Das hochinfektiöse SARS-CoV-2 wird durch Tröpfchen übertragen, die beim Sprechen, Niesen und Husten in die Umgebung gelangen. Wenn wir uns im öffentlichen Raum bewegen, können diese Tröpfchen auf unseren Kleidern landen – und über unsere Kleider auch unsere Hände und unsere Gegenstände kontaminieren. Weit dramatischer ist die Situation allerdings im Gesundheitswesen. Da wo das medizinische Personal täglich gegen das Virus kämpft, sind Textilien allgegenwärtig.
Das SARS-CoV-2 Virus bleibt bis zu zwei Tage auf Textilien aktiv, erklärt Carlo Centonze, CEO der Schweizer HeiQ Group. Das Unternehmen ist auf Spezialtextilien konzentriert und der CEO ist fest entschlossen, seinen Beitrag zur Eindämmung des SARS-CoV-2 Virus zu leisten. Seine Forschungsabteilung entwickelte eine neuartige antivirale Beschichtung für Textilien. Diese zerstört sowohl Bakterien als auch behüllte Viren. Beispiele für behüllte Viren sind die Coronaviren 229E und SARS-CoV-2. Beide verursachen COVID-19. Dazu Centonze: „Medizinische Geräte werden bereits mit antimikrobiellen Oberflächen beschichtet, um das Infektionsrisiko zu verringern. Textilien im Gesundheitswesen wurden bisher noch nicht beschichtet, aber jetzt gibt es eine große Nachfrage.“
Zwei bahnbrechende Technologien
Wenn wir von einem behüllten Virus sprechen, dann ist es konkret das Erbgut, das behüllt ist – und zwar mit einer Fettschicht. Um das Virus zu zerstören, bündelte die Forschungsabteilung der HeiQ Group zwei bahnbrechende Technologien: Die Silber- und die Vesikeltechnologie. Die Silbertechnologie zieht die entgegengesetzt geladenen Viren an und hemmt deren Vermehrung. Das macht sie, indem sie diese dauerhaft an ihre Schwefelgruppe bindet. Die Vesikel (Liposome) befreien die Virushülle in Sekundenschnelle von ihrem Cholesteringehalt und helfen dadurch das Virus zu zerstören. Laut Tests setzt die antivirale Wirkung innerhalb von zwei bis fünf Minuten ein.
Antivirale Beschichtung
Die Technologie läuft unter der Bezeichnung Viroblock NPJ03. Vorzustellen ist sie als eine zähflüssigen Masse, die in der letzten Phase der Herstellung auf die Textilien aufgebracht wird. Die Beschichtung erfolgt in einer Kooperation mit dem Industriepartner Alchemy Group. Dessen digital gesteuerte Anlage verbindet hohe Präzision mit hoher Geschwindigkeit. Die Prozision ist bei kritischen medizinischen Textilien erforderlich und die Geschwindigkeit für die notwendige Skalierbarkeit. Die Anlage bewältigt 25 bis 50 Meter pro Minute. Laut Centonze ist die Nachfrage groß.
Anwendbar ist die antivirale Beschichtung auf allen Fasertypen und Vliesstoffen. Dadurch ergeben sich schon allein im medizinischen Bereich vielfältige Einsatzbereiche wie etwa Schutzmasken, Kittel, Luftfilter, Vorhänge et cetera. Außerdem kann der Virenblocker auch auf Stoffe für Alltagskleidung und Interieur angewendet werden. Bei waschbaren Stoffen wurde die antivirale Wirkung über 30 Schonwaschgänge nachgewiesen. Laut Centonze kann die Beschichtung auch erneuert werden.
30-fache Effektivität
Erste Tests wurden mit Schutzmasken aus Vliesstoff gemacht. Diese sollen den Träger schützen, sind aber auch potenzielle Überträger von Viren; zum einen weil sie die Krankheitserreger aufnehmen und zum anderen weil sie oft unachtsam gehandhabt werden, zum Beispiel wenn sie mit ungewaschenen Händen angefasst oder auf kontaminierten (unreinen) Flächen abgelegt werden. Laut Test zeigen die mit Viroblock NPJ03 behandelten Schutzmasken eine um 99,99 Prozent verringerte Ansteckungsgefahr im Vergleich zu unbehandelten Schutzmasken. Im Sars-CoV-2 Test bewiesen sie eine 30-fache Verbesserung der Effektivität.
Kooperation mit Mitbewerbern
Seit Einführung der antiviralen Beschichtung nutzt die HeiQ Group ihre volle Kapazität für die Produktion. Das Unternehmen betreibt vier Produktionsstätten auf drei Kontinenten und produziert derzeit 145 Tonnen pro Tag. Das reicht aber noch nicht aus, um den enormen Bedarf zu decken. Deshalb griff Centonze zu einer außerordentlichen Maßnahme: Er bietet die patentierte Formel auch seinen Mitbewerbern an – kostenlos. Sie erhalten Rezeptur, Herstellungsprotokoll und technische Anleitung. Im Gegenzug verpflichten sie sich, ihre behandelten Stoffe von lizenzierten Prüfinstituten testen zu lassen – um den Qualitätsstandard zu sichern. Erste Partner sind die deutsche CHT-Gruppe, die taiwanesische INTEX Group und die amerikanische Piedmont Chemical Group.
„Es ist keine Zeit zu verlieren. Wir müssen jetzt handeln und wir müssen schnell handeln, um schützende medizinische Textilien herzustellen, die resistenter gegen pathogene Viren und Bakterien sind. Die Verringerung der Übertragungs- und Infektionsraten ist die einzige Möglichkeit, unsere Volkswirtschaften rasch wieder zu öffnen und Arbeitsplätze in der Textilindustrie zu erhalten.“ Carlo Centonze, CEO HeiQ Group
Anwendung in Medizin, Kleidung und Interieur
Die ersten Masken mit HeiQ Viroblock NPJ03 Technologie sind bereits am Markt. Hauptnutzer ist der chinesische Hersteller von Schutzmasken Suzhou Bolisi. Der amerikanische Hersteller Kayser-Roth plant die Technologie in sein neues Produkt Ghluv Handschutz einzubauen. Die italienische Albini Group adaptierte die antivirale Beschichtung und bietet seine Produkte unter der Bezeichnung Viroformula an. Das Unternehmen fertigt hochwertige Anzug- und Hemdenstoffe und gilt als einer der größten Hersteller von Hemdenstoffen – deckt also den Sektor Business-Kleidung ab. Die Wirkstoffe, die in die Behandlung eingingen, sind zertifiziert in den Kategorien haut- und umweltfreundlich sowie nachhaltig.
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