WIEN, 17. Dezember 2018 – Die künstliche Schneewolke ist ein einzigartiges Verfahren für die Erzeugung von naturidentem Schnee. Der Name ist Programm: Das Verfahren basiert auf der Simulation der physikalischen Parameter einer Wolke. Dies ist mit einem geringen Aufwand an Wasser und Strom möglich. Folglich löst die Innovation gleich zwei Probleme im Wintersport: Schneequalität und Umwelteffekt.
Die Geschichte der künstlichen Schneewolke datiert in das Jahr 2009 zurück, als das Patent im Namen von TU Wien und Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien angemeldet wurde. Die Forscher hatten ihr Ziel erreicht: Die Schwächen bestehender Technologien zur künstlichen Beschneiung waren überwunden. Konkret ging es um den negativen Umwelteffekt und die unnatürliche Konsistenz von Kunstschnee.
Naturidenter Schnee
In bestehenden Technologien hat Kunstschnee die Konsistenz von gefrorenen Wassertropfen und das kann sich negativ auf Flora und Fauna auf den Skipisten auswirken. Darüberhinaus sind Beschneiungs-Anlagen mit einem hohen Wasser- und Energieverbrauch verbunden – und verursachen Lärm. Die neue Technologie erzeugt echte Schneekristalle – und das bei geringem Strom- und Wasserbedarf und ohne Lärmentwicklung.
In der künstlichen Schneewolke werden aus einem Kubikmeter Wasser bis zu fünfzehn Kubikmeter Pulverschnee erzeugt. In einer herkömmlichen Schneekanone liegt das Verhältnis geschätzt bei etwa eins zu zwei. Energie braucht in der künstlichen Schneewolke einzig der Ventilator, der das Wasser in der Wolke verteilt – und der Strom kann über eine einfache Steckdose bezogen werden.
Die Schneeproduktion
Die künstliche Schneewolke wird mit einem Behälter hergestellt, in dem die physikalischen Parameter von Wolken simuliert werden können. Voraussetzung für die Schneeproduktion ist eine Außentemperatur von idealerweise Minus fünf Grad. Durch die Zufuhr von feuchter Luft und Kristallisationskeimen – gefrorene Eisplättchen – wachsen die ständig in Schwebe gehaltenen Eisplättchen zu Schneekristallen. Die Schneekristalle formen sich zu Schneeflocken und weisen alle Eigenschaften natürlichen Schnees auf. Die fertigen Schneekristalle werden am oberen Ende des Behälters ausgeblasen und in der Umgebung verteilt. Die geringe Dichte des Schnees erfordert keine leistungsstarken Düsen und Propeller für die gleichmäßige Verteilung im Umkreis der künstlichen Schneewolke.
Technische Komplexität
„Damals gingen wir davon aus, dass wir Schnee auch für die Landwirtschaft einsetzen können, zum Bespiel zum Schutz von Knospen und jungen Trieben vor Austrocknung während der Wintermonate“, erklärt der Miterfinder Michael Bacher, der damals an der Universität für Bodenkultur an dem Projekt forschte. Das Interesse an dem Forschungsziel sei aufrecht, zunächst wolle er die Technologie aber im Wintersport etablieren.
2014 gründete er den Spin-Off Neuschnee GmbH, um das Projekt zur Marktreife zu bringen. 2016 wurde die künstliche Schneewolke von einer österreichischen Jury aufgrund ihrer Originalität, ihrer technischen Komplexität und ihres wirtschaftlichen Potenzials zum Patent des Jahres gekürt.
Die Hülle der künstlichen Wolke
Die Hülle der künstlichen Wolke wurde von Architekt Walter Klasz im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Architektur an der Universität Innsbruck entwickelt. Der Architekt hielt an der zuvor bereits angedachten Form des sphärischen Tetraeders fest – einem Körper mit vier dreieckigen Seitenflächen. Die Umsetzung erfolgte im Active Bending. Das ist ein Prozess in der Holzleichtbauweise, in dem Strukturen die Biegung aktiv zur Selbstformung nutzen. Formung und Stabilisierung erfolgen simultan im Aufbauprozesses vor Ort.
Der Tetraeder hat eine Höhe von acht komma fünf Meter und ein Volumen von etwa hundertfünfzig Kubikmeter. Auf drei lokalen Findlingen ruhend, scheint dieser zu schweben. Die Wolkenhülle wurde im April 2018 im Rahmen der Konferenz Shape to Fabrication in London als hervorragende wissenschaftliche Leistung präsentiert.
Markteintritt im Winter 2019/20
Die künstliche Wolke ging im Winter 2017/18 auf 1600 Meter Seehöhe in Lüsens im Sellraintal an den Start. Der kleinflächige Schneeraum wurde dem Trendsport Snowskaten gewidmet und unter dem Titel Neuschnee Arena vermarktet. Wie Bacher erklärt, sei es von den Besuchern gut angenommen worden. Zitat: „Wir stehen vor der technischen Herausforderung, auch Kunden zu bedienen, die nicht im Hochgebirge angesiedelt sind. In tieferen Lagen, und den damit höheren Temperaturen, wird die Schneeproduktion immer schwieriger. Deshalb arbeiten wir gerade an der Umsetzung einer gekühlten Wolke, in der wir auch bei Null Grad Celsius noch sehr guten Schnee produzieren können.“
Aktuell konzentriert sich Bacher auf die Akquise von Kunden. Der Markteintritt soll im Winter 2019/20 erfolgen. Gesucht werden Standortpartner die Trendsetter im sanften Wintertourismus werden wollen.
Foto oben: Neuschnee GmbH (c) Walter Klasz
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