Die Corona-Pandemie und die von den einzelnen Staaten getroffen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, wirken sich nicht nur auf die Bewegungsfreiheit der Menschen aus. Unternehmen und Beschäftigte aus allen Bereichen leiden darunter, insbesondere auch Start-ups, Venture-Capital-Geber und Gründer. Der Investor David Rosskamp von June Fund glaubt, dass „Unternehmen ohne wirkliche Technologie“ besonders von der Krise betroffen sein werden.
Der Effekt auf Unternehmen und Kapitalmärkte könnte nicht härter sein, sagte Rosskamp in Interview mit dem Online-Portal Gründerszene. Vom Charakter her sei diese Krise total anders als die im Jahr 2008, da es keine systemische Kreditkrise sei, sondern eine menschliche Krise. Risikokapitalgeber würden das Portfolio bestmöglich absichern und die Gründer darauf vorbereiten, dass sie mit dem Kapital deutlich länger mit ihrem Kapital auskommen müssten. „Der Blick auf frühere Krisen zeigt, dass sich Dinge schnell negativ verändern können“, sagt er. „Wir raten dazu, Finanzierungen schnell zu schließen, Fremdkapitallinien zu nutzen und ansonsten Vorsicht walten zu lassen. Alles Weitere hängt etwas vom Verlauf des wirtschaftlichen Abschwungs ab.“
„Ich vermute einen heftigen Einschlag bei sehr späten Finanzierungen, die in den letzten Jahren oft zu Fantasiebewertungen getätigt wurden.
Je länger die „Abkühlung“ des Markts dauere, desto eher werde eine Korrektur einsetzen, auf dem viele mittelklassige und überfinanzierte Unternehmen „ohne funktionierendes Modell“ auf der Strecke bleiben würden. „Das trifft vor allem diejenigen mit undifferenzierten Geschäftsmodellen ohne wirkliche Technologie – und ihre Geldgeber –, die auf viel Kapital zur Kundengewinnung angewiesen sind, welche wiederum immer schwerer wird“, erklärt Rosskamp. „Davon hat es in den letzten Jahren sehr viele gegeben, getragen von ‚easy money‘, Gier und Zeitgeist.“ Sicher werde es auch den einen oder anderen Geldgeber hart treffen. Als Beispiel nannte er E-Commerce-Unternehmen mit einem Direct-to-Consumer-Ansatz wie beispielsweise das Matratzen-Unternehmen Casper.
In jedem Fall käme es künftig sicher mehr auf Nachhaltigkeit, differenzierte Technologien und vor allem auf funktionierende Geschäftsmodelle an, auch wenn die Krise nicht ganz so hart verlaufen würde. Finanzierungsrunden würde es aufgrund der aktuellen Situation wohl kaum geben, gibt er zu. „Ich vermute einen heftigen Einschlag bei sehr späten Finanzierungen, die in den letzten Jahren oft zu Fantasiebewertungen getätigt wurden. Das Portfolio der Geldgeber, die an diesen Finanzierungsrunden beteiligt waren, wird in der Bewertung massiv nach unten korrigiert.“ Das bedeute auch, dass die Geldgeber den Hahn für neue Finanzierungsrunden sofort zudrehen. „Aber auch bei Frühphasen-VCs kann das passieren, die ihrerseits Brände im Portfolio bekämpfen müssen, sofern das geht.“
Was sollten Gründer, die von VCs finanziert sind, also tun, um sie bei der Stange zu halten? „Ich würde vor allem den Dialog um Weiterfinanzierung führen und die Interessenlage der VCs verstehen“, rät Rosskamp. „Das hängt sehr vom jeweiligen Geldgeber ab. Manche sind noch recht früh im Fondszyklus und hinreichend diversifiziert, andere sind eventuell stark in weniger krisenfeste Startups investiert oder haben keine Rücklagen im Fonds. Wie man sich vorstellen kann, unterscheidet sich die Unterhaltung zwischen diesen Szenarien sehr.“
Positive Perspektiven für bestimmte Branchen
Die allgemeinen Aussichten für die Gründerszene sieht der Investor allerdings recht positiv. „Im schlimmsten Fall: das komplette Austrocknen von Kapitalmärkten für Risikofinanzierung und eine dauerhaft eingebrochene Nachfrage.“ Wahrscheinlicher seien aber höhere Anforderungen für Investitionen und eine „kollektive Besinnung auf ökonomische Nachhaltigkeit, auch bei reinen Technologieunternehmen.“ Das sei im Prinzip nichts Besonderes, in letzter Zeit nur etwas in Vergessenheit geraten. „Finanziert wird und wurde immer, auch und oft besonders erfolgreich in Krisenzeiten. Ansonsten sieht es aus meiner Sicht für Gründer hervorragend aus und in vielen Technologiebereichen stehen wir noch ganz am Anfang.“
Als mögliche Profiteure der Krise sieht Rosskamp – zumindest für eine Weile – Unternehmen mit speziellen Technologien wie Konferenzplattformen, Logistiksystemen und die High-Tech-Szene. „Wie lange diese Stärkung dann anhält, ist eine andere Frage. Der Mensch hat ein faszinierendes Talent dafür, Fehler der Vergangenheit schnell zu vergessen.“