Die Mikrobiologin und Modedesignerin Anke Domaske entwickelte eine Textilfaser aus Kuhmilch. Die Milchfaser entsteht aus Milchabfällen, ist sowohl ökologisch als auch biologisch abbaubar und besonders hautfreundlich.
Domaske war von der Idee angetrieben, chemisch unbehandelte Kleidung zu entwickeln. Dabei stieß sie auf Milchproteine – und ein Verfahren, das schon in den 1930er-Jahren entwickelt worden war. Weil das Verfahren wenig energie-effizient war und umweltschädliche Chemikalien erforderte, brachte sie es im eigenen Labor zur Marktreife. Das nötige Equipment besorgte sie sich im Supermarkt um zweihundert Euro. Allerdings nutzte sie auch das Labor im Faserinstitut Bremen. Die Arbeit gestaltete sich langwierig. Aber schließlich war es soweit und Domaske hatte eine Milchfaser, die biologisch und kompostierbar war. Seither wurde ihre Innovation mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Weich wie Seide
Der Herstellungsprozess der Milchfaser klingt wie ein Kochrezept: Basis ist das in der Milch enthaltene Kasein, das in den Flocken von saurer Milch verfügbar wird. Das Kasein wird getrocknet und mit weiteren Zutaten wie Bienenwachs, Weizenkleie und Wasser vermengt, erhitzt und geknetet. Die so entstehende Masse wird durch Spinndüsen gepresst, um Fasern zu erhalten. Nach einer thermischen Trocknung werden die Fasern zu Fäden gesponnen. In der F&E-Phase nutzte Domaske die Maschinen im Faserinstitut Bremen. Mittlerweile verfügt sie über eine eigene Produktion am Firmensitz Hannover.
Die Milchfaser fühlt sich auf der Haut weich wie Seide an, hat eine antibakterielle Wirkung und ist feuchtigkeitstransportierend und klimaregulierend. Im dermatologischen Test erhielt QMilk die Bewertung ausgezeichnet. Die Pflege ist unkompliziert: Der Stoff ist strapazierfähig und in der Maschine waschbar.
Das Schneiderhandwerk hat Domaske übrigens von der Großmutter gelernt. Ihr eigenes Modelabel Mademoiselle Chi Chi entstand schon während dem Studium. Mit der Milchfaser erhielt das Label seine eigene Faser. Mittlerweile wird die Innovation auch von Herstellern wie Vaude genutzt. Nach der Milchfaser entwickelte Domaske eine Hautpflegeserie aus Kuhmilch. Beide Produkte werden online vertrieben. In Kooperation mit einem italienischen Unternehmen wurde aus der Milchfaser Vlies für Taschentücher. Außerdem betreut Domaske auf der Milchfaser aufbauende Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Medizin, die allerdings noch nicht marktreif sind.
Die Gründerin im Interview:
Was ist Ihre Motivation? Welches Problem lösen Sie und warum ist das wichtig?
Wir möchten etwas bewegen und Probleme lösen. Es sind mehrere Ansätze. Aber vor allem geht es uns darum, dass viel Milch weggeschüttet wird, weil sie nicht der Lebensmittelverordnung entspricht. Ein Problem, das zum Beispiel dann entsteht, wenn der Milchwagen beim Bauern mit Verspätung eintrifft. Allein in Deutschland entstehen so zwei Millionen Tonnen Milchabfall pro Jahr. Für uns ist diese Milch ein wertvoller Rohstoff, aus der wir die Milchfaser produzieren.
Was war das größte Hindernis, das Sie überwinden mussten? Gab es einen Moment in dem Sie aufgeben wollten?
Es gab viele Hindernisse, aber das größte Hindernis war sicher die Entwicklung der Faser an sich. Unsere Ansprüche waren hoch. Die Milchfaser sollte natürlich und nachhaltig sein. Aber an der Idee gezweifelt habe ich nie – egal wie groß das Hindernis war.
Was waren die bisher schönsten Momente? Welche Leistungen haben Sie wirklich stolz gemacht?
Die größten Highlights waren die Lieferung meiner ersten Maschine, das erste Produkt auf dem Markt zu sehen und der Greentech Award 2015.
Was können wir im kommenden Jahr von Ihnen erwarten?
Es kommen immer mehr Produkte auf den Markt unter anderem finden wir gerade viele Anwendungen im Schuhbereich. Die Hersteller mit denen wir kooperieren, sind an unserem Filz interessiert, in dem die Milchfaser mit Wolle gemischt ist und sehr gute klimaregulierende Eigenschaften hat. Wolle wärmt im Winter und kühlt im Sommer.
Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf Jahren sein – was ist Ihr höchstes Ziel?
Das höchste Ziel ist es einmal ein Haus komplett aus QMILK zu bauen – rein theoretisch ist dies möglich!
Was macht Ihre Innovation besser/anders als existierende Dinge?
Wir haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem wir sehr nachhaltig und ohne Abfälle produzieren können. Zudem upcyclen wir einen Nebenstoffstrom aus der Lebensmittelindustrie und nutzen die Wirksamkeit der Natur.
Danke für das Gespräch
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