Auf der Welt größten Consumer Elektronik Messe CES in Las Vegas haben deutsche Unternehmen nicht die ganz großen Schlagzeilen gemacht. Faltbare TV-Bildschirme oder Echtzeit-Remote-Operationen via 5G-Mobilfunkstandard kamen von Anbietern aus anderen Regionen. Trotzdem lohnt ein Blick auf das, was die rund 50 Aussteller mit Stammsitz Deutschland in die Hauptstadt des Glückspiels trieb. Auto und Mobilität spielten dabei eine große Rolle. Aber das Spektrum der gezeigten Lösungen ist weit größer.
Etablierte Fahrzeugbauer und die, die es werden wollen
Neben all den futuristisch anmutenden Elektrogefährten fiel die Premiere des klassisch fossil-getriebenen Mercedes-Benz CLA Coupés fast schon bieder aus. Erst das Innenleben verband den Mercedes-Neuling mit dem Überthema der CES: Erstmals ist ein Mercedes mit einer Gestenerkennung ausgestattet. Sie ermöglicht die Anpassung der Bildschirminhalte, wenn sich eine Hand dem Touchscreen in der Armaturentafel oder dem Touchpad auf der Mittelkonsole nähert, aktiviert das Innenraumlicht, wenn sich die Hand des Fahrers in der Dunkelheit in Richtung unbesetztem Beifahrersitz bewegt und erkennt Dank künstlicher Intelligenz, was der Fahrer aktuell braucht, um sich wohl zu fühlen.
Deutlich auffälliger dagegen der Auftritt der deutschen Autozulieferer. Sowohl Bosch, ZF, Continental als auch Schäffler zeigten auf der CES eigene automobile Konzepte. Boschs Shuttle-Studie feierte auf der Messe Premiere, ZF zeigte sein Robo-Taxi, Continental war ebenfalls mit seinem Shuttle vertreten und Schaeffler aus Herzogenaurach zeigte neben Neuigkeiten für sein modulares Shuttle-System Mover auch seriennahe Versionen seines Bio-Hybrids – quasi eine Kreuzung zwischen E-Bike und Kleist-Auto: vier Räder, Dach und Windschutzscheibe, tauglich für Straße und Radweg sowie führerschein- und zulassungsfrei zu betreiben. Der elektrische Antrieb unterstützt bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. „Smartphone und Smartwatch sind ins Konzept integriert“, sagt Tim Hosenfeldt, Leiter des Bereiches Zentrale Innovation bei Schaeffler. „So werden sich in Zukunft Funktionen über eine eigene Bio-Hybrid-App steuern lassen und dem Fahrer das Leben erleichtern.“
Detaills für zukünftige Mobile
Aber auch die kleineren Automobilzulieferer waren vor Ort vertreten. Behr-Hella Thermocontrol aus Lippstadt zum Beispiel entwickelt Bedien- und Anzeigegeräte für Fahrzeuginnenräume und zeigte unter anderem das zentrale Bedienfeld des Porsche Panamera. Paragon mit Sitz in Delbrück bietet Autoherstellern mit Edwin einen intelligenten Sprachassistenten, der sich auch bei bestehenden Fahrzeugmodellen ohne großen Aufwand in die laufende Serie integrieren lässt. Außerdem hat Paragon den sogenannten „Perfekten Lautsprecher“ entwickelt. Das Gerät kompensiert Klangverzerrungen aufgrund von räumlichen Veränderungen automatisch. Laut Paragon ermöglicht es diese Technik, insgesamt kleinere Lautsprecher zu bauen und auf gesonderte Bass-Einheiten (Subwoofer) zu verzichten. Besonderes Schmankerl am Stand: Ab Juli 2019 müssen Elektrofahrzeuge in der EU mit Fahrzeugwarnsystemen ausgestattet sein, damit Fußgänger und Fahrradfahrer die leisen Stromer nicht überhören. Paragon Electroacoustics bietet dafür entsprechende Lösungen an.
Jenseits der Mobilität
Dass der gute Ton auch ohne die Automobilindustrie aus Deutschland kommen kann, beweist Beyerdynamic aus Heilbronn. Das Unternehmen bietet Kopfhörer, Mikrofone und ganze Konferenzsysteme. Wer mag, kann sich hier seinen Kopfhörer online individuell zusammenstellen und ganz analog von Hand fertigen lassen.
Die komplette digitale Heim-Kontrolle in formschönen Design verspricht Eve. Das Münchner Unternehmen bietet Apple-like gestaltete Heimkontrollgeräte an. Mit denen lassen sich Heizungen drahtlos aufdrehen, Lichter dimmen oder die Zustände diverser Geräte von unterwegs auslesen. Die Funktionen lassen sich nahtlos in das Apple Homekit integrieren, sprich: Die Ansteuerung ist sowohl über iPhone, iPad, Apple TV oder Apple Watch möglich; neuerdings auch per Stimme und „Hey Siri”.
Innovationen für industrielle Anwender
Grundlage für die detailgenaue Modellierung von Gebäuden sind präzise und kompatible Daten. Bei existierenden Gebäuden fehlen sie oft. Voxelgrid, Startup aus München, arbeitet deswegen an automatisierten Verfahren, die nicht nur exakte 2D- und 3D-Modelle generieren, sondern auch automatisch Materialien erkennen können. Trinamic Motion Control aus Hamburg liefert Bewegungs- und Motorkontroll-Technik. Dabei geht es um die präzise Erfassung und Steuerung von beweglichen Teilen und Objekten. Auf der CES stellte Trinamic seine neue Familie von E-Motoren mit integriertem RISC-V-Mikrokontroller vor. „Die Integration von leistungsfähigen Prozessoren in die Motorsteuerung ermöglicht Funktionen, die in Zukunft nicht mehr wegzudenken sein werden. Dazu gehört die Überwachung des Zustands einer Komponente oder die vorausschauende Wartung”, sagt Trinamic CEO und Gründer Michael Randt. Sensorics ist ein Startup aus Dresden, das kundenspezifische Sensorlösungen für die Near-Infrared-Spektroskopie entwickelt. Aufgrund der eingesetzten Technologie können die Detektoren so klein ausfallen, dass sie als Mobilgeräte selbst für den Massenmarkt taugen. Plan B ist zum Beispiel ein Analysegerät sowohl für Großbrauereien als auch für Hobby-Brauer, mit dem sich schnell und unkompliziert während des Brauprozesses Zucker- und Alkoholgehalt bestimmen lassen.
Intelligenz eingebaut oder auch nicht
Der Begriff „künstliche Intelligenz“ war auf der CES19 so gut wie allgegenwärtig. Der überwiegende Teil der ausgestellten Lösungen wertet Daten aus, zieht Schlüsse und lernt dazu. Eine äußerst unvorhergesehene Kombination bot in diesem Zusammenhang SMP. Das Unternehmen aus München macht mit CINQ Duft intelligent und dynamisch. So funktioniert’s: SMP sendet dem Interessenten eine Art Fragebogen zu, über den fünf spezifische Düfte ermittelt werden. Die kommen in einen speziellen Zerstäuber, der aus den Einzelsubstanzen über 8.000 unterschiedliche Duftkombinationen erzeugen kann. Eine App wertet die Interaktion mit dem Zerstäuber aus und ermittelt so den passenden Duft für den Moment.
Dass es bei all den intelligenten Produkten auch ganz analog und undigital zugehen kann, zeigt Laut. Laut designt Gerätehüllen und Bänder für Armbanduhren, um – wie das Unternehmen sagt – Lifestyle mit Technik zu verbinden, gut auszusehen und die Geräte zu schützen – ganz mechanisch.