In einem Interview mit Prof. Dr. Stefan Bratzel vom CAM (Center of Automotive Managament) Mitte Juli diskutierten wir über das Thema Elektromobilität. Wir waren uns einig, dass die Strompreise in Deutschland derzeit (und vermutlich auch in Zukunft) eher kontraproduktiv zur Elektromobilität und einem schnelleren Hochlauf sein könnten.
Die deutschen Energiepreise – die höchsten in Europa – müssten dramatisch sinken. Zudem müsste der Hochlauf „Ganzheitlich“ angegangen werden. Das beinhaltet einen raschen Ausbau der der Ladeinfrastruktur genauso, wie die Vorbereitung der Stromerflotte für V2X-Technologien – beispielsweise Vehicle-to-Grid, um intelligentes Energiemanagement zu ermöglichen.
Bratzel hat als Brancheninsider natürlich beste Kontakte in die Chefetagen der deutschen Automobilkonzerne. Seine Einschätzung, dass durch das „Fit for 55“-Programm der EU der Hochlauf der Elektromobilität sogar noch beschleunigt würde, teilen inzwischen die meisten CEOs der klassischen Hersteller. Darunter Ola Källenius von Daimler und Dr. Herbert Diess von VW. Vor allem Källenius mutierte jüngst vom Saulus zum Paulus: Daimler will schnellstmöglich zur Premium-Elektromarke werden.
Technologieoffenheit
Juli/August sind auch die Monate, in denen die Automobil-OEMs ihre Quartalsergebnisse veröffentlichen. Die waren durchweg positiv, wenn nicht sogar erstaunlich gut. Und das trotz der Corona-, Klima- und Halbleiter-Krisen, die den Unternehmen das Leben schwer machen.
Letzte Woche präsentierte auch Oliver Zipse, BMW-Chef und ACEA-Vorstand seine mehr als beeindruckenden Zahlen. Er benutzte die Präsentation dazu, einige Seitenhiebe auf seine Kollegen bei Daimler und VW auszuteilen und versteifte sich einmal mehr auf das Thema „Technologieoffenheit“. „Technologieoffenheit“, das muss man wissen, ist in Deutschland das Synonym für die Weiterverfolgung des Wasserstoff-Antriebs im Pkw – sowohl in der Brennstoffzelle als auch als Bestandteil von synthetischen Kraftstoffen.
Sowohl Diess als auch Källenius haben aus pragmatischen Gründen den Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb im Pkw auf Eis gelegt. An der Elektromobilität, so wissen beide, führt kein Weg mehr vorbei. Daimler arbeitet im Lkw-Bereich aber weiterhin zweigleisig. Wasserstoff für die Langstrecke, Batterie für die kurzen Distanzen im Lieferverkehr.
Zipse scheint hier anders zu ticken. Wasserstoff bedeutet für ihn nicht nur Brennstoffzelle, sondern auch synthetische Kraftstoffe, die CO2-neutral mit regenerativen Energien produziert, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten sollen (und theoretisch auch können!).
„Asterix und Obelix“
Freilich interessieren Zipse die Kosten dafür derzeit nicht. Weder die höheren Gestehungskosten für Brennstoffzellen-Pkw, die gigantischen Investitionen für eine Wasserstofftankstellen-Infrastruktur noch der riesige Energieaufwand für die Herstellung von E-Fuels. Seine Süffisanz während der Präsentation der Quartalszahlen wurde von den Matadoren der Sozialen Medien nicht übersehen. Trotzdem blieb der „Shitstorm“ aus, derzeit dominieren andere Probleme die Agenda in Deutschland.
Auf Twitter regten sich dennoch diejenigen, die schon immer den Sinn der Wasserstoff-Wirtschaft im Pkw-Bereich bezweifelt haben. In der Wasserstoff-Bejahenden Mainstreampresse wurden hingegen Vergleiche zu „Asterix und Obelix“ angestrengt. Man verglich die Haltung BMWs mit dem unbezwingbaren gallischen Dorf, das den Römern als einziges Bollwerk die Stirn bot. So, als wäre die Elektromobilität auf Batteriebasis ein Irrweg, den nur die Münchner erkannt hätten.
Letztlich wird allerdings der Markt entscheiden. Wenn die Infrastruktur für H2-Tankstellen nicht beherzt angegangen wird, Brennstoffzellen-Pkw nicht günstiger werden als Batterie betriebene Elektrofahrzeuge und der Preis für die Herstellung und Distribution des „grünen“ Wasserstoff nicht konkurrenzfähiger wird, hat sich das alles ohnehin erledigt. Dann allerdings werden Asterix und Obelix samt ihrer Kumpane haltlos von den Römern überrannt werden.
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In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit.