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Demenz – der noch immer unheilbare, kontinuierliche Verfall des Gehirns durch das Absterben von Gehirnzellen – geht mit dem Verlust des Gedächtnisses und schließlich dem völligen Verlust kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten einher. Im späten Stadium kommt ein vollständiger Verlust der Sprache und komplette Pflegebedürftigkeit hinzu.

Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, von der weltweit rund 65 Prozent der Demenzkranken betroffen sind. Die zweithäufigste Art der Demenz ist die vaskuläre Demenz, die beispielsweise als Spätfolge von Schlaganfällen auftritt, mit 15 Prozent. In den meisten Fällen entwicklen Menschen ab dem 60. Lebensjahr Demenz, Frauen haben ein signifikant höheres Risiko als Männer, an Alzheimer zu erkranken. Nach Schätzungen von Alzheimer´s Disease International leiden weltweit etwa 46,8 Millionen Menschen an Demenz und jährlich kommen rund 7,7 Millionen Neuerkrankungen hinzu. Laut Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung könnten in Jahr 2050 alleine in Deutschland drei Millionen Menschen an Demenz leiden.

Ein typisches Kennzeichen einer Alzheimer-Erkrankung ist der Verlust von Nervenzellen, der bis zu einem Fünftel aller Zellen betragen kann. Außerdem ist der Signalaustausch zwischen den verbliebenen Nervenzellen gestört. Wodurch Demenz, bzw. Alzheimer ausgelöst wird, ist aktuell noch weitgehend unbekannt. Die Theorien reichen von Entzündungen, Bakterien, Viren und Pilzinfektionen über Vererbung bis hin zu Ansteckung.

Ein Gen namens TREM2

Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben nun einen Auslöser der Alzheimer-Krankheit gefunden: Defekte Immunzellen, genauer gesagt Mutationen des Gens TREM2, können das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, erheblich erhöhen. Normalerweise aktiviert TREM2 die Immunzellen des Gehirns dazu, toxische Ablagerungen zu beseitigen.

Alzheimer
Nur ein kleiner Dreher im Erbgut: Bei Mäusen, die im sogenannten TREM2-Gen eine geringfügige Veränderung haben, ist die normale Aktivität (gelb-rot) der Fresszellen im Gehirn deutlich geringer (rechtes Bild). Bild: LMU/Haass Lab

Ein weiteres Kennzeichen der Alzheimer-Erkrankung ist die Bildung toxischer Ablagerungen, sogenannter Plaques, im Gehirn. Diese Ablagerungen von Eiweißstoffen im Gehirngewebe konnte bereits Alois Alzheimer (1864-1915), der Entdecker der Krankheit, beobachten. Eigentlich schützen spezielle Fresszellen, sogenannte Mikroglia, das Gehirn, indem sie es von Plaques reinigen. Verantwortlich für die Aktivierung dieser Zellen ist TREM2, das Forscher um den Münchner Alzheimer-Experten Christian Haass nun genauer untersucht haben – anhand des Krankheitsverlaufs von Mäusen, die funktionstüchtiges TREM2-Gen trugen, und solchen, die es nicht hatten.

Dabei kam heraus, dass sich früh im Krankheitsverlauf Mikroglia-Zellen bei Mäusen mit intaktem TREM2 um kleine Plaques sammelten und so dafür sorgten, dass sie sich nicht vergrößern oder ausbreiten. „Wir konnten zeigen, dass Mikroglia gezielt von Amyloid-Plaques angezogen wird. Die Zellen umzingeln einzelne Plaques und zerlegen diese dann Stück für Stück“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Christian Haass, Inhaber des Lehrstuhls für Stoffwechselbiochemie an der LMU und Sprecher des Münchner Standorts des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Bei Mäusen ohne TREM2 fand dieser Prozess nicht statt, daher könnte eine therapeutische Aktivierung von TREM2 im frühen Krankheitsstadium helfen, der Plaque-Bildung und somit derm Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit entgegenzuwirken.

Therapie nur im Frühstadium

Allerdings zeigten die Studienergebnisse ebenfalls, dass solche Therapieansätze nicht ohne Probleme sind. „Unsere Studie zeigt, dass man enorm vorsichtig sein und einen neuen Therapieansatz in Tiermodellen genau untersuchen muss, bevor man ihn an Menschen testet“, sagt Haass. „Nach unseren Ergebnissen könnte es dramatische Folgen haben, wenn wir über das Ziel hinausschießen und die Mikroglia überaktivieren.“ Das Molekül, das im frühen Krankheitsstadium die nämlich Plaquebildung verhindert, scheint in einem späteren Stadium genau die entgegengesetzte Wirkung zu haben: Die Plaques wuchsen bei Mäusen mit TREM2 schneller als bei Mäusen ohne TREM2. Die Erklärung dafür ist, dass TREM2 in der Mikroglia die Produktion eines Stoffes namens ApoE bewirkt, der die Aggregatbildung verstärkt.

Eine Aktivierung der Mikroglia über TREM2 wäre somit nur in einem frühen Stadium der Krankheit sinnvoll. „In der Zukunft wird es wichtig sein, dass man die Krankheit stadienspezifisch behandelt“, bestätigt Haass, der mit seinen Kollegen bereits an der Entwicklung von Antikörpern arbeitet, die TREM2 stabilisieren und so zu einer Aktivierung der Mikroglia führen. „Alle wichtigen Genveränderungen, die mit einem erhöhtem Risiko für Alzheimer verbunden sind, führen zu Veränderungen der Plaque-Bildung“, betont Haass.

Titelbild: Pixabay

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