© prspics
Author profile picture

Zahlreiche Menschen, die sich mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert haben und an COVID-19 erkrankt waren, klagen auch Wochen und sogar Monate nach ihrer eigentlichen Genesung noch über Folgeschäden wie Atemnot und mangelnde Fitness. Ob sich diese Schäden auf Dauer wieder beheben lassen, was bisher unklar. Ein Team der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin II hat nun in einer Studie erstmals zeigen können, dass sich Lunge und auch Herz mit der Zeit wieder erholen können.

In dieser Studie untersuchten die Wissenschaftler 86 Patienten und Patientinnen zwischen 50 und 70 Jahren, die an der Uniklinik Innsbruck, im Krankenhaus Zams und im Reha-Zentrum Münster behandelt wurden. Knapp Dreiviertel der untersuchten Fälle waren Männer, etwa ebenso viele der Probanden waren übergewichtig bis adipös. Knapp die Hälfte waren ehemalige Raucher. Darüber hinaus hatte der größte Teil der Studienteilnehmer kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes oder Hypercholesterinämie.

„Überdurchschnittlich lange Genesungsphase“

Anhand spezifischer Tests wie Lungenfunktionstests, Echokardiographie und Untersuchungen der Lunge mittels Computertomographie (CT) überprüften die Wissenschaftler die Atemfähigkeit der Lunge und wie gut Sauerstoff durch die Atmung in die Lunge geleitet wird.

„55 Prozent der hospitalisierten COVID-19-PatientInnen zeigten auch sechs Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus anhaltende körperliche Beeinträchtigungen“, beschreibt Lungenspezialistin Judith Löffler-Ragg ein zentrales Ergebnis der Studie. An erster Stelle liege mit knapp 50 Prozent die Kurzatmigkeit bei Belastung, 15 Prozent der Betroffenen hätten über andauernden Husten geklagt. Die gute Nachriht ist aber, dass die untersuchten Patienten zwar eine „überdurchschnittlich lange“ Genesungsphase hätten, sich die Intensität der Beschwerden sich im Verlauf der Studie aber deutlich gebessert hätte.

Das Innsbrucker Studienteam, v.l.: Sabina Sahanic, Thomas Sonnweber, Klinikdirektor Günter Weiss, Judith Löffler-Ragg und Ivan Tancevski (Bild: D. Bullock)

In den CT-Untersuchungen zeigten 88 Prozent der Patienten noch sechs Wochen nach der Entlassung aus der Klinik „anhaltende leicht- bis mittelgradige strukturelle Veränderungen der Lunge“. Im Laufe der Zeit hätten sich diese bei den meisten Patienten aber zurückgebildet, sagen die Forscher. Derzeit gebe es daher keine Hinweise auf fortschreitende Lungenschäden, wie etwa zunehmende Vernarbungen. Allerdings sei auch noch nicht klar, „ob die Veränderungen in der Lunge und die damit verbundene Einschränkung der Lungenfunktion vollständig abklingen werden“. Dazu seien weitere Untersuchungen nötig.

Strukturierte, lange Rehabilitation entscheidend

Als entscheidend für den Genesungsfortschritt nennen die Mediziner die engmaschige Anbindung des Studienzentrums an das Reha-Zentrum Münster, wo Intensivpatienten nachbetreut werden. Das mache auch den Mehrwert einer strukturierten, langandauernden Rehabilitation deutlich. „Wir konnten in unserer Langzeitstudie sehen, dass sich Patientinnen und Patienten nur langsam erholen. Erste Erfahrungen zeigen, dass die bei der Entlassung aus der Klinik diagnostizierten Beeinträchtigungen der Lungenfunktion durch eine langfristige und spezifische Rehabilitationstherapie deutlich verbessert werden können“, erklärt Sabina Sahanic aus dem Studienteam. „Entsprechend dürfte es sich bei einem Großteil der Lungenveränderungen um reversible Prozesse handeln.“

Die Innsbrucker Wissenschaftler werden den weiteren Genesungsverlauf der Studienteilnehmer nach sechs und nach zwölf Monaten durch Nachfolgeuntersuchungen analysieren.

Die entscheidenden Ergebnisse der Studie wurden am gestrigen Montag als „late breaking news“ beim Kongress der European Respiratory Society (ERS) präsentiert.