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Polyamid wird aus Erdöl gewonnen, einem nicht erneuerbaren Rohstoff. Deshalb ist es nicht ganz selbstverständlich, die Faser für ein kurzlebiges Produkt wie Kleidung zu verwenden. Wenn die Kleidung nach dem Tragen entsorgt wird,  belastet sie zusätzlich die Umwelt. Gleichzeitig kann man Polyamid aber nicht einfach weglassen, weil es Textilien haltbarer und dehnbarer macht. Konventionelle Damenstrümpfe und Teppiche bestehen zum Beispiel fast gänzlich aus Polyamid. Bei Mützen oder Uniformen wird Polyamid meist mit Wolle oder Baumwolle gemischt, weil das den Tragekomfort erhöht. An diesen Mischfasern ist man bisher im Recycling von Kleidung gescheitert.

Das ist umso problematischer als die Mengen an polyamidhaltiger Kleidung enorm sind. Geht man von einer typischen Mischung von 15 bis 20 Prozent aus, dann lag die Produktionsmenge 2018 bei 10,8 Millionen Tonnen weltweit.

„Wenn wir nur einen Teil davon als Rohstoff für neue Fasern zurückgewinnen können, leisten wir schon einen großen Beitrag für die Umwelt,“ sagt Dr. Tung Pham, Leiter des Forschungsinstituts für Textilchemie und Textilphysik mit Sitz in Innsbruck.

Er hat gemeinsam mit seinem Team eine neue Methode zum Recycling von Kleidung mit polyamidhaltigen Fasern entwickelt. Im Interview mit Innovation Origins erklärt er den Prozess:

Wie ist der Stand der Technik für das Recycling von Kleidung mit Kunstfasern?

Man kann eine Textilfaser, die Polyamid enthält, nicht einfach in einem mechanischen Verfahren trennen. Bei Kunststoff ist das möglich. Deshalb gibt es auch schon mehrere funktionierende Recyclingtechnologien, zum Beispiel solche zur Trennung von  Polyethylenterephthalat (PET) und Polyethylen (PE) aus Flaschen. Es gibt auch schon textile Kleidung aus rezykliertem Polyethylenterephthalat (PET) aus Plastikflaschen. Aber es gibt noch kein System mit einem geschlossenen Kreislauf.

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Was ist das Problem im Recycling von Kleidung aus polyamidhaltigen Fasern?

Die Fasern werden meistens schon im Garn versponnen und dieses Mischgarn lässt sich mechanisch schwer trennen. Bisherige Versuche waren erfolglos. Die Fasern wurden im Recyclingprozess stark geschädigt und waren zu kurz, um wieder versponnen zu werden.

Aber auch Lösungsmittel können die Fasern im Recyclingprozess zerstören. Zum Beispiel lösen sich Mischfasern bei chemischen Recyclingmethoden in superkritischen Medien und sogar in superkritischem Wasser auf und lassen sich nicht mehr trennen. (Anmerkung: Superkritisches Wasser besitzt deutlich andere Eigenschaften als unter Normbedingungen. Es hat die Dichte des normalen Wassers und die Viskosität des Wasserdampfes.)

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Theoretisch könnte man auch ein organisches Lösungsmittel wie Ameisensäure oder Kresol verwenden, um das Polyamid aufzulösen. Allerdings ist die Prozesstechnik unattraktiv, weil sie sehr große Mengen an Lösungsmittel erfordert. Das ist aus technischer und ökologischer Perspektive bedenklich und wird nicht angewendet. Das heißt, ein Verfahren für die Trennung von Wolle, Baumwolle, Zellwolle und Elasthan von Polyamid gibt es bis dato noch nicht. Man kann Polyamid zwar schon aus anderen Fasern lösen, aber sobald ein Mischgarn vorliegt, stoßen wir an die Grenzen der Machbarkeit.

Welchen Ansatz verfolgen Sie?

Deshalb kommt für uns die mechanische Trennung gar nicht in Frage. In unserer Methode wird nur das Polyamid aufgelöst und die Wolle kann ganz leicht wieder zur Wollfaser zerlegt werden. Dabei kommt es zu einer bloß minimalen Reduktion der Faserlänge. Unser Ansatz ist es, die umschlingende Struktur von Wolle oder Baumwolle durch die Auflösung von Polyamid zu öffnen. Dadurch haben wir bessere Chancen, die loser werdende Wolle oder Baumwolle weitgehend unbeschädigt auseinandernehmen zu können.

Wie können wir uns das vorstellen?

Wir geben zum Beispiel ein Mischgarn aus Wolle oder Baumwolle mit Polyamid in diese Lösung, die derzeit aus Wasser, Ethanol und Kalziumchlorid besteht. Nach kurzer Zeit haben wir zwei Fraktionen:  Die feste Fraktion ist die Wolle,  die wir mithilfe von Wasser aus der Lösung spülen und vom Rest trennen. Die flüssige Fraktion, in der sich die aufgelösten Polyamidfasern befinden, können wir ebenfalls durch die Zugabe von Wasser ausheben. Das Polyamid sinkt durch die Zugabe von Wasser auf den Boden und wir können es filtrieren und wieder anwenden – aber als Pulver und nicht als Faser. Dieses Pulver kann von einem Faserspinner zu neuen Polymidfasern versponnen werden.

Wie sind Sie auf das Lösungsmittel gekommen?

Über diesen chemischen Mechanismus wurde schon in den 1960-er Jahren berichtet, als man damit Seide auflöste. Wir haben die Chemie auf Polyamid umgesetzt. Dabei haben wir den Mischungsbereich zwischen Kalziumchlorid, Ethanol und Wasser gefunden, mit dem wir selektiv Polyamid lösen können, ohne Baumwolle, Wolle, Zellwolle oder Elasthan zu schädigen.

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Polyamid kann man sich als Polymer vorstellen, das aus sehr langen Ketten besteht. Die Interaktion zwischen den Polymerketten ist durch sogenannte Wasserstoffbrücken verstärkt. Mit unserem Gemisch schaffen wir es, dass die Kalzium Ionen diese Wasserstoffbrücken zerschlagen und die Anziehungskräfte zwischen den Polymerketten gesenkt werden. Auf diese Art können wir Polyamid ohne toxische organische Lösungsmittel auflösen.

Wie weit ist das Verfahren gediehen?

Im Moment sind wir noch im Labormaßstab, möchten aber innerhalb der kommenden vier Jahre in den Pilotmaßstab gehen. Wir haben gerade einen Antrag für ein europäisches Konsortium gestellt – mit Partnern aus Industrie und Forschung.  In diesem Konsortium wollen wir mit Unternehmen aus den Bereichen Kleidersammlung, Kunststoffrecycling, Lebenszyklusanalyse, Faserspinnen und Stoffproduktion zusammenarbeiten. Dabei wollen wir auch die Wertschöpfungskette evaluieren, um die textile Zirkularität vorantreiben zu können. Im Pilotmaßstab werden wir Materialien in einer Größenordnung von 100 Kilogramm aus Mischtextilien auslösen, neue Fasern daraus spinnen und mit Stoffherstellern Prototypen aus rezyklierter Wolle, Baumwolle und Polyamid herstellen. Darüberhinaus wollen wir auch systemische Änderungen herbeiführen und die Akzeptanz von wiederverwendbaren Produkten in der Gesellschaft fördern. Das wird uns aber nur gelingen, wenn es auch den gesetzlichen Rahmen dazu gibt. 

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Wie und wo könnte die von Ihnen entwickelte Methode zum Recycling von Kleidung angewendet werden?

Wenn Unternehmen ihre gebrauchten Produkte von den Endverbrauchern zurücknehmen, dann ist das  gut. Ein Beispiel dafür ist das cradle-to-cradle-Prinzip des Strumpfhosenherstellers Wolford, der den Produktzyklus steuert, indem er Kunden motiviert, Produkte nach dem Gebrauch zurückzugeben. Aber da bewegen wir nur einen Teil von dem Wert, den wir an Textilproduktion haben. Ein größerer Teil geht über Textilsammelunternehmen wie zum Beispiel Caritas. Wir wollen unsere Methode auch in Recyclingunternehmen implementieren, um das Recycling von Kleidung firmenunabhängig zu ermöglichen. 

Danke für das Gespräch.

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