Im wirtschaftspolitischen Diskurs werden Innovationen klar dem städtischen Raum zugeordnet. Der österreichische Regionalforscher Jakob Eder hält dies für ein überholtes Klischee, das auch ein gewisses Risiko birgt. In seiner Dissertation zeichnet er ein komplexeres Bild der Wirklichkeit.
Ein Viertel der Österreicher leben in Wien und auch Institutionen wie Ministerien, Ämter, Behörden, Bundesgerichte, Kammern und Gewerkschaften sind in der Hauptstadt konzentriert. Durch diese Dominanz entsteht der Eindruck, Innovation sei nur in der Hauptstadt möglich. Demgegenüber stehen ländliche Regionen, die dem Agrar- und Energiesektor sowie Bergbau und Tourismus zugeordnet werden.
Jakob Eder, der an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht, hat die Situation in den ländlichen Regionen genauer untersucht. Er kam zu dem Schluss, dass dieses Schema in einer Zeit von Klimawandel und Digitalisierung nicht länger aufrechtzuerhalten ist.
- Wenn die Wirtschaft in den Regionen klar auf Bergbau oder Energiesektor konzentriert ist, können Jobs aufgrund von Globalisierung oder technologischer Innovation wegfallen.
- Orte, deren Wirtschaft vorwiegend auf dem Wintersport fußt, sind von der Klima-Erwärmung besonders betroffen. Aber bisher boten diese den innovativen Branchen vor Ort keinerlei Beachtung.
Eine diversifizierte regionale Wirtschaftsstruktur wäre aber sinnvoll, um eine Negativspirale zu vermeiden, so der Experte.
Zu den Indikatoren, die Eder untersucht hat, zählen Bevölkerungsentwicklung, Erreichbarkeit, Pendlersaldo, Zahl der Beschäftigten in Großunternehmen sowie Wissensintensität. Ein zentraler Indikator ist die Erreichbarkeit.
Geographische Erreichbarkeit
Der Zusammenhang von geographischer Erreichbarkeit und wirtschaftlicher Blüte ist historisch verankert. Bedeutende Handelsrouten finden sich entlang der Westautobahn. Ein Grund dafür liegt in der Nähe zu Deutschland, Österreichs wichtigstem Absatzmarkt. In den angrenzenden Regionen haben sich im Lauf der Zeit viele Betriebe angesiedelt. Meist sind es kleinere und mittlere aber hochinnovativ arbeitende Unternehmen. Manche sind in ihrem jeweiligen Spezialgebiet Weltmarktführer. Eder spricht von ‚hidden champions’.
Der Erfolg von Unternehmen in Österreich baut oft noch auf internen Kompetenzen auf – erworben durch das Eingehen auf Kundenwünsche und Spezialanfertigungen. „Durch die Globalisierung und zunehmende Konkurrenz wird nun aber auch zunehmend auf Forschung und Eigeninitiative gesetzt“, erklärt Eder.
Digitale Erreichbarkeit
Treffen in einer Region schlechte Erreichbarkeit und wirtschaftliche Stagnation zusammen, so kommt es meist zu Abwanderung, Alterung und in der Folge zu einer schrumpfenden Bevölkerung. Öffentliche Einrichtungen könnten den ländlichen Raum und Kleinstädte beleben – allerdings sind die bestehenden Strukturen schwer zu verändern. Private Unternehmen sind in der Standortfrage flexibler, wenn sie die geeigneten Bedingungen vorfinden. In vielen ländlichen Regionen mangelt es aber noch an schnellen Internet-Verbindungen. Die digitale Erreichbarkeit in Form von Breitband-Anschlüssen ist noch wichtiger als die geographische Erreichbarkeit mangels Autobahn, so der Studienautor.
In Österreich hält sich die Abwanderung noch in Grenzen. Die betroffenen Gebiete – weite Teile Kärntens und der Steiermark, Osttirol sowie der Norden des Wald- und Weinviertels – leiden an wirtschaftlicher Stagnation und geringer Wissensintensität. Betroffen sei aber auch eine traditionelle Maschinenbau-Stadt wie Steyr. Die 38.000-Einwohner-Gemeinde verlor durch Zerteilung und Verkauf der Steyr Daimler Puch AG ab 1988 einen wichtigen Arbeitgeber.
Erfolgreiche Ansiedelungen
Eine politische Initiative zur wirtschaftlichen Belebung von strukturschwachen ländlichen Regionen war die Ansiedelung von Fachhochschulen. In Hagenberg im Mühlviertel ist dies gelungen. Die 2700-Einwohner-Gemeinde ist eine halbe Autostunde von Linz entfernt. Die Fachhochschule und der dazugehörige Software-Park haben eine Reihe von Software-Unternehmen angezogen, die sich dort ansiedelten und global erfolgreich agieren.
Ein oft unterschätzter Faktor ist die Attraktivität des Standorts. Ländliche Regionen mit hohem Freizeitwert ziehen Studierende und Forschende an, die Wert auf Lebensqualität legen. Ein Beispiel dafür ist die 132.000-Einwohner-Stadt Innsbruck, wo die Skipiste mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Gleichzeitig sei die regionale Verwurzelung entscheidend, so der Studienautor. So seien es meist Einheimische, die in der Region bleiben oder nach dem Studium wieder zurückkehren; sofern dies mit einem Arbeitsplatz in einem innovativen Unternehmen vereinbar ist.
Hier finden Sie den Artikel, in dem Eder die Zwischenergebnisse zu seiner Dissertation veröffentlichte:
Peripheralization and knowledge bases in Austria: towards a new regional typology
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