Am 15. April 2019 stand die berühmte Kathedrale Notre Dame in Paris in Flammen und wurde teilweise zerstört. Seitdem wurden verschiedene Sicherungsarbeiten durchgeführt. Für den Wiederaufbau haben die Otto-Friedrich-Universität Bamberg, die französische Forschungsorganisation „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) und das französische Ministerium für Kultur einen Vertrag über die Beteiligung der Bamberger Kunstgeschichte in der Initiative „Chantier Notre-Dame“ unterzeichnet. Diese Initiative soll den Austausch von bestehender Expertise und neuen Erkenntnissen in zehn Arbeitsgruppen koordinieren und so eine wissenschaftliche Grundlage für den Wiederaufbau der Kathedrale schaffen.
Der Bamberger Kunsthistoriker Prof. Dr. Stephan Albrecht vom Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK) an der Universität Bamberg ist Mitglied der drei Arbeitsgruppen „Digitale Daten“, „Holz“ und „Stein“. Er hat der Initiative bereits Daten zur Verfügung gestellt, die erst kurz vor dem Brand erhobenen worden waren.
Letzte Daten kurz vor dem Brand erhoben
Albrecht und und seine Kollegen Dr. Stefan Breitling und Dr. Rainer Drewello haben die Kathedrale in verschiedenen Projekten innerhalb der vergangenen 20 Jahre intensiv erforscht. Dabei haben die Wissenschaftler im Rahmen des Forschungsprojekts „Mittelalterliche Portale als Orte der Transformation“ in den Jahren 2015 bis 2018 besonders das Querhaus der Kathedrale, das vom Feuer stark beschädigt wurde, innen und außen untersucht und mit 3D-Scantechniken vermessen.
Weiterhin können die Mitglieder der Initiative „Chantier Notre-Dame“ auch auf Albrechts Farbanalysen des Nord- und Südportals zurückgreifen, die von den Restaurierungswissenschaften ausgewertet wurden. Anhand dieser Farbanalysen können sie die Bemalungen zu verschiedenen Zeiten nachvollziehen. „Wir stellen selbstverständlich alles, was in Bamberg an Daten vorliegt, zur Verfügung“, sagt Albrecht, der den Lehrstuhl für Kunstgeschichte, insbes. für Mittelalterliche Kunstgeschichte innehat. „Insbesondere die Aufnahmen der Innen- und Außenseite des Querhauses haben sich als wertvoll erwiesen.“
Wenn man die Fassaden jetzt neu vermessen und mit den jüngsten Daten vergleichen würde, könnte man sehr deutlich sehen, wo es Verformungen gebe, erläutert Albrecht. Allerdings müsse man überprüfen, wie stark das Mauerwerk betroffen sei,zum Beispiel, inwieweit sich die Eisenklammern in den Steinen ausgedehnt hätten.
Sorgen macht den Restaurateuren und Kunsthistorikern jedoch der Zeitplan des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Der hatte angekündigt, das Pariser Wahrzeichen innerhalb von nur fünf Jahren wieder aufbauen zu wollen. Dabei könne die denkmalpflegerische Sorgfalt auf der Strecke bleiben. „Ich hoffe, dass es genügend Zeit für den Wiederaufbau gibt und dass man versucht, so viel wie möglich vom Original zu erhalten und nur das Nötigste hinzuzufügen – als Beitrag des 21. Jahrhunderts“, betont Albrecht. Das 3D-Modell soll noch in diesem Januar in Paris vorgestellt werden.