© Florian Dietrich / TUM
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Die Luft in München ist im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten in vielen Fällen zwar nicht ganz so “dick”, dennoch lag sie im Jahr 2019 rund 6% über Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 10 µg/m³ für Feinstaub. Forscher der der Arbeitsgruppe von Jia Chen, Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der Technischen Universität München (TUM) haben nun das Sensornetzwerk MUCCnet (Munich Urban Carbon Column network) entwickelt. Es besteht aus fünf hochpräzisen optischen Instrumenten, die die Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Kohlenstoffmonoxid (CO) in der Luft messen, indem sie das Spektrum des Sonnenlichts analysieren.

Da jedes Gas seinen ganz speziellen spektralen “Fingerabdruck“ besitze, könnten durch die Analyse der entsprechenden Wellenlängen die Konzentrationen dieser Gase in der Luftsäule zwischen dem Messgerät und der Sonne ermittelt werden, erklären die Erfinder. “Durch die Messung einer vertikalen Säule der Atmosphäre können lokale Störungen, zum Beispiel der überproportionale Einfluss eines benachbarten Schornsteins, beseitigt werden”, sagt Prof. Jia Chen. “Daher gilt diese Art der Treibhausgasbilanzierung als besonders robust und genau.“

Fünf Messgeräte and verschiedenen Standorten in und um München

Eines der Messgeräte von MUCCnet steht auf dem Gelände der TUM und misst die innerstädtischen Konzentrationen. Die weiteren vier wurden in allen Himmelsrichtungen an der Stadtgrenze aufgebaut: Im Norden in Oberschleißheim, im Osten in Feldkirchen, im Süden in Taufkirchen und im Westen in Gräfelfing. “Wir stellen einen Sensor in Windrichtung vor der Stadt auf und den zweiten hinter der Stadt”. Erläutert Chen das Prinzip. “Alle Treibhausgase, die vom zweiten Sensor, nicht aber vom ersten gemessen werden, müssen also innerhalb der Stadt generiert worden sein.”

Um möglichst alle Windrichtungen abdecken zu können, gebe es in jeder Himmelsrichtung einen Sensor. “Mithilfe eines Computermodells für Hochleistungsrechner kann aus diesen Daten zusammen mit meteorologischen Parametern eine räumlich aufgelöste Emissionskarte der Stadt erstellt werden.” Laut dem Pariser Klimaschutzabkommen seien zur Einhaltung der Emissionsvorgaben keine atmosphärischen Messungen nötig, betont die Wissenschaftlerin. “Stattdessen beruhen die Emissionszahlen, die wir in den Nachrichten hören, auf Berechnungen.“

© TUM

Da es somit unter anderem nicht möglich sei, bisher unbekannte Quellen wie etwa undichte Stellen in Gasleitungen zu quantifizieren, habe das Team mit MUCCnet die Möglichkeit geschaffen, “die Emissionen hochpräzise zu messen, womit die Ungenauigkeiten in den Berechnungen verringert werden können”.

Corona-Lockdown als natürliches Experiment für die Messdatenreihe

Die Auswirkungen der Coronakrise und die dadurch ausgelösten Einschränkungen liefern den Forschern die idealen Bedingungen für ein nützliches natürliches Experiment. Durch die beiden Lockdowns im Frühjahr 2020 sowie Winter 2020/21 und die starke Einschränkung des Flugverkehrs waren die Emissionen geringer. Das ermöglicht es den Forschern, die Messungen sowie die atmosphärischen Transportmodelle zu validieren. Wie die Messergebnisse zeigen, konnte der jährliche Anstieg der CO2 Konzentration in der Atmosphäre allerdings nicht einmal durch die Pandemie gestoppt werden. Grund dafür ist, dass CO2 ein Gas mit einer sehr langen Lebensdauer von mehreren hundert Jahren ist.

Damit alle Münchner und Münchnerinnen die Möglichkeit haben, sich selbst über die Entwicklung der gemessenen Treibhausgaskonzentrationen zu informieren, wurde eine eigene Webseite erstellt. Hier werden nicht nur das Messprinzip und die verwendeten Messgeräte erklärt, es sind auch sämtlice Daten aller Stationen seit September 2019 für alle einsehbar.

“Da der Klimawandel ein globales Problem ist, soll das Münchner Netzwerk nur der erste Schritt sein“, sagt Chen. In Zukunft wollen sie und ihr Team die in München entwickelten Methoden und Modelle mithilfe von Messungen existierender Treibhausgassatelliten weltweit ausbauen. So wollen sie einen “entscheidenden Beitrag zum Verständnis und der Lösung der Klimaproblematik leisten.”

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