Krankschreibungen per Telefon und Telemedizin bei Erstdiagnosen erlebten in den vergangenen Wochen einen Boom. Die Angst vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2, Corona, in Praxen hält immer mehr Menschen davon ab, einen Arzt persönlich aufzusuchen. Aber auch die Ärzte selbst beschränken den persönlichen Kontakt zu ihren Patienten auf ein notwendiges Minimum. Dank einer von der ESA unterstützten Robotertechnologie können Radiologen ihre Patienten nun sogar aus der Ferne untersuchen.
In ländlichen Krankenhäusern, Pflegeheimen und Gefängnissen in Europa und Kanada wird dieses System bereits zur Untersuchung von Herz-, Bauch-, Becken- und Harnwegserkrankungen eingesetzt. Nun könnte es auch als Alternative zu Brust-Röntgenaufnahmen zur Diagnose von Lungenentzündungen bei Corona-Patienten eingesetzt werden und so Kliniken entlasten.
Medizinisches Personal ohne Ultraschallausbildung müsste in einem lokalen Gesundheitszentrum lediglich einen Roboterarm am Patienten positionieren. Zeitgleich bewegt ein ausgebildeter Radiologe, Kardiologe oder eine Hebamme eine Dummy-Sonde, um den Roboterarm in Bewegung zu bringen. Der Experte kann die Einstellungen des Ultraschallgeräts für bestmögliche Bilder ferngesteuert anpassen. Gleichzeitig wird das Ultraschallbild auf einem Bildschirm angezeigt. Das Arzt-Patientengespräch erfolgt per Videokonferenzsystem.
Corona: Untersuchungen auch aus der Quarantäne
„Dieses Tool ist angesichts der Herausforderung, das COVID-19-Virus zu bekämpfen, sinnvoll, da es speziell ausgestatteten Einrichtungen erlaubt, zusätzliche Barrieren, um eine Verbreitung zu verhindern”, sagt Eric Lefebvre. Er ist Gründer der französischen Firma AdEchoTech, die das Ultraschallsystem Melody entwickelt hat. „Es kann Patienten schützen, die abgelegen leben, indem sie nicht woanders hinfahren müssen, und sie so von Kontaminationsrisiken fernhalten. Dem Experten ermöglicht es wiederum, einzugreifen. So kann er ein Fachwissen auch an entlegenen Orten mit infizierten Patienten teilen, ihn aber vor einer möglichen Ansteckung schützen. Zumal ein konventioneller Ultraschall eine große Nähe zum Patienten erfordert.“
Das Melody-Gerät würde es auch ermöglichen, dass Ärzte, die selbst in Quarantäne sind, Experten in anderen Regionen unterstützen können. „Der Thorax-Ultraschall zeigt sehr vielversprechende Ergebnisse bei der Diagnose von Lungenentzündungen bei Patienten, die mit COVID-19 infiziert sind, und stellt eine zuverlässige Alternative zum Thorax-Scanner dar, wenn dieser nicht zur Verfügung steht“, so Lefebvre.
Die Technologie, die AdEchoTech verwendet, wurde ursprünglich entwickelt, um qualitativ hochwertige medizinische Ultraschallbilder im Weltraum zu liefern. So sollten Astronauten bei ihren wissenschaftlichen Experimenten unterstützt werden. „Die ESA ist seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet der Telemedizin tätig und unterstützte die Entwicklung dieses Tele-Echographie-Konzepts von den Anfängen bis hin zu Demonstrationen in einer realen Umgebung”, sagt Arnaud Runge. Er ist Mediziningenieur und betreut das Projekt. „Zu sehen, dass diese Technologie vor Ort im Kampf gegen das COVID-19-Virus eingesetzt wird, ist eine große Genugtuung.
Das Unternehmen wurde zum Teil von der ESA und der französischen Raumfahrtbehörde CNES finanziert. Das System wurde bereits von der US-Drogenbehörde DEA lizenziert, hat das europäische CE-Zeichen und ist für den Einsatz bei Health Canada zugelassen.
Titelbild: Ein ausgebildeter Radiologe untersucht die aus der Ferne Beschwerden eines Patienten. © ESA