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Wir leben in verrückten Zeiten. Was noch vor ein paar Wochen als normal und selbstverständlich galt, gilt heute nicht mehr. Covid-19 oder Corona hat viele Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten in unserem Leben auf den Kopf gestellt. Innerhalb weniger Tage wurden unsere Erwartungen für das Jahr 2020 auf den Kopf gestellt. Plötzlich ist alles anders. Wir versuchen zu begreifen, was da gerade passiert, und ob es eine Bedrohung oder eine Chance ist. Plötzlich sind es nicht mehr Startups, die Märkte und Geschäftsmodelle disruptiv verändern, sondern die Natur stellt unsere Welt auf den Kopf, unser Gesellschaftsmodell, unsere Erwartungen an die Selbstverständlichkeiten unseres Lebens. Maßnahmen, die vor wenigen Monaten noch unvorstellbar waren, wurden konsequent umgesetzt, Bürgerrechte ausgesetzt, Geschäfte und Unternehmen zwangsgeschlossen und globale Lieferketten eingefroren. Wir können nicht mehr wie gewohnt zur Arbeit fahren, einkaufen oder Sport machen. Vieles ist anders geworden.

Erwartungsmachine

Was wir in den letzten Wochen rund um den Globus erfahren haben, ist eine massive Abweichung unserer Erwartungen – an das Jahr 2020, an die wirtschaftliche Entwicklung unserer Unternehmen, an politische Entscheidungen und die Art und Weise, wie wir im Frühjahr 2020 leben und arbeiten. Unser Gehirn ist eine „Erwartungsmaschine“ (prediction machine). Permanent stellt es Erwartungen an die Umwelt auf, überprüft diese anhand der Signale unserer Sinnesorgane und gleicht die Erwartungen mit der wahrgenommenen Realität ab. Kommt es zu bedeutenden Abweichungen und gibt es zu diesen keine Vorerfahrungen, reagiert es in dem es unsere Aufmerksamkeit mittels von Gefühlen und Gedanken auf diese Abweichung lenkt. Ist das, was da passiert eine Bedrohung oder eine Chance und kennen wir irgendwelche Muster, Gewohnheiten und Routinen, die uns helfen, diese neue Situation zu verstehen und begreifen zu können.

Wir konnten die Zukunft noch nie vorhersagen. Da menschliches Verhalten und Denken sich in der Regel nicht so schnell ändert, konnten wir uns auf die Stabilität dieser Verhaltens- und Denkmuster verlassen kurz- und mittelfristig einigermaßen verlassen. Auf lange Sicht waren diese Vorhersagen noch nie zuverlässig möglich.

Kurzfristige Vorsehbarkeit

Was wir gerade erleben ist, dass unser Bedürfnis nach kurzfristiger Vorhersehbarkeit und das sich daraus ableitende Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität nicht mehr so funktioniert, wie vor Corona. Viele unserer Erfahrungen, Prägungen und Routinen helfen uns nicht mehr. Nur wenige haben eine solche Krise schon einmal erlebt.

Wir sind gezwungen auf Sicht zu leben, unwissend, welche politischen Entscheidungen in den nächsten Tagen getroffen werden, ob Maßnahmen gelockert werden, wann Geschäfte und Unternehmen wieder normal arbeiten dürfen, wie sich der Lockdown auf die wirtschaftliche Entwicklung und der Virus sich auf unsere Gesundheit und damit unser aller Leben auswirken wird. Wir müssen lernen, im Hier und Jetzt zu leben.

Typische Reaktionen sind jetzt Angst, Schuld und Zweifel. Da die Zukunft erst einmal keine Stabilität zulässt, reagieren wir natürlicherweise mit Unsicherheit und Vorsicht. Da unsere Erfahrungen und Gewohnheiten uns oft nicht weiterhelfen, mit einer Krise solchen Ausmaßes umgehen zu können, zweifeln viele Menschen über den jetzt richtigen Weg, die richtigen Maßnahmen und Entscheidungen. Und manche fangen an in der Vergangenheit nach Schuldigen zu suchen, denen man die Verantwortung für diese Krise zuschieben kann, ohne sich die Frage stellen zu müssen, welche Antworten man/frau sich selbst zu dieser Krise geben müsste. Manche wünschen sich, dass wir möglichst schnell wieder zu der Zeit und den Umständen vor „Corona“ zurückkehren werden. Je länger diese Krise anhält, desto unwahrscheinlicher wird dies sein.

Neue Probleme, neue Innovationen

Andererseits werden wir Menschen, je länger die Krise anhält, Kreativität und damit Innovation entwickeln, um die neuen, durch Corona entstandenen oder hervorgetretenen Probleme bewältigen zu können. In manchen Bereichen können wir das heute schon beobachten.
Innovation war schon immer die Reaktion auf bestehende Probleme. Neue Probleme werden damit neue Innovationen hervorbringen, die im weiteren Zeitverlauf ihrerseits wieder zu neuen Problemen werden, die ihrerseits neue Lösungen und Innovationen erfordern werden. Die Innovationen von gestern erfordern die Innovationen von heute die die Innovationen von morgen erfordern werden.

Die Maßnahmen, politische, finanzielle, wirtschaftliche, persönliche, medizinischen, und viele mehr zeigen uns, dass viel mehr möglich ist, als wir bisher geglaubt haben und das wir uns gesellschaftlich zugetraut haben. Die Maßnahmen zeigen uns auch, dass plötzlich sehr vieles möglich ist, was bisher in diesem Ausmaß nicht für vorstellbar war:

Wenn wir lernen zu verstehen, dass absolut nichts so sein muss, wie es ist, können wir anfangen zu überdenken, wie wir die Welt um uns gerne hätten. Genau das erfahren wir gerade.

In diesem Sinne ist Corona eine einzigartige Gelegenheit, Gewohnheiten und Erfahrungen zu überwinden, hinzu einer anderen, neuen Welt. Wir scheitern nicht an Corona, wenn wir es nicht schaffen sollten, zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Wir scheitern, sollten es uns nicht gelingen, diese Krise und Wendepunkt als Chance zu weltbewegenden technologischen, gesellschaftlichen und persönlichen Transformationen für diese Welt zu nutzen.

Bleiben Sie gesund.

Über diese Kolumne:

In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Bert Overlack, Mary Fiers, Peter de Kock, Eveline van Zeeland, Tessie Hartjes, Jan Wouters, Katleen Gabriels und Auke Hoekstra geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, gelegentlich ergänzt durch Gast-Blogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Damit es morgen besser wird. Hier sind alle vorherigen Episoden.

 

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