Krankheiten wie Parkinson, Huntington und Alzheimer haben sowohl für die Betroffenen als auch für deren Umgebung schwerwiegende Auswirkungen. In allen drei Fällen sterben Gehirnzellen ab. Das hat zu Folge, dass die Menschen immer weniger motorische Kontrolle haben. Oder, wie bei Demenz und Alzheimer, dass sie zusätzlich auch ihr Gedächtnis komplett verlieren. Die Ursachen dieser neurodegenerativen Krankheiten sind bis heute aber weitgehend unbekannt.
Forscher haben nun im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrats finanzierten EU-Projekts IN-BRAIN innovative Techniken zur genetischen Reprogrammierung von Gehirnen entwickelt. So können Zellen ersetzt und repariert werden, was neue therapeutische Wege zur Bekämpfung von neurodegenerativen Krankheiten eröffnet. Eine erste Proof-of-Concept-Studie zeigt, dass die sogenannten Gliazellen, d.h. die nicht-neuronalen Zellen im Zentralnervensystem, mit neuartigen Methoden zur Neuprogrammierung der Genexpression direkt im Gehirn in Neuronen umgewandelt werden können.
Auch andere Zellen können umprogrammiert werden
Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass auch andere Zellen, wie z.B. Hautzellen, auf diese Weise umprogrammiert werden können. Das könnte es sogar ermöglichen, dadurch Gehirnzellen zu ersetzen, die beispielsweise von neurodegenerativen Erkrankungen, traumatischen Hirnverletzungen oder Schlaganfall betroffen sind.
„Das ist auf dem Gebiet der Gehirnreparatur wirklich transformativ. Wenn wir lernen, neue Nervenzellen im Gehirn kontrolliert zu erzeugen, eröffnet dies Möglichkeiten, durch Krankheit verloren gegangene Nervenzellen zu ersetzen und Hirnschaltkreise zu reparieren”, sagt die Studienleiterin Malin Parmar, Entwicklungsneurobiologin an der Universität Lund in Schweden. „Unsere Forschung hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung insbesondere von Parkinson-Patienten dramatisch zu verbessern. Diese neuartigen zellbasierten Therapien könnten letztlich bei allen Patienten im Frühstadium als Erstlinientherapie eingesetzt werden.“
Ersatz für medikamentöse Therapien?
Im Zentrum der Forschung stehe „die Entwicklung von Reprogrammierungstechniken unter Verwendung innovativer Transkriptionsfaktoren“, erklären die Wissenschaftler. „Diese Proteinmoleküle können dazu verwendet werden, verschiedene Gene in den Zielzellen an- oder auszuschalten, um ein gewünschtes Verhalten zu erzeugen und damit den Zelltyp zu transformieren.“
„Die Erkenntnis, dass somatische Zellen – wie Hautzellen – in pluripotente Stammzellen umprogrammiert werden können, hat die Verfügbarkeit von skalierbaren Zellquellen erweitert”, erklärt Parmar. Darüber hinaus stellte sie die Annahme in Frage, dass reife Zellen fixiert sind und nicht in etwas anderes umgewandelt werden können. “Dieses Konzept eröffnete dann andere Methoden der Reprogrammierung, wie die, die wir zur Umwandlung von Hautzellen oder Glia in Neuronen verwenden”
Eine Reprogrammierung von Zellen direkt im Gehirn ist also tatsächlich möglich. Dieser Ansatz könnte laut Aussagen der Wissenschaftler besonders als Therapie für Krankheiten wie Parkinson, Huntington, Alzheimer und möglicherweise auch einige Formen von Zellschäden durch einen Schlaganfall geeignet sein. Die Methode könnte somit medikamentöse Therapien mit mehr oder weniger schweren Nebenwirkungen ersetzen. „Das würde auch die Morbidität und Mortalität der Patienten verringern und Möglichkeiten für ein längeres aktives Leben bieten, wodurch die Belastung der Gesundheitssysteme und die wirtschaftlichen Auswirkungen von Krankheiten verringert würden”, sagt Parmar.