Abstand halten ist momentan das Gebot Nummer eins in unserem täglichen Leben. Ein Abstandshalter der ganz anderen Art könnte in Zukunft dabei helfen, Herzschwäche zu verhindern. Wie jeder Muskel wächst das Herz, wenn es über längere Zeit stark belastet wird. Das kann durch Sport sein, der das Herz stärkt. Es kann aber auch durch eine Erkrankung wie Bluthochdruck dauerhaft angestrengt werden. Dadurch fängt es an, stark zu wachsen. Im schlimmsten Fall kann das zu einer Herzschwäche führen.
Ein interdisziplinäres Team der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS) hat sich diesem Problem gewidmet. ISAS-Direktorin, Kristina Lorenz, leitet die Gruppe. Um die Gründe für pathologisches Herzwachstum zu erforschen, untersuchten die Wissenschaftler die extrazellulär regulierten Kinasen (ERK). Sie identifizierten erstmals eine Eiweißsequenz, die eine große Rolle dabei spielen kann, diesen schädlichen Prozess zu hemmen. Diese Sequenz könnte einen möglichen Angriffspunkt für Arzneimittel zum Einsatz bei Herzschwäche darstellen.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt
Wie im wahren Leben, kumulieren sich in der Regel mehrere Stressfaktoren, bevor das Fass sprichwörtlich überläuft. Das gleiche passiert auch bei Zellen im Körper. Dort sind viele Eiweißmoleküle für das Überleben der Zellen verantwortlich. Kommen zu viele Stressfaktoren zusammen, ändern die Eiweißmoleküle ihre Funktion.
Die Folge: Die Zusammenarbeit in den Zellen wird gestört. Dies zieht wiederum ein krankhaftes Zellwachstum nach sich, das zur Herzschwäche führen kann. Kommen sich nämlich die Enzyme ERK 1 und ERK 2 nahe, entsteht eine biochemische Veränderung, eine sogenannte Phosphorylierung, die krankhaftes Herzwachstum auslösen kann.
Hält man diese beiden ERK-Teilchen voneinander getrennt, kann die Phosphorylierung, beziehungsweise krankhaftes Zellwachstum vermieden werden. Die Forscher konnten eine kleine Eiweißsequenz identifizieren, die diese ERK-Teilchen auf Abstand hält und damit die gesunde Zusammenarbeit der Eiweißmoleküle garantiert. Sie nannten diese Eiweißsequenz EDI, ein Akronym für ERK-Dimerisierungs-Inhibitor.
Hilfe für Krebspatienten
Laut Aussagen der Wissenschaftler könnte das Prinzip von EDI künftig nicht nur Menschen helfen, die an einer Herzschwäche erkrankt sind. Auch in der Onkologie ließe es sich eingesetzen. Eine Therapeutika-Klasse zur Behandlung von Tumorerkrankungen zielte auch auf die ERK-Enzyme ab, schalte jedoch alle ERK-Funktionen aus.
ERK komplett auszuschalten, kann jedoch schwere Nebenwirkungen, vor allem im Herzen, nach sich ziehen. Da ERK immer auch eine schützende Funktion bei der Regulierung zellulärer Prozesse hat. Studien im Tiermodell würden jedoch darauf hinweisen, dass der Einsatz von EDI die schützenden ERK-Effekte erhalte und nur die krankhaften ERK-Komponenten ausschalte. Darüber hinaus zeigte sich bei Arbeiten in Zellkultur bereits jetzt, dass EDI auch das Wachstum von Krebszellen bremst.
„Jetzt wollen wir diese therapeutische Strategie weiterverfolgen, um Patienten, die unter Herzschwäche und unter Nebenwirkungen einer Chemotherapie leiden, zu helfen“, geben die Nachwuchsforscherinnen Constanze Schanbacher und Theresa Brand einen Ausblick auf die weiterführende Forschung.
Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell unterstützt.