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Wenn sich die amerikanische PVH Corp, die französische Kering Gruppe und der Textilproduzent Arvind Limited zusammentun, um Baumwolle ressourceneffizient anzubauen, dann sagt uns das eines: die Faser ist in der Mode unentbehrlich und wird auch nicht so schnell ersetzbar sein. Derzeit ist Baumwolle die meistgenutzte Faser weltweit. Fast 30 Prozent aller Textilien werden aus dem natürlichen Rohstoff gefertigt. Ihre enorme Beliebtheit ist auf ihre Langlebigkeit und ihren unübertroffenen Tragekomfort zurückzuführen.

Gleichzeitig ist Baumwolle zuletzt wegen ihrer schlechten Umweltbilanz in Verruf geraten. Baumwolle ist für 24 Prozent des weltweiten Einsatzes von Insektiziden verantwortlich (Quelle: Textile Exchange 2018). Der Anbau von Baumwolle erfordert bis zu 10.000 Liter Wasser pro Kilogramm (Quelle: cottonconnect.org). Außerdem nimmt sie Böden in Anspruch, die auch für die Lebensmittelproduktion dringend gebraucht werden würden. Will man Baumwolle ressourceneffizient anbauen, sind neue Technologien dringend notwendig, so das Forschungskonsortium, das von der niederländischen Innovationsplattform Fashion for Good geleitet wird.

Extra-langstapelige Baumwollsorten

Das Ziel, den Baumwollanbau ressourceneffizient zu gestalten, ist umso herausfordernder, als es um den Anbau von extra-langstapeligen Baumwollsorten (ELS) in der Region Gujarat in Indien geht. Der Begriff Stapel steht für das wichtigste Qualitätsmerkmal der Baumwolle, nämlich deren Faserlänge. Je länger die Faser, desto höher die Qualität. Im Vergleich zu mittel- und kurzstapeligen Baumwollsorten lassen sich aus extra-langstapeligen Baumwollsorten feinere und zugleich festere Garne herstellen. Stoffe aus diesen Fasern verschleißen weniger und haben eine höhere Lebensdauer. Die Abnutzung erfolgt durch das Tragen und das Waschen.

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Auch im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft sind ELS-Baumwollsorten erwünscht. “Bei den derzeitigen Baumwoll-Recyclingmethoden wird die durchschnittliche Faserlänge leider reduziert. Deshalb möchte die Textilindustrie für ihre Stoffe die längsten Fasern haben,“ erklärt Georgia Parker, Innovation Manager bei Fashion for Good.

Die Region Gujarat

Derzeit machen ELS nur etwa zwei bis drei Prozent des weltweiten Baumwollaufkommens aus. Das liegt daran, dass die hochwertigen Baumwollpflanzen sehr empfindlich sind. „ Jede Sorte hat einzigartige Anforderungen. Aber allgemein sind es stabile Anbaubedingungen, die zur besten Faserqualität führen. Stress durch Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit, Wasser- und Nährstoffmangel oder Schädlingsbefall kann die Endqualität beeinträchtigen. Außerdem haben ELS auch eine längere Wachstumsperiode, was den Bedarf an bevorzugten Bedingungen noch verstärkt“, so Parker.

Traditionell werden ELS-Baumwollsorten in den südlichen Bundesstaaten Indiens angebaut, wo die Sommer im Durchschnitt zehn Grad kühler sind und Regenfeldbau betrieben werden kann. Das ist eine Form des Bodenbaus, die ausschließlich mit Wasser aus Niederschlägen auskommt. Es braucht also keine zusätzliche künstliche Bewässerung.

Ressourceneffizient

Das Forschungsprojekt wird auf einer Anbaufläche von 1,5 Hektar in der Region Gujarat durchgeführt. Hier liegt die durchschnittliche Jahrestemperatur bei 32 Grad. Das heißt, es ist extrem heiß und trocken. Der britische Technologiepartner Materra (ehemals hydroCotton) hat eine Expertise im Management von klimaresistentem Baumwollanbau. Nach mehrfachen Tests in Großbritannien soll das Verfahren jetzt an das Klima und die Ressourcen in Gurjarat angepasst werden. „Dieses Pilotprojekt wird zeigen, dass der Anbau von komplizierten Baumwollsorten wie ELS auch in Regionen möglich ist, in denen dies eine Herausforderung darstellt. Zusätzlich wird die Skalierung der Technologie der Region eine neue Einnahmequelle bringen und die Wirtschaft ankurbeln“, sagt Parker.

„Dieses Pilotprojekt wird zeigen, dass der Anbau von komplizierten Baumwollsorten wie ELS auch in Regionen möglich ist, in denen dies eine Herausforderung darstellt.“

Georgia Parker, Innovation Manager bei Fashion for Good

Materra kombiniert in seiner innovativen Anbaumethode Präzisionslandwirtschaft und Umweltkontrolle. Letztere ist durch den Einsatz von Sensoren gewährleistet. Während des gesamten Prozesses werden Daten in Echtzeit erfasst, um die Endqualität des Produkts sicherzustellen. Dabei werden der Ressourceneinsatz beim Anbau der Baumwolle sowie die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur gemessen. Darüberhinaus können auch soziale Faktoren wie Arbeitsbedingungen und Arbeitseinsatz überwacht werden.

Präzises Bewässerungssystem

Es sei ein weit verbreiteter Irrtum, dass Baumwolle eine wasserintensive Kulturpflanze ist. Tatsächlich sei sie trockenheitstolerant, sagt Parker. Sie führt diesen Irrtum auf die sozialen und wirtschaftlichen Faktoren zurück, die mit dem Anbau verbunden sind. Mehr als 60 Prozent der globalen Baumwollproduktion erfolgt auf kleinen Baumwollfarmen. Über 90 Prozent dieser geschätzt 100 Millionen Kleinbauern leben in Entwicklungsländern und bewirtschaften weniger als zwei Hektar. Parker: „Bewässerungssysteme könnten große Mengen an Wasser sparen. Aber die Landwirte können nicht investieren, weil der Verkaufspreis der Baumwolle niedrig ist und sie keine erschwingliche Finanzierung bekommen. Stattdessen nutzen sie kostenlose Methoden, die wasserintensiv sind, wie zum Beispiel Furchen- oder Überschwemmungsbewässerung.“ Die Furchenbewässerung wird bei Pflanzen angewendet, die in Reihen angebaut werden. Das Wasser wird zwischen den Pflanzenreihen über einzelne Kanäle transportiert.

Mit dem innovativen Bewässerungssystem von Materra können übermäßige Wasserverluste verhindert werden. Landwirtschaftliche Einträge werden direkt an das Wurzelsystem geliefert, wo sie effizient aufgenommen werden können.

Schädlingsbekämpfung

Darüberhinaus ist die Methode pestizidfrei. Das Technologieunternehmen kontrolliert Schädlingsausbrüche mit natürlichen Fressfeinden. In Gujarat ist es die heimische Florfliege, welche die auf Baumwolle vorkommenden Schädlinge vertilgt. Als Breitbandräuber frisst sie viele verschiedene Schädlinge, anstatt sich auf einen einzigen zu spezialisieren.

Die Ernte auf der Testfläche in Gujarat soll bei drei Tonnen Baumwolle liegen. Die drei Industriepartner wollen sich das Volumen teilen. Die Kleidungsstücke, die daraus entstehen, sollen ab 2023 im Handel erhältlich sein. Calvin Klein, ein Unternehmen aus der PVH Corp möchte die Produktion bis 2025 vollständig auf nachhaltige Baumwolle umstellen. Mit dem Projekt soll es gelingen.

Materra wird die Daten und Erkenntnissen aus dem Pilot für die Wahl des nächsten geeigneten Teststandorts nutzen. Die breite Umsetzung der Technologie soll Kleinbauern die Möglichkeit geben, ihre Ernten zu vergrößern und kommerziell attraktivere extra-langstapelige Baumwollsorten anzubauen. Gleichzeitig wirkt sich die Technologie positiv auf die Umwelt aus und gewährleistet eine verbesserte Rückverfolgbarkeit der vorgelagerten Lieferkette.

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