Agrobiogel's founding team (L-R): Enrique Nacif, Gibson Stephen Nyanhongo and Johannes Paul Schwarz
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Durch die globale Erwärmung nehmen Dürreperioden weltweit zu. Rund 60 Prozent der Getreidebauern weltweit betreiben reinen Regenfeldbau – ohne künstliche Bewässerung. Das gefährdet die Ernährung der Weltbevölkerung – vor allem in Regionen, die schon jetzt von Hungersnot betroffen sind. Aber auch die Landwirtschaft in den westlichen Regionen gerät durch den Klimawandel zunehmend unter Druck: Tropische Hitzetage führen zu Ernteeinbrüchen und extreme Regenfälle zum Auswaschen fruchtbarer Böden. Dazu kommt, dass der Wasserverbrauch durch landwirtschaftliche Bewässerung schon jetzt bei mehr als 70 Prozent der gesamten Süßwasserressourcen liegt. Biologisches Hydrogel könnte die Folgen der steigenden Temperaturen und der abnehmenden Niederschläge deutlich mildern. 

Bestehende Technologien

Hydrogel wird meist in Granulatform auf die Böden ausgebracht. Es  kann große Mengen von Wasser aufnehmen, um dieses nur langsam wieder an die Umgebung abzugeben. Allerdings enthalten verfügbare Hydrogel-Technologien oft noch synthetische Rohstoffe und dürfen in der Landwirtschaft nicht eingesetzt werden. Auf fossilen Rohstoffen basierend, wird bei deren Zersetzung giftige Acrylsäure freigesetzt,“ erklärt Dr. Gibson Stephen Nyanhongo, Gründer von Agrobiogel und Leiter der Forschungsgruppe Biomaterialtechnologie an der BOKU Wien. Synthetische Hydrogele wurden in den 1960er-Jahren für die Landwirtschaft entwickelt, waren aber dann ungeeignet, weil ihre Leistungsfähigkeit hinter den Erwartungen zurückblieb.  Das Problem: Synthetische Hydrogele binden das Wasser zwar, geben es aber kaum wieder ab. Deshalb wendet man sie heute bei Produkten an, welche die Absorption von Flüssigkeiten erfordern, wie dies etwa bei Medizin- und Hygieneprodukten zutrifft.

Bestehende Technologien für biologisches Hydrogel sind noch nicht leistungsfähig genug, um markttauglich zu sein. 

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Biologisches Hydrogel

Nyanhongo ist der Spiritus Rector des Start-up Agrobiogel das ein biologisches Hydrogel entwickelt hat. Dieses basiert auf natürlichen Rohstoffen und ist vollständig biologisch abbaubar. Die Idee entstand in einem universitären Forschungsprojekt, in dem Lösungen für das globale Problem des Klimawandels gesucht wurden. Mit diesem Hydrogel vermischte Böden können bis zu 95 Prozent des einsickernden Wassers aufnehmen und so bis zu 40 Prozent an Bewässerung sparen. 

Als sogenannter Superabsorber nimmt Agrobiogel Regenwasser und Nährstoffe aus Düngemitteln im Boden auf, speichert diese und gibt sie bei Trockenheit wieder an die Umgebung ab. Dadurch kann es Dürren entgegengewirken und eine unregelmäßige beziehungsweise geringere Wasserversorgung ausgleichen. Als solches könnte es helfen, Trockenperioden weltweit zu überwinden und den Süßwasserverbrauch zu reduzieren. 

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Biologisches Hydrogel (c) Agrobiogel

Technologiesprung

Agrobiogel stellt einen Technologiesprung im Vergleich zu herkömmlichen Hydrogelen auf fossiler Basis dar und entspricht der EU-Düngemittelverordnung ((EU) 2019/1009), die im Juli 2022 in Kraft tritt. Die Verordnung enthält technische Vorgaben zu den zulässigen Ausgangsstoffen, den Prozessbedingungen, den Qualitätsanforderungen sowie den Erfordernissen an das Qualitätsmanagementsystem.

Gesteigerte Bodenproduktivität

Agrobiogel erscheint in Granulatform und wird durch Streuen auf  landwirtschaftliche Flächen aufgebracht.  Erst wenn Wasser dazukommt, wird es zu Gel. Das Granulat besteht aus verholzten Pflanzen, die Biopolymere in die pflanzliche Zellwand einlagern können und so außergewöhnlich hohe Wassermengen speichern. Nyanhongo: „Das Herstellungsverfahren für unser Hydrogel ist geheim. Aber wir verwenden Rückstände aus der Biobrennerei und der Zellstoff- und Papierverarbeitung.”

Agrobiogel ist biologisch abbaubar. Holz ist ein natürlicher Vorläufer von Humus, zersetzt sich im Lauf der Jahre und führt dann zu fruchtbareren Böden. Selbst Sandböden werden wieder produktiv. Da das Holz aus Holzabfällen aus der Holzindustrie stammt, fügt sich das Produkt auch in eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ein. 

Das biologische Hydrogel fördert auch die Fruchtbarkeit der Böden und das Wurzelwachstum. Das heißt, die Pflanzenwurzeln werden größer, haben einen besseren Bodenhalt und bringen stärkere und gesündere Pflanzen hervor. Dadurch können Ernteerträge gesteigert und Ernteausfälle in trockenen Jahren vermieden werden.

Schutz vor Auswaschen

Agrobiogel kann allein oder in Kombination mit jeder Art von Bewässerung eingesetzt werden. Es hilft Wasser zu sparen, indem es die Häufigkeit der Bewässerung reduziert. Zudem bleiben allfällig zugesetzte landwirtschaftliche Chemikalien, wie zum Beispiel Düngemittel, im Boden gespeichert und werden nicht ausgewaschen. „Viele Landwirte streuen Düngemittel im Übermaß und das schadet der Umwelt und ist teuer,“ erklärt Nyanhongo. „Mit Agrobiogel spart man Kosten in Form von Düngemitteln sowie in Form von Energie- und Arbeitsaufwand, der mit der Bewässerung und Düngung verbunden ist.“

Langlebig und wasseraufnahmefähig

Im Vergleich zu anderen biologischen Hydrogels hat Agrobiogel eine wesentlich höhere Wasseraufnahmefähigkeit und bleibt viel länger im Boden. Es dauert bis zu 20 Jahre bis sich das holzbasierte Granulat im Boden zersetzt und zu Humus wird. Tests haben bewiesen, dass es nach drei Jahren noch immer eine Wasseraufnahmefähigkeit von 89 Prozent hat. Dadurch kann es auch sparsamer angewendet werden, so Nyanhongo: „Wenn im ersten Jahr bereits 40 Gramm Hydrogel pro Liter Erde reichen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, dann muss man in den darauffolgenden Jahren nur etwa zehn bis 20 Gramm Hydrogel pro Liter Erde ausbringen.“

Leistbarer Preis

Angewendet werden kann das biologische Hydrogel auf offenen Feldern ebenso wie in Glashäusern und anderen künstlichen landwirtschaftlichen Systemen. Den Einsatzgebieten sind kaum Grenzen gesetzt. Der Launch soll bereits im Frühjahr 2022 erfolgen. Dann wird Hydrogel über den  Großhandel weltweit zum leistbaren Preis verfügbar sein – für Hobbygärtner ebenso wie für Landwirte. Die Herstellung erfolgt in Tulln nahe Wien. Derzeit arbeitet das Start-up an der Produktionserweiterung, denn die Nachfrage übersteigt bereits die Produktionskapazitäten. Im nächsten Schritt sollen dem Hydrogel Düngemittel beigefügt werden – abgestimmt auf bestimmte Pflanzentypen. 

 Über Agrobiogel

Die Ausgründung der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) wird vom Austria Wirtschaftsservice (AWS) und dem ACCENT Startup Incubator Niederösterreich finanziert und vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology(ACIB) unterstützt. Das Gründungsteam besteht aus Gibson Nyanhongo, Johannes Paul Schwarz und Enrique Nacif. 

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Foto: DAs Gründerteam von Agrobiogel (von links): Enrique Nacif, Gibson Stephen Nyanhongo, Johannes Paul Schwarz;