WIEN, 26. November 2018 – In den kommenden Wochen beschäftigen wir uns mit dem Stand der Technologien in der Skiausrüstung. Den Anfang machen wir mit der Skibekleidung. Weitere Themen sind Accessoires, Skischuhe, Ski- und Snowboards sowie Lawinenausrüstung.
Skifahren ist eine erhitzende Aktivität bei tiefen Temperaturen. Diese widersprüchliche Klimasituation stellt hohe Anforderungen an die Technologie von Skibekleidung. Um schweißdurchnässte Kleidung und den in der Ruhephase folgenden Abkühlungseffekt zu verhindern, ist Technologie unumgänglich.
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Zentrales Moment in der Konstruktion von Skibekleidung ist die Bekleidungsphysiologie. Die Produktentwickler haben die Aufgabe ein angenehmes Körperklima in extremen Verhältnissen zu schaffen. Dazu ist die Balance von drei Eigenschaften erforderlich: atmungsaktiv, isolierend sowie wind- und wasserabweisend. Um diese Balance zu erreichen, basiert die Technologie von Skibekleidung auf Drei-Lagen-Systemen: Eine schweißabsorbierende Basisschicht, eine isolierende Zwischenschicht und eine wind- und wasserabweisende sowie atmungsaktive Außenschicht. Letztere läuft unter der Abkürzung WWA.
Verbindung von Technologie und Nachhaltigkeit
Bis vor wenigen Jahren arbeitete die Skibekleidungsindustrie ausschließlich mit künstlichen Fasern – vor allem Polyester. Das änderte sich erst mit der Wiederentdeckung der natürlichen Eigenschaften von Wolle, die feuchtigkeitsabsorbierend, thermoregulierend und geruchshemmend ist. Gleichzeitig wurde der Ruf der NGOs nach umweltfreundlicheren Materialien unüberhörbar. Das führte zur untrennbaren Verbindung von Technologie und Nachhaltigkeit. Umweltfreundliche Technologien werden aber erst dann eingesetzt, wenn diese die volle Leistungsfähigkeit bringen.
Die natürlichen Funktionen von Wolle
Für viele Unternehmen ist Merinowolle die erste Wahl, wenn es um die erste Schicht geht, d.h. Unterwäsche Socken und Haube. Merinowolle ist doppelt so fein wie herkömmliche Wolle und dadurch leichter, atmungsaktiver und stärker isolierend. Diese natürlichen Eigenschaften werden durch Materialmischungen und –konstruktionen noch verbessert. Das neuseeländische Unternehmen Mons Royale entwickelte für schweißtreibende Aktivitäten schnelltrocknendes Merino Air-Con, eine Faser aus Merino (83%) Nylon (13%) und Elasthan (4%). In Verbindung mit 40 Prozent Tencel, einer Zellulosefaser, wirkt Merinowolle kühlend bei warmen Temperaturen. Das beste Feuchtigkeitsmanagement wird in der Kombination von Merinowolle und Polyester erreicht.
Eine andere Strategie ein angenehmes Körperklima direkt auf der Haut herzustellen, sind spezifische Materialkonstruktionen. Der Schweizer Hersteller X-Bionic orientiert sich an Vorbildern aus der Natur. Die partielle Isolation Polar Fur ist eine Art Fell auf der Materialinnenseite, das eine regional unterschiedliche Dichte aufweist. Je höher die Dichte, desto größer die Isolationsleistung. Je loser die Konstruktion, desto besser der Abtransport überschüssiger Körpertemperatur.
Isolation mit Feuchtigkeitsmanagement
Die zweite Schicht kann eine separate Jacke sein oder das Futter einer Außenjacke – einer sogenannten Hardshell. Letzteres stellt eine Verbindung von zweiter und dritter Schicht dar. In der zweiten Schicht hat Isolation Priorität. Durch deren hohe Wärmeleistung ist zuletzt die Daune in den Mittelpunkt gerückt. Bei hohem Aktivitätsgrad, wie dies bei Geländetouren der Fall ist, wird diese manipuliert – um den Feuchtigkeitstransport zu gewährleisten. Der kanadische Hersteller Arc’teryx kombiniert für sein als zweite oder dritte Schicht empfohlenes Thorium AR Hoody europäische Gänsedaune mit einem synthetischen Daunenkomposit. Während die natürliche Daune ein gutes Wärme/Gewichts-Verhältnis liefert, kommt das atmungsaktive Komposit an den feuchtigkeitsgefährdeten Stellen zum Einsatz.
Bewegungsfreiheit durch flexible Stoffe
In der dritten Schicht liegt die Priorität auf den Anforderungen winddicht, wasserfest und atmungsaktiv. Den entscheidenden Klimaregulator stellt die Membrane dar, die im Fall einer Hardshell auf den Oberstoff aufgebracht wird. Zuletzt wurde die Silhouette zunehmend körpernah. Die notwendige Bewegungsfreiheit gewährleisten technische Stretchgewebe oder Softshell mit technischem Stretch. Eine zukunftsweisende Alternative dazu ist die gestrickte Außenschicht – wie sie von Kjus (CH) und Picture Clothing (FRA) realisiert wurde.
Bei Hosen ist die körpernahe Silhouette kaum mit isolierenden Eigenschaften zu vereinbaren. Der Schweizer Hersteller Mountain Force hat den Widerspruch aufgelöst. Die Hose ist mit einer atmungsaktiven und wasserdichten Keramikmembrane ausgestattet. Diese wirkt wie ein Schutzschild: Die Wärme wird nach innen reflektiert und die Kälte nach außen. Zusätzliche ist die Hose mit Wolle isoliert.
Umweltverträgliche Lösung für die Außenschicht
Die dritte Schicht ist eine große Herausforderung für ein umweltverträgliches Design. Wind- und Wasserresistenz machen Polyester unumgänglich. Die vorläufig beste Lösung wird in der Verwendung von recyceltem Polyester gesehen – die zumindest rohstoffschonend ist.
Sowohl die Membrane als auch die Außenschicht enthalten umweltschädliche Chemikalien. Besonders problematisch ist Polytetrafluorethylen (PTFE), eine Substanz, die wasserabweisend wirkt. Sympatex launchte eine Membrane, die PTFE-frei, recycelbar und Bluesign-zertifiziert ist. Die Membrane besteht aus Polytherester, einem gesundheitlich unbedenklichen Copolymer aus Polyester und Polyether. Bluesign steht für eine umweltfreundliche Herstellung.
Elektronische Funktion auf Knopfdruck
Im November 2018 toppte Kjus den Status Quo – mit der ersten Jacke, die über eine elektro-osmotische Technologie funktioniert. Diese bewahrt durch aktives Abpumpen von Schweiß vor Auskühlen in der Ruhephase.
Die Technologie ist mit zwei Panels in die Jacke eingearbeitet. Diese sind strategisch in den schweißintensiven Zonen im Rücken der Jacke positioniert. Die Panels bestehen aus einer extrem feinporigen Membrane, die zwischen zwei leitfähigen Stoffschichten liegt. Bei Anwendung eines kleinen elektrischen Impulses verwandeln sich die Poren in Mikropumpen und pumpen aktiv und schnell den Schweiß weg vom Körper und aus der Jacke.
Die Jacke basiert auf Wearable-Technologie und ist über App und Bluetooth – sowie eine Elektronikbox in der Jackentasche – vom Nutzer kontrollierbar. Das System misst die Schweißmenge, welche die Panels passieren und die App kann auch Tipps zur Regulierung der Körpertemperatur bzw. Minimierung der Schweißproduktion geben.
Das sogenannte Kjus 7Sphere Hydro_Bot Jacket wurde in Kooperation mit dem Schweizer Technologie-Unternehmen Osmotex, dem Forschungsinstitut EMPA (The Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology) und dem Stoffentwickler Schoeller entwickelt.
Auch die Damenskijacke Paradise Heat von Helly Hansen soll den Temperaturwechsel zwischen körperlicher Anstrengung und Ruhephase ausgleichen. Die Funktion basiert auf einem Heizsystem, das per Knopfdruck aktivier- und regulierbar ist. Die Feldtests wurden in Kooperation mit dem schwedischen Damenskiteam durchgeführt.
Showpiece mit LED-Dioden
Der Show-Charakter des Skisports kommt in der LED-Jacke von Bogner zum Ausdruck. Die Jacke im Cowgirl-Stil wurde für Filmaufnahmen designt und in Kooperation mit der Schweizer Textilmanufaktur Forster Rohner hergestellt. Die Säume und Fransen der Jacke sind mit insgesamt 300 LED-Dioden besetzt, die im Dunkeln leuchten. Bei Forster Rohner betont man, dass die Jacke wasserfest und waschbar ist. Aufgrund der positiven Resonanz wurde das Show-Stück in limitierter Auflage verkauft und ging als Sammlerstück in die Geschichte der Skibekleidung ein.