Das Fahrrad hat in den vergangenen Monaten einen wahren Boom erlebt. Laut verschiedener Statistiken hat sich die Nachfrage seit Beginn der Coronapandemie verdoppelt, in manchen Ländern sogar verdreifacht. Aber nicht nur als individuelles Fortbewegungsmittel spielt das Rad eine immer größere Rolle, auch als Transportmittel gewinnt es weiter an Bedeutung. Wissenschaftler des Fraunhofer LBF haben nun ein Lastenfahrrad gebaut, das leichter ist und eine größere Reichweite hat als handelsübliche, elektrisch unterstützte Modelle.
Das interdisziplinäre Forscherteam aus Polymerchemikern und Ingenieuren der Betriebsfestigkeit, Werkstoffwissenschaft und Mechatronik hat neue Möglichkeiten gefunden, die sichere Nutzung elektrisch unterstützter Lastenfahrräder zu verbessern und gleichzeitig die Reichweite zu erhöhen. So konnten sie am Vorderwagen eines Zweispurlastenrades durch eine neue Rahmenkonstruktion ein Drittel des Gewichts einsparenkönnen.
Außerdem wurde die Kapazität der Batterie durch Neuerungen erhöht und durch eine direkte Integration in den Rahmen das Gehäuse eingespart. Diese im Fahrrad umgesetzten Features würden hohes Potenzial für viele Anwendungen in unterschiedlichen Branchen bieten, auch außerhalb der Mobilität, betonen die Wissenschaftler.
Leichtbaurahmen mit integrierter Batterie
Für die Entwicklung des Leichtbaurahmens und die Auslegung neuer Leichtbaufelgen wurden im Projekt „L-LBF“ CAD-Modelle erstellt und FE-Modelle abgeleitet. Diese basierten sowohl auf eigens durchgeführten Fahrbetriebsmessungen als auch auf Ausgangsdaten über Gewicht und Geometrie des gewählten kommerziellen Lastenrades.
„Strukturauslegung und Aufbau des neuen leichten Fahrradrahmens mit zentralem Hohlprofilträger aus höherfesten Aluminiumlegierungen bieten die Basis für weitere Arbeiten in den anderen Teilprojekten“, sagen die Forscher. Alleine durch die neue Vorderwagenkonstruktion habe man am Beispiel Lastenfahrrad etwa 40 Prozent Gewicht gegenüber dem Referenzfahrzeug einsparen.
Um das eigens entwickelte Batteriesystem TES (Tubular Energy System) versteckt einbauen zu können, wählten die Entwickler das Hohlprofil. So konnten sie nicht nur das Batteriegehäuse – und somit Gewicht – einsparen, die Batterie ist außerdem witterungs- und thermisch geschützt und diebstalsicher.
Tubular Energy System (TES)
Die Li-Ion-Zellen sind im „Tubular Energy System“ rohrförmig angeordnet und dadurch ideal für die Integration in das Rahmenhohlprofil. Mit insgesamt 80 Zellen ist das System doppelt so groß wie das handelsübliche Batteriesystem und hat eine Kapazität von 1000 Wattstunden (Wh). Der Ladezustand der Batteriekann über eine eigens aufgesetzte App auf dem Smartphone kontrolliert werden. Damit werde dem Radfahrer nicht nur die Möglichkeit gegeben, deutlich längere Strecken mit elektrischer Unterstützung zurückzulegen, sondern auch den Verbrauch und die Restenergie, besonders in Abhängigkeit von der transportierten Nutzlast, zu überwachen.
„Mit dem ,Lasten-LeichtBauFahrrad‘ haben wir erneut die LBF-Systemkompetenz, unsere Flexibilität und Kreativität unter Beweis gestellt“, sagt Dr. Saskia Biehl, die das bereichsübergreifende Forschungsprojekt im Fraunhofer LBF geleitet hat. Das leichtere Fahrrad ließe sich länger fahren und besser steuern und würde somit den Nutzer entlasten und zu mehr Aufmerksamkeit im Verkehr führen. Aber das sei noch lange nicht das Ende der Entwicklung.
„Da geht noch mehr“, so die Wissenschaftlerin, „wir erarbeiten auch ein System zur aktiven Stabilisierung und Vermeidung von Lenkerflattern. Das hilft dem Nutzer nochmal mehr, diese spannenden Fahrzeuge als alternative, umweltfreundliche Transportmittel im dichten städtischen Verkehr sicher einzusetzen.“ Die Forscher präsentieren bei den „Fraunhofer Solutions Days“ am 29. Oktober 2020 weitere Entwicklungen.
Titelbild: Leicht, intelligent, stylisch: Das »LastenLeichtBauFahrrad« (L-LBF) zeigt das Potenzial des funktionsintegrierten Leichtbaus für die Mobilität. © Ursula Raapke, Fraunhofer LBF