Smartphones und Tablets gehören für uns alle mittlerweile zum Alltag. Aber es gibt auch Menschen, die diese Geräte aufgrund physischer Einschränkungen nicht bedienen können. Die Studenten Janik Ehrhardt (Wirtschaftsinformatik) und Tobias Moritz (Computational Mathematics) der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg wollen das mit der von ihnen entwickelten App „HandicApp“ nun ändern.
„Wir haben beide pflegebedürftige Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit im familiären Umfeld“, erzählt Ehrhardt. „Da macht es uns auch glücklich, wenn ein Nutzer sich freut, ein Gerät ohne Hilfe von Dritten bedienen zu können und in einem bestimmten Bereich ganz eigenständig entscheiden kann.“
So funktioniert HandicApp
Mit ihrer App könnten Menschen mit Behinderungen mobile Endgeräte mit minimalem Aufwand bedienen, sagen die Erfinder. Zum Beispiel durch Kopfbewegungen wie Drehen, Nicken oder Zwinkern, sowie mit Sprachsteuerung und Touch. „Außerdem bietet HandicApp eine einfache und intuitive Benutzeroberfläche“, erklärt Moritz. „Diese beinhaltet die wichtigsten und die am häufigsten verwendeten Funktionen, wodurch die Anwendung auch für nicht so technikaffine Menschen verständlich und bedienbar gemacht wird.“
Ermöglicht wird diese Bedienung durch die Frontkamera. Dazu wird die Displayzuwendung zunächst gemessen und interpretiert, wobei vorab festgelegte Merkmale wie der Zuwendungswinkel des Gesichtes zum Display, der Öffnungsgrad der Augen oder die Position der Ober-/Unterlippe als Auslöser dienen. Wenn jemand zum Beispiel durch eine Rückenmarksverletzung gelähmt ist, kann er Menüs oder Funktionen durch Drehen des Kopfes oder Bewegungen nach oben aufrufen. Durch andere Bewegungen werden Submenüs oder Funktionen wieder verlassen. Die Bewegungen, die der Nutzer zur Navigation ausführt, können individuell, je nach Art der persönlichen Einschränkungen, konfiguriert werden.
Die ursprüngliche Idee sei sehr intuitiv entstanden, sagt Tobias Moritz. Er hat sich bereits in seiner Bachelorarbeit mit nonverbaler Kommunikation beschäftigt. Die ersten Überlegungen hätten sich vor allem darum gedreht, „ob und wie wir Kopfbewegungen und Gesichtsausdrücke nutzen können, um eine Interaktion mit dem Gerät zu ermöglichen“, sagt Janik Ehrhardt. Gemeinsam arbeiteten die beiden Nachwuchswissenschaftler ein Konzept aus und konnten sich bei der globalen Initiative für Studierende mit zukunftsorientiertem Denken „Red Bull Basement” den Titel als nationaler Gewinner sichern. Außerdem gewannen sie die Social Innovator Challenge des Servicezentrums Forschung und Technologietransfer der JMU.
Erste marktfähige Version 2021
Mittlerweile befinden sie sich in der Research- und Test-Phase und optimieren vor allem die Benutzeroberfläche und die Steuerung entsprechend der Bedürfnisse und Fähigkeiten der Nutzer. „Unser Prototyp ist auch schon ohne die Verwendung von Touch/Voice-Control steuerbar. Wir arbeiten jetzt daran, eine erste marktfähige Version 2021 einzuführen“, erklärt Ehrhardt.
Im nächsten Semester wollen beide ihr Studium abschließen und sich dann komplett der HandicApp widmen. „Unser Plan ist es, uns für ein EXIST Gründerstipendium zu bewerben, um damit unser Projekt universitätsnah für zwölf Monate weiterzuentwickeln“, sagt Ehrhardt. „Aber unabhängig davon, ob der Antrag erfolgreich sein wird oder nicht: Wir wollen mit unserer Idee gründen. Nach den bisherigen Gesprächen mit Nutzerinnen, Nutzern und Stakeholdern wurde der Wunsch nach einer entsprechenden Lösung mehr als deutlich.“