© DLR (CC-BY 3.0)
Author profile picture

Momentan steht der Luftverkehr aufgrund der Corona-Pandemie weltweit zum größten Teil still. Im Gegensatz zu den am Boden geparkten Flugzeugen stehen die Bemühungen nach umweltfreundlicheren Möglichkeiten zu fliegen für die Zukunft aber nicht still. Im Rahmen des Projekts EXACT (Exploration of Electric Aircraft Concepts and Technologies) arbeiten seit Anfang des Jahres 45 Wissenschaftler aus 20 Instituten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) „an der Entwicklung neuer Technologiebausteine für ein ökoeffizientes Verkehrsflugzeug“.

Oberstes Ziel der vier Jahre lange dauernden Konzeptstudie ist es, innerhalb der nächsten 20 Jahre die nötigen Technologien für ein solches Luftfahrzeug mit mindestens 70 Sitzen und einer Reichweite von 2.000 Kilometern zur Einsatzreife zu bringen. Dazu sollen Fragen beantwortet werden wie: Wie müsste Elektromobilität am Himmel aussehen, um die Emissionen drastisch zu senken? Wie können Flugzeuge mit alternativen Antrieben ökologisch und wirtschaftlich zugleich sein? Welche Änderungen im Luftfahrtsystem, wie bei Flughäfen und Wartungshallen, würden solche neuartigen Flugzeuge nach sich ziehen?

Hybride Antriebskonzepte

Zunächst sollen unterschiedliche hybrid-elektrische Antriebskonzepte und mögliche Flugzeugkonfigurationen durchleuchtet werden. Außerdem wollen die Forscher mögliche Wechselwirkungen mit der Flughafeninfrastruktur betrachten und, wie sich neuartige Antriebe auf die Atmosphäre und das Klima auswirken.

„Das DLR verfügt über eine weltweit einzigartige Kompetenz für die Durchführung einer solch komplexen Studie In unserem 45-köpfigen Team bündeln wir unsere Kompetenzen aus den unterschiedlichen Forschungsbereichen. So erreichen wir sowohl die nötige thematische Breite als auch die wissenschaftliche Tiefe“, sagt Dr. Johannes Hartmann vom DLR-Institut für Systemarchitekturen der Luftfahrt, der das Projekt federführend leitet.

Wasserstoff-Brennstoffzelle im Labor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik © DLR (CC-BY 3.0)

Grundlage für die Forschung bilden Daten aus dem gesamten Lebenszyklus eines Flugzeugs. Die Forscher verfügen hier über sämtliche Informationen vom Beginn des Entwurfs über die Produktion und den Betrieb bis hin zur Entsorgung, die sie für ihren Flugzeugentwurf nutzen können. Dieses neue Flugzeug soll sowohl wirtschaftlich zu betreiben sein als auch das Klima während seiner gesamten Existenz so wenig wir möglich negativ beeinflussen. Bisher standen bei Flugzeugen primär wirtschaftliche Fakten im Vordergrund, die Wirkung auf Klima wurde erst später analysiert. „Wir drehen diesen Prozess erstmals um und wählen damit einen revolutionären Ansatz für unsere Arbeiten“, erklärt Hartmann.

Möglichst hohe Klimaneutralität im Vordergrund

Damit ein Flugzeug möglichst wenig negative Auswirkung auf die Umwelt und das Klima hat, bedarf es grundlegend neuer Antriebstechnologien. Das Projektteam untersucht deshalb mit welchen Antriebskonzepten diese „erhebliche“ Verringerung von Emissionen und Lärm erreicht werden kann und welche vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus vertretbar sind. Inklusive Investitions-, Betriebs- und Wartungskosten. Die Forscher gehen davon aus, dass Anriebe durch Batterien, Brennstoffzellen oder mit Wasserstoff all diese Forderungen erfüllen könnten.

Allerdings wären für ein Flugzeug, das mit Wasserstoff betankt wird, spezielle Betankungssysteme nötig. Bei Batterien müssten Fragen wie Laden, Lagerung und Recycling gelöst werden. In beiden Fällen wäre also zu klären, wie die vorhandene Infrastruktur an den Betrieb der neuen Flugzeuge angepasst werden müsste.

Da das DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart bereits seit einigen Jahren die Leistungsklassen von Brennstoffzellen für die Luftfahrt analysiert und bewertet, charakterisiert man nun unter diesem Aspekt Brennstoffzellen im Labor und untersucht sie im viersitzigen Passagierflugzeug Hy4. „Das im Projekt EXACT erarbeitete Wissen soll nun, mit Hilfe von Simulationsmodellen und Pilotanwendungen, das Zusammenspiel der hybriden Energiekonzepte in größerer Leistungsklasse bewerten und einsetzbar machen“, heißt es im Artikel der aktuellen Ausgabe des DLR-Magazins.

Luftfahrt im Jahr 2040

Dr. Kai Wicke vom DLR-Institut für Instandhaltung und Modifikation geht davon aus, dass neuartige Flugzeuge das gesamte derzeitige Luftfahrtsystem beeinflussen werden – und umgekehrt. „Ob ein neuartiges Flugzeug mit Wasserstoff, Brennstoffzelle oder Batterie angetrieben wird – wir betrachten ganzheitlich, welche Auswirkungen dies auf das gesamte Öko- und Luftfahrtsystem hätte, also auf Flughäfen, Airlines sowie die Flugsicherung und Atmosphäre“, erklärt er.

Ein erstes ganzheitliches Konzept für den umweltkompatiblen Luftverkehr soll bereits in vier Jahren fertig sein. Dazu arbeiten Flugzeugingenieure, Atmosphärenforscher und Elektrotechniker aus 20 verschiedenen DLR-Instituten gemeinsam daran, valide Modelle aufzustellen und Lösungen zu erarbeiten.

Titelbild: Vision eines Flugzeugs mit verbesserter Ökoeffizienz © DLR (CC-BY 3.0)