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Ältere Menschen neigen zwar eher dazu, einen schweren bis sogar tödlichen Verlauf von COVID-19 zu erleiden als jüngere, aber auch bei denen kann eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 dazu führen, dass sie auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen. Andererseits gibt es auch Menschen in der sogenannten „Hochrisikogruppe“, die sich zwar mit SARS-CoV-2 anstecken, aber kaum etwas spüren. Wieso das so ist, ist auch nach beinahe einem Jahr der Pandemie noch immer weitgehend ungeklärt.

Klar scheint, dass die individuelle Immunreaktion des Körpers eine Rolle spielt, möglicherweise auch die Blutgruppe oder auch die Gene. Britische Forscher haben nun fünf Gene identifiziert, die für einen schweren Verlauf von COVID-19 verantwortlich sein könnten. Diese Erkenntnisse könnten sogar zu Behandlungsmethoden der Krankheit führen, hoffen sie.

Schädigung der Lunge auf molekularer Ebene

Laut Aussagen von Experten sind genetische Erkenntnisse nach klinischen Studien der zweitbeste Weg, um festzustellen, welche Behandlungen gegen eine Krankheit erfolgreich sein könnten. So geben aktuell bereits bekannte Medikamente, die auf die Wirkung von Genen abzielen, Hinweise darauf, welche Präparate zur Behandlung von Covid-19 in klinischen Studien eingesetzt werden sollten.

Wissenschaftler der Universität Edinburgh, unter der Leitung des Roslin-Instituts haben nun gemeinsam mit Forschern der MRC Human Genetics Unit, des Centre for Genomic and Experimental Medicine und der Edinburgh Clinical Research Facility Gene identifiziert, die an zwei molekularen Prozessen beteiligt sind: an antiviraler Immunität und Lungenentzündung. Dieser Durchbruch und diese „verblüffende Erkenntnis“ werde helfen zu verstehen, wie Covid-19 die Lunge auf molekularer Ebene schädigt, betonen die Wissenschaftler.

„Wie bei Sepsis und Influenza wird auch bei Covid-19 die Schädigung der Lunge durch unser eigenes Immunsystem verursacht und nicht durch das Virus selbst“, sagt Forschungsleiter Dr. Kenny Baillie vom Roslin Institute. „Unsere genetischen Ergebnisse liefern eine Roadmap durch die Komplexität der Immunsignale und zeigen den Weg zu wichtigen Medikamentenzielen.“ Die Ergebnisse würden sofort zeigen, welche Medikamente ganz oben auf der Liste für klinische Tests stehen sollten. „Wir können immer nur einige wenige Medikamente auf einmal testen, so dass die richtige Auswahl Tausende von Leben retten wird.“

„Wesentliche Unterschiede in fünf Genen“

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten Die Forscher des GenOMICC-Konsortiums die DNA von 2.700 Patienten, die schwer an COVID-19 erkrankt waren, und auf 208 Intensivstationen in ganz Großbritannien behandelt wurden. Sie verglichen die genetischen Informationen mit Proben gesunder Freiwilliger aus anderen Studien, wie UK Biobank, Generation Scotland und 100.000 Genomes. Und sie fanden wesentliche Unterschiede in fünf Genen der Intensivpatienten im Vergleich zu Proben gesunder Freiwilliger: „Die Gene – IFNAR2, TYK2, OAS1, DPP9 und CCR2 – erklären teilweise, warum manche Menschen an Covid-19 lebensgefährlich erkranken, während andere kaum Symptome entwickeln“, sagen die Forscher. Dabei würden die veränderten Gene IFNAR2 und OAS1 mit der angeborenen Immunabwehr in Zusammenhang stehen, die Gene TYK2, DPP9 und CCR2 mit schweren Entzündungsprozessen.

Aufgrund dieser Erkenntnisse konnten die Forscher die Wirkung von Medikamenten auf die Patienten vorhersehen. Es zeigte sich zum Beispiel, dass eine Senkung der Aktivität des TYK2-Gens vor Covid-19, beziehungsweise einer dadurch ausgelösten potentiell lebensgefährliche Entgleisung des Immunsystems, schützt. Und in diesem Zusammenhang gibt es auch gute Neuigkeiten. Ein bereits für die Behandlung von rheumatoider Arthritis zugelassenes Medikament, Baricitinib, senkt diese TYK2-Aktivität.

Außerdem entdeckten die Wissenschaftler, dass eine Steigerung der Aktivität des Gens INFAR2 wahrscheinlich ebenfalls vor COVID-19 schützt. Dieses Gen ahmt vermutlich die Wirkung einer Behandlung mit Interferon nach, bei der Proteine von Zellen des Immunsystems zur Abwehr von Viren freigesetzt werden. Wichtig bei einer derartigen Behandlung ist laut Aussage von Experten jedoch, „dass die Patienten die Behandlung in einem frühen Stadium der Krankheit benötigen, um wirksam zu sein“.

„Wir hoffen nun, dass weitere Erkenntnisse über Covid-19 aus der Untersuchung der Genetik der Symptomdauer und der Veränderung der Symptome im Laufe der Zeit bei nicht-hospitalisierten Patienten gewonnen werden können“, so Professor Albert Tenesa, Leitende Forscherin bei Coronagenes. „Dafür ist es entscheidend, dass diejenigen, die Covid-19 haben oder hatten, überall auf der Welt an Studien wie unserer Parallelstudie Coronagenes teilnehmen.“

Basierend auf den im Fachmagazin Nature veröffentlichten Ergebnissen sagen die Forscher, dass sich klinische Studien auf Medikamente konzentrieren sollten, die auf diese spezifischen antiviralen und entzündungshemmenden Wege abzielen.

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