Für die Früherkennung von Krebs gibt es eigentlich nur eine Methode: regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen. Doch Mammographien oder Darmspiegelungen sind für Patienten oft unangenehm. Zu 100 Prozent zuverlässig sind sie obendrein auch nicht. Es kommt immer wieder zu Fehldiagnosen. Auf der eine Seite werden Tumore nicht erkannt. Auf der anderen Seite werden Menschen durch langwierige und schwer erträgliche Krebstherapien geschickt. Und das, obwohl sie nie an Krebs erkrankt waren.
Forscher der European Society for Medical Oncology in Lugano, Schweiz, haben nun einen neuartigen Bluttest entwickelt. Mit diesem Verfahren lassen sich mehr als als 50 Krebsarten genau erkannen. Außerdem kann der Test zeigen, wo im Körper der Krebs entstanden ist. Oftmals schon bevor der Erkrankte erste Symptome zeigt.
Neuer Bluttest – weniger falsch-positive Ergebnisse
In ihrer Studie Circulating Cell-free Genome Atlas (CCGA) verzeichneten die Wissenschaftler eine falsch-positive Krebserkennungsrate von 0,7 Prozent. Konkret heißt das: Nur ein Prozent der getesteten Patienten identifiziert der Bluttest als fälschlicherweise krebskrank. Bei bisherigen Methoden für beispielsweise Brustkrebs-Screenings liegt die Fehlerquote wesentlich höher. Rund zehn Prozent der Frauen bekommen eine falsch-positive Krebsdiagnose. Ein weiterer Vorteil: Bei 96 Prozent der Proben bestimmte der Test auch das Gewebe, in dem der Krebs entstanden ist. Dabei lag die Genauigkeit bei 93 Prozent.
Tumore verteilen DNA
Der Test basiert auf der Tatsache, dass Tumore im Blut DNA verteilen. Das führt zur sogenannten zellfreien DNA (cfDNA). Die cfDNA kann jedoch auch aus anderen Zelltypen stammen. Das macht es oft schwierig, die cfDNA von Tumoren zu bestimmen. Der Bluttest der Schweizer Forscher analysiert chemische Veränderungen an der DNA. Sie werden auch als „Methylierung” bezeichnet und kontrollieren normalerweise die Genexpression. „Abnormale Methylierungsmuster und die daraus resultierenden Veränderungen der Genexpression können zum Tumorwachstum beitragen, so dass diese Signale in der cfDNA das Potenzial haben, Krebs zu erkennen und zu lokalisieren“, heißt es in der Studie, die in der führenden Krebszeitschrift Annals of Oncology veröffentlicht wurde.
Für den Test haben die Forscher Blutproben von 6.689 Teilnehmern untersucht. Darunter waren Proben mit zuvor unbehandeltem Krebs (2.482 Patienten) und einer Kontrollgruppe ohne Krebs (4.207 Patienten). Dabei standen die Ergebnisse von 4.316 Teilnehmern zur Analyse zur Verfügung: 3.052 im Schulungsset (1.531 mit Krebs, 1.521 ohne Krebs) und 1264 im Validierungsset (654 mit Krebs und 610 ohne Krebs).
Unterschiedliche Trefferquote
Das Ergebnis zeigte, dass der Bluttest Krebspatienten in der Mehrheit von gesunden Teilnehmern unterscheiden konnte. Unterschiede bei der Trefferquote ergaben sich jedoch je nach Art und Stadium des Krebses. So lag die Quote bei Tumoren im Stadium I lediglich bei 18 Prozent, bei Tumoren in Stadium IV bei 93 Prozent. Im Schnitt lag die Quote bei allen 50 untersuchten Krebsarten bei 43,9 Prozent. Bei den häufigsten und tödlichsten Krebsarten (Anal-, Blasen-, Darm-, Speiseröhren-, Magen-, Kopf- und Halskrebs, Leber- und Gallengangkrebs, Lungen-, Eierstock- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, Lymphom und Leukämie), lag die Quote bei 67,3 Prozent.
Trotz der etwas gemischten Ergebnisse bei sehr frühen Krebsstadien waren die Forscher zufrieden. „Diese Daten zeigen die Fähigkeit dieses gezielten Methylierungstests, der unserer Meinung nach die grundlegenden Anforderungen an einen Bluttest für die Krebsfrüherkennung zu erfüllt, der für die Früherkennung auf Bevölkerungsebene verwendet werden könnte: die Fähigkeit, mehrere tödliche Krebsarten mit einem einzigen Test zu erkennen“, sagt der leitende Autor des Artikels, Dr. Michael Seiden (MD, PhD), Präsident der US Oncology (Texas, USA). Dazu zähle auch eine sehr niedrige falsch-positive Rate und die Fähigkeit zu erkennen, wo im Körper der Krebs lokalisiert ist.
„Bahnbrechende Studie“
Ähnlich lobend äußerte sich auch der Chefredakteur der Annals of Oncology, Professor Fabrice André, Forschungsdirektor am Institut Gustave Roussy, Villejuif, Frankreich. „Das ist eine bahnbrechende Studie und ein erster Schritt zur Entwicklung einfach durchführbarer Screening-Instrumente. Eine frühere Erkennung von mehr als 50 Prozent der Krebserkrankungen könnte jedes Jahr weltweit Millionen von Leben retten und die durch aggressive Behandlungen hervorgerufene Morbidität drastisch reduzieren.“
Inwieweit der neue Bluttest tatsächlich Tumore früher als herkömmliche Vorsorgeuntersuchungen erkennen kann, müssen weitere Studien zeigen.
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