritt, wenn man die Hand aus dem Fenster eines fahrenden Autos hält und etwas verdreht. Dabei tritt eine Kraft auf, die den Arm nach oben zieht“, erklärt der Strömungsmechaniker Dr. Markus Trenker, der das Projekt leitet.
Die Idee der Transportdrohne mit Flügeln kam ursprünglich von den Studierenden. Zentrale Aufgabe im konzeptuellen Design war es, eine geeignete Flügelgeometrie zu entwerfen und den Rumpf zu gestalten. Der Rumpf musste ein möglichst großes Volumen erhalten, um Stückgut auf Paletten hineinzubringen. Zur Be- und Entladung kann man den Rumpf an der Nase aufklappen und mit der Rodel befahren.
Rumpf sorgt für Auftrieb
Ein großvolumiger Rumpf erzeugt allerdings auch großen Widerstand, den es wieder gutzumachen gilt. Deshalb entstand die Idee, den Rumpf so zu formen, dass er bei höherer Geschwindigkeit zum Auftrieb beiträgt. Das heißt, er erzeugt wie die Flügel eine Kraft nach oben, die ihn am Himmel hält. Wobei aber der Flügel viel mehr Auftrieb erzeugt als der Rumpf.
Sowohl Rumpf als auch Flügel haben in der senkrechten Schnittfläche die Form eines unsymmetrischen Wassertropfens. Der Flügel und der Rumpf erzeugen den Auftrieb durch ihre Kontur. Diese ist es, die der Drohne eine höhere Geschwindigkeit, eine größere Reichweite und bessere Stabilität sowie die Fähigkeit eine größere Nutzlast zu transportieren, verleiht. Dazu Trenker: „Auftriebserzeugende Körper erzeugen aufgrund ihrer Formgebung auf der Oberseite höhere Geschwindigkeiten als auf der Unterseite. Steigt die Geschwindigkeit, reduziert sich der Druck. Dies führt zu einer Druckdifferenz zwischen Ober- und Unterseite, welche über die Flügelfläche integriert, eine Auftriebskraft ergibt.“
Die Modellbauexperten, die den Demonstrator gebaut haben, verwendeten Balsaholz, das eine geringe Dichte hat und sehr leicht ist. Dadurch hat die Drohne insgesamt – inklusive Akku und Motor – nicht mehr als elf Kilogramm. Geringes Gewicht ist einer der wichtigsten Parameter bei Luftfahrzeugen. Bei Transportdrohnen bietet ein geringes Eigengewicht zudem die Möglichkeit einer höheren Nutzlast.
Steuerung
Zur künftigen Steuerung der Transportdrohne gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Welche realisiert werden könnte, hängt von der künftigen Gesetzgebung ab, erklärt Trenker. Denkbar wäre beispielsweise, gewisse Punkte per GPS vorab zu programmieren – Trogon würde diese dann vollautomatisch abfliegen. Da das Modell eine Kamera an Bord hat, kann es auch von einem Piloten per Fernsteuerung gelenkt werden.
Zum Landen und Starten braucht die Drohne eine ebene Fläche, wie etwa eine Wiese. Aber solange es circa 800 Meter flaches Gelände gibt, kann Trogon auch in entlegenen Gebieten landen. Somit ist das Ziel der Studenten erreicht: Die Drohne könnte Güter in Katastrophen- und Krisengebiete bringen. In Fällen, wo man das Leben von Piloten nicht riskieren will, wie etwa bei extremen Wettereignissen, oder Kriegshandlungen.
Langwierige Zulassungsprozeduren
Bis jetzt wurde das Projekt ausschließlich von der FH Wiener Neustadt und den Modellbauexperten vom MFC Weikersdorf ermöglicht und zwischen dem Demonstrator und einer marktreifen Drohne liege ein erheblicher Kapitalbedarf, erklärt Trenker auf die Frage nach einer möglichen Markteinführung. Des weiteren unterliegen autonome Luftfahrzeuge einem langwierigen Zertifizierungsprozess, der auch noch nicht ausreichend definiert sei.
Per 31. Dezember 2020 wurde eine neue EU-Drohnenverordnung eingeführt. Seither gibt es für den professionellen beziehungsweise industriellen Einsatz keine Begrenzungen mehr bezüglich Größe und Gewicht – und nur noch einige wenige das Missionsprofil betreffend. Jedoch steigen die Zulassungsprozeduren proportional zu den ermittelten Risikofaktoren des geplanten Einsatzes. Sobald ein bestimmtes Missionsprofil in einem EU-Mitgliedsstaat genehmigt wurde, wird es in der Regel auch von allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt.