Vor knapp zwei Monaten machte das UniversitätsKlinikum Heidelberg mit einem „Meilenstein in der Früherkennung von Brustkrebs“ weltweit Schlagzeilen. „Der von unserem Forscherteam entwickelte Bluttest ist eine neue, revolutionäre Möglichkeit, eine Krebserkrankung in der Brust nicht-invasiv und schnell anhand von Biomarkern im Blut zu erkennen und könnte noch in diesem Jahr marktreif werden“, hatte der Ärztliche Direktor der Universitätsfrauenklinik, Prof. Dr. Christof Sohn, erklärt.
Laut Aussagen des Forscherteams der Universität Heidelberg und einer Tochterfirma der Uniklinik, der HeiScreen GmbH, an der auch 2 Mitglieder des Forscherteams finanziell beteiligt sein sollen, sei das neue Verfahren „deutlich weniger belastend für Frauen, weil es weder schmerzhaft ist noch mit einer Strahlenbelastung einhergeht.“ Erstaunen lösten zudem die Tatsachen aus, dass die Leiterin des Test-Entwicklerteams, die Molekularbiologin Rongxi Yang, 2017 die Uniklinik verlassen hat und dass die Tochterfirma der Uniklinik an der Heiscreen NKY GmbH beteiligt ist, die die Test-Vermarktung in Fernost übernimmt.
Ende März ruderte das Klinikum dann zurück und entschuldigte sich für die PR-Kampagne. Der Grund: Der HeiScreen GmbH fehlten Beweise und veröffentlichte Ergebnisse aus klinischen Studien, dass der Bluttest überhaupt funktioniert und Angaben dazu, wie viele falsch positive Testresultate an gesunden Probanden es gab.
Vor ein paar Tagen hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg Vorermittlungen aufgenommen, nachdem die Uniklinik Strafanzeige gegen unbekannt erstattet hatte. „Als öffentliche Einrichtung sieht sich das Universitätsklinikum aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung des potentiellen Bluttests zur Brustkrebsdiagnostik, der am 21. Februar der wissenschaftlichen Fachwelt und Öffentlichkeit vorgestellt worden war, zu diesem Schritt veranlasst“, erklärten die Verantwortlichen in einer Mitteilung. Das Universitätsklinikum selbst habe „bereits umfängliche Maßnahmen zur Aufarbeitung getroffen: Eine interne wissenschaftliche Arbeitsgruppe und die Innenrevision des Klinikums sind mit der Analyse der Vorgänge beauftragt und berichten direkt an den Vorstand. Eine externe neutrale Expertenkommission konstituiert sich.“
Kein Ersatz vor Mammographie und Co.
Der auf der sogenannten „Liquid Biopsy“ basierende Test sollte eine Brustkrebserkrankung anhand von Biomarkern im Blut, Urin oder Speichel erkennen und langfristig die herkömmlichen Untersuchungen wie Mammographie-Screening oder MRT ersetzen können. Die Grundlage des Tests ist, dass sich das Erbmaterial verändert, sobald eine gesunde Zelle zur Krebszelle mutiert und hierbei spezifische Biomarker produziert. Diese befinden sich an der Tumorzelloberfläche und werden zum Beispiel beim Untergang der Tumorzelle von deren Oberfläche abgeschilfert. So gelangen sie in die Blutbahn und können dann im Serum nachgewiesen werden.
Bei dem Heidelberger Forschungsprojekt wurde das Blut von gesunden Frauen und von Frauen mit bekanntem Brustkrebs auf das Vorhandensein von verschiedenen bei Brustkrebsformen auftretende Biomarker (zumeist Eiweißbestandteile) getestet und auf typische Krebsmutationen untersucht.
Der Nachweis solcher sogenannter biologischen Tumormarker („Biomarker“) erfolgt mit molekularbiologischen Untersuchungsverfahren. Die in der klinischen Praxis bisher an Tumorgewebe untersuchten Marker ermöglichen eine Charakterisierung von Eigenschaften eines bereits diagnostizierten Tumors: einerseits ermöglichen sie eine Einschätzung über die Bösartigkeit des Tumors und dessen Behandlungsaussichten (= prädiktiver Wert) und andererseits Hinweise auf die Wirksamkeit einer zielgerichteten Therapie (= prognostischer Wert). Beispiele von solchen Biomarkern sind der Hormonrezeptorstatus, der Auskunft über den Einsatz einer anti-hormonellen Behandlung ermöglicht, oder der Her2-Rezeptorstatus, der Auskunft über einen stimulierenden Wachstumsfaktor für die Tumorzellteilung gibt.
In der Theorie klingt der neue Test sehr gut, um die Alltagstauglichkeit gibt es jedoch noch einige Fragen. Zum einen gibt es nicht nur eine Art von Brustkrebs, sondern biologisch unterschiedlichste Arten, die in verschiedenen Erkrankungsstadien diagnostiziert werden. Alleine die sogenannten „invasiven Brust-Karzinomen“ werden untergliedert in duktale (die Milchgänge betreffend), lobuläre (die Milchdrüsen betreffend) und weitere seltenere Varianten, wobei die duktalen Karzinome mit 70 bis 80 Prozent die häufigsten sind. Dazu kommt das DCIS (Ductales Carcinoma in situ), eine Brustkrebs-Frühform in den Milchgängen, die noch nicht in das umgebende Gewebe hineingewachsen (= nicht-invasiv)ist, bei der aber ein Risiko besteht, dass sie sich zum Krebs (=invasives Karzinom) entwickelt.
Geringe Wahrscheinlichkeit Krebszellen zu entdecken
Der Bericht aus der Heidelberger Uniklinik erweckt den Eindruck, mit einer Blutuntersuchung und speziellen molekularbiologischen Untersuchungen könne man einen bisher klinisch (noch) nicht diagnostizierten bösartigen Brusttumor nachweisen. Ohne entsprechende Hintergrundinformation mag das beim Lesen suggerieren, dass man bei diesem Test im Blut eine zufällig vorbeiströmende Tumorzelle herausfischen könne und damit den Brusttumorbeweis habe. Eine solche irrige Vorstellung wäre leicht zu widerlegen: Bei einer Blutuntersuchung werden 5-10 ml Blut entnommen. Frauen haben 4-5 l Blut im Körper. Es ist also ziemlich unwahrscheinlich, dass eine bestimmte Tumorzelle genau in dem Augenblick vorbeischießt, in dem das Blut abgenommen wird. Daher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Krebszellen als solche bei einem solchen Test identifitierbar wären, sehr gering.
Falsche Diagnosen
Die Idee eines Bluttests, wie ihn das Universitätsklinikum in Heidelberg vorgestellt hat, ist in den Augen vieler Mediziner zwar sehr gut, man müsse ihn aber erst intensiv auf seine Alltagstauglichkeit prüfen. Wie die Uniklinik kürzlich bestätigte, wurden bei den Untersuchungen von 100 Frauen 30 fälschlicherweise positiv auf Brustkrebs getestet, während der Krebs bei daran erkrankten Frauen nicht immer erkannt wurde.
Bis ein solcher Bluttest Alltagstauglichkeit erreicht hat, kann es also noch dauern. Mediziner finden es allerdings erstaunlich und auch ethisch bedenklich, dass eine so renommierte Einrichtung, wie das Universitätsklinikum Heidelberg, sich einen derart gravierenden Fauxpas erlaubt und Millionen Frauen falsche Hoffnungen macht, indem es einen ungenügend erprobten Test ohne sorgfältige Nachweise der Öffentlichkeit präsentiert.
Laut Zahlen der Deutschen Krebsgesellschaft ist Brustkrebs mit etwa 30,5 Prozent die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Industrieländern. In Deutschland erkranken jährlich mehr als 70.000 Frauen, knapp 20.000 sterben daran.
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