Foto: Simon Hecht
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Zwei große Herausforderungen warten in der Zukunft auf uns. Eigentlich begleiten sie uns schon lange: Wir produzieren zu viel Müll. Und wir benötigen immer mehr Energie. Das Aachener Start-up AES – Autonome Energiesysteme hat für beide Probleme eine Lösung entwickelt. Es kommt aber auch ein dritter Punkt dazu – Unabhängigkeit. Die Anlagen funktioniert dezentral, Betriebe können selbständig aus ihren Abfällen Energie gewinnen und Stromkosten sparen. Auch das ist eine gute Sache. Wir sprachen mit Marco Karber wie Energie aus Müll gewonnen werden kann. Er ist einer der Gründer des Unternehmens.

Wie funktioniert Ihre Anlage genau?

Bei uns geht es darum, Energie aus Müll zu gewinnen. In unserer Anlage, dem Pyrolyseofen, können Mischabfälle verwertet werden. Unser erster Kunde wird ein Altenheim sein. Das heißt, in diesem Fall werden Hygieneabfälle, Handschuhe, Inkontinenzmaterial verwertet. Aber auch Küchenabfälle, also Bio- und Gartenabfälle. Der Mitarbeiter des Altenheims geht einfach mit dem Müllsack in den Keller und wirft ihn in die Anlage. Zuerst wird der Müll zerkleinert, dann kommt das Material in den Pyrolysereaktor, den wir genau für diese Nutzung weiterentwickelt haben. Hierbei entsteht Gas, das verbrannt wird. Die entstehende Wärme wird direkt wieder von der Anlage für den Pyrolyseprozess genutzt. Zudem es entsteht ein Öl, dass ebenfalls verbrannt wird, um Wärme und Strom zu liefern. Beides kann direkt vom Kunden genutzt werden.

So versorgt sich der Nutzer bei der Entsorgung seines Mülls auch noch mit Energie?

Ja, er kann bis zu zwanzig Prozent seines Energiebedarfs decken. Der Wirkungsgrad der Anlage liegt etwa bei 60 Prozent. Am meisten wird beim Müll eingespart. Die Hälfte der Mülltonnen können abbestellt werden. Bei größeren Einrichtungen werden so enorme Kosten in der Abfallentsorgung eingespart.

Kann ich mir so eine Anlage auch zu Hause in den Keller stellen?

Ursprünglich war die Anlage tatsächlich für Privathaushalte gedacht, um Energie aus Müll zu gewinnen.  Aber während der Entwicklung wurde klar, dass der Betrieb nur bei einem höheren Aufkommen funktioniert. Deshalb wenden wir uns an Altenheime, Krankenhäuser, Hotels. Auch größere Restaurants könnten dazukommen. Solche Einrichtungen haben kontinuierlich einen sehr hohen Energiebedarf. Die Anlage kann da wirklich das ganze Jahr über laufen. Auch in der Textilbranche könnten die aussortierten Altkleider, die nicht wieder verwendet werden, verwertet werden und das Öl könnte recycelt werden.

Haben Sie schon Kunden?

Soweit sind wir noch nicht. Wir sind gerade noch bei der Entwicklung unserer Anlage. Dazu arbeiten wir eng mit unseren zukünftigen Kunden zusammen, um unsere Pilotanlage so gut wie möglich auf sie zuschneiden zu können. Auch mit dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen kooperieren wir. Dort sind wir in einem Inkubator-Programm. Wir sind vor Ort am Institut und können da die Werkstatt und das Labor für Analysen nutzen.

Wie sind sie auf die Idee gekommen, Energie aus Müll zu produzieren?

Mein Kollege Andres Sheldrick und ich haben gemeinsam Verfahrenstechnik studiert. Während unseres Masters haben wir immer mal wieder Brainstorming gemacht und Ideen entwickelt. Wir haben uns Gedanken gemacht über mögliche Verfahren, die noch nicht ins 21. Jahrhundert geholt worden sind. Bei vielen haben wir festgestellt, dass sie schon patentiert waren. Aber die Idee mit der dezentralen Abfallverwertung haben wir weiterverfolgt. Zudem haben wir festgestellt, dass es kaum dezentrale Anlagen gibt, die digital gesteuert werden. Erstmal war uns das Einsparpotenzial wichtig. Aber außerdem noch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten zu können, das ist natürlich um so besser.

Gab es bisher kritische Momente?

Ja, da gab es einige. Die Entwicklung, um Energie aus Müll zu gewinnen, ist langwierig. Man muss immer wieder Änderungen in der Konstruktion machen, die Teile neu anfertigen, ausprobieren. Da gibt es lange Durststrecken, bis der nächste Erfolg kommt. Wir haben direkt nach dem Studium begonnen. Da kam natürlich das finanzielle Problem dazu. Wir mussten immer schauen, woher das Geld für die nächsten Teile kommt. Es ist riskant sowas nach dem Studium und ohne Finanzierung anzugehen. Aber nun sind wir an einem guten Punkt und werden auch bald einen Investor finden, der uns im letzten Jahr unterstützt.

Am Anfang haben wir bei mir im Keller gearbeitet. Da konnten wir nicht einmal grade drinnen stehen. Später konnten wir bei einem Mentor eine Art Pavillion nutzen und seit der Gründung als Start-up können wir am Institut für Textiltechnik die Werkstatt nutzen und können so seit Januar richtig arbeiten.

Welche Herausforderungen sehen Sie noch auf sich zukommen?

Wenn die Anlage läuft, ist das wichtigste geschafft. Wir sind jetzt seit eineinhalb Jahren bei der Entwicklung und haben schon einige Hürden überwinden müssen. Unseren Platz auf dem Markt zu finden, das wird nicht so schwierig, glauben wir. Denn wir haben sehr gute Verkaufsargumente. Die Anlage hat in fünf Jahren die Anschaffungskosten eingespielt und von da an spart man. Wir haben schon Absichtserklärungen von Altersheimen, sie sind sehr begeistert von der Idee.

Was sind Ihre nächsten Schritte?

Wir brauchen noch vier bis sechs Wochen bis der Prototyp steht. Und dann noch einmal sechs Monate für die Pilotanlage. Im Moment müssen wir gerade auf Teile warten, die in China hergestellt werden. Wir müssen einen Investor finden, damit wir das letzte Jahr überbrücken. Dann wird die Pilotanlage gebaut, dafür haben wir schon einen Kunden. Das wird bis November geschehen. In einem Jahr werden wir dann hoffentlich die erste Anlage ausliefern können.

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