reha buddy soll den Prozess der Rehabilitation einfacher machen. Die App des Wiener Start-ups erfasst Bewegungsdaten und kann über spezielle Algorithmen Feedback über den Verlauf der Physiotherapie geben.
Bis 2050 wird sich die Zahl der über Sechzigjährigen weltweit verdoppeln. Dieser demographische Wandel wird sich auch in einem Anstieg an Menschen zeigen, die eine Form der körperlichen Rehabilitation brauchen. So gibt es laut World Health Organization (WHO) aktuell weltweit 75 bis 110 Millionen Menschen, die an Gelenksarthrose (Gelenksknorpelverschleiß) leiden.
Eine konsequent verfolgte Physiotherapie kann das Leben der Betroffenen deutlich verbessern. Allerdings schafft es nur etwa jeder dritte Patient, die verordneten Übungen regelmäßig auszuführen.
reha buddy soll dies ändern. Der digitale Begleiter erfasst die Bewegungsdaten durch Sensoren in den Schuheinlagen. Über spezielle Algorithmen werden relevante Parameter extrahiert, die in Form von Feedback übermittelt werden. Der reha buddy meldet zum Beispiel, ob die Übungen der Physiotherapie korrekt ausgeführt werden oder ob man ein normales Gangmuster aufweist. Darüberhinaus kann er medizinischen Betreuern einen Überblick über das physiotherapeutische Training geben, das der Patient zu Hause absolviert.
Die vier Gründer sind Medizintechniker und haben sich in einem von der Medizinischen Universität Wien geleiteten Forschungsprojekt kennengelernt. Die vielversprechenden Ergebnisse dieses Projekts haben sie mit reha buddy umgesetzt.
Harald Jagoš, CEO reha buddy, im Interview:
Was ist eure Motivation? Welches Problem löst ihr und warum ist das wichtig?
Patienten, die eine Hüftfraktur, einen Kniegelenksersatz, einen Kreuzbandriss oder Arthrose erleiden mussten, sind in der westlichen Welt in der Regel sehr gut versorgt – zumindest so lange sie sich in stationärer Behandlung befinden. Sobald sie nach Hause entlassen werden, entsteht allerdings eine Versorgungslücke. Studien belegen, dass zwei Drittel aller Patienten die verordneten Übungen aus der Physiotherapie nach kurzer Zeit vernachlässigen. Das hat einen negativen Einfluss auf den Langzeiterfolg der Rehabilitation beziehungsweise den allgemeinen Gesundheitszustand.
Was war das größte Hindernis, das ihr überwinden musstet? Gab es einen Moment in dem ihr aufgeben wolltet?
Aufgeben war nie ein Thema, aber unsere Zeit im Inkubator INiTS war definitiv sehr fordernd. Schwierig war die Umstellung vom Forschen und Entwickeln hin zum unternehmerischen Denken. Das lässt sich nur bedingt aus Büchern lernen. Man muss es auch praktisch erfahren. Auch die Suche nach einem adäquaten Geschäftsmodell war langwierig.
Unser unternehmerisches Denken wird auch in Zukunft gefordert sein. Im klinisch-medizinischen Bereich sind wir mit langen Verkaufszyklen konfrontiert und müssen die Bedürfnisse mehrerer Stakeholder berücksichtigen. Aber aktuell ist die Nachfrage vielversprechend. Das gibt uns Hoffnung und motiviert uns, den Herausforderungen des Marktes zu begegnen.
Was waren die bisher schönsten Momente? Welche Leistungen haben euch wirklich stolz gemacht?
Die ersten großen Erfolge waren sicher die Förderungen, die wir erhalten haben. Die Aufnahme in den Inkubator INiTS, die uns Bestätigung war – und die Zusage der Austria Wirtschaftsservice (AWS) PreSeed-Förderung, bei der uns immerhin ein Budget von knapp 200.000 Euro zugesagt wurde.
Als Start-up können wir uns ständig verbessern – sowohl persönlich als auch geschäftlich. Das lässt uns unsere Tätigkeit nicht als Arbeit erscheinen und macht uns jeden Tag stolz und froh. Wir sind in der Lage ein Problem zu lösen, das vielen Menschen helfen kann und erhalten dabei viel Unterstützung vom klinisch-/medizinischen Personal.
Derzeit erleben wir die schönsten Momente in Kundengesprächen, wenn wir das Gefühl haben, genau das anbieten zu können, was sich der Kunde wünscht.
Wie schwer war es, eine Finanzierung zu bekommen?
Der E-Health-Bereich erfährt aktuell einen medialen Aufschwung und die Förderlandschaft in Österreich ist sehr gut. Dennoch lässt sich eine Finanzierung nur durch harte Arbeit, Wissen und fundierte Erkenntnisse aufstellen. Wir hatten unter anderem den Vorteil auf die Erkenntnisse aus zwei Forschungsprojekten mit drei klinischen Pilotstudien und ein kleines Netzwerk zurückgreifen zu können.
Wie sind die Bedingungen an eurem Standort. Könntet ihr euch einen besseren/idealen Ort für euer Start-up vorstellen?
Das Gesundheitssystem ist von Land zu Land unterschiedlich und man muss genügend Zeit investieren, um es ausreichend zu verstehen. Wir haben unsere Studienzeit großteils in Österreich verbracht und deswegen war es für uns nur natürlich auch hier zu gründen.
Wo möchtet ihr mit eurem Unternehmen in fünf Jahren sein?
Wir möchten den Standard in der digital unterstützten Rehabilitation setzen. Es wäre schön, wenn in fünf Jahren jede relevante Rehaklinik im deutschsprachigen Raum ein System von reha buddy im Einsatz hätte.
Bis dahin wollen wir den Patienten auch Zugang zu unseren Lösungen für den Heimbereich ermöglichen. Zugang bedeutet auch die durch Krankenkassen und/oder Versicherungen gestützte Finanzierung solcher Systeme.
Wir hoffen, dass es dann bei den Kostenträgern und Versicherungen bereits mehr Bewusstsein für Prävention gibt und dass in zeitgemäße Werkzeuge zur Unterstützung der Patienten investiert wird.
Was macht reha buddy besser/anders als existierende Dinge?
Rehabilitation und Physiotherapie sind eine sehr persönliche Sache und das medizinische Personal hat immer weniger Zeit für seine Patienten. Das möchten wir ändern, indem wir Prozesse in der Dokumentation vereinfachen und wieder mehr Zeit für Patienten bleibt.
Danke für das Gespräch.
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