Krisen gehören zu unserem Alltag. Jeder stößt irgendwann mal in seinem Leben, in seinem Alltag, an Grenzen, kommt nicht weiter, muss sich neu orientieren oder wird zum Aufgeben gezwungen. Je stärker wir mit einer Idee, einem Projekt oder einem Unternehmen verbunden sind, desto schmerzhafter ist die Verlusterfahrung. Besonders in den letzten Monaten haben viele Unternehmer:innen und Gründer:innen erfahren müssen, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Lebenswerk oder die Herzensangelegenheit existentiell gefährdet ist und zu scheitern droht. Hilfsmaßnahmen helfen, möglichst viele Unternehmen am Leben zu erhalten. Nicht alle schaffen das.
In den letzten zwei Jahren hatte ich das Privileg mich im Rahmen eines EU-Projekts und eines Pilotprojekts für das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg mit sogenannten Restartern zu beschäftigen. Zielgruppe waren Gründer:innen, Selbständige und Unternehmer:innen, die nach einer schweren Krise oder Insolvenz eine zweite Chance wagen. Uns beschäftigte die Frage, welche Herausforderungen diese hat und wie sie, analog zur Gründungsförderung, gezielt unterstützt werden kann.
Vom Top-Anwalt bis zur Kioskbesitzerin
Was haben wir aus der Zusammenarbeit mit über 160 Restarter:innen gelernt? Zunächst, dass es jeden und jede treffen kann. Vom Top-Anwalt bis zur Kioskbesitzerin, vom Coach bis zum Ingenieurbüro, von Selbständigen bis zum Inhaber eines Großunternehmens. Niemand ist vor dem Risiko einer schweren Krise oder eines Scheiterns gefeit. Dass es zwei wesentliche Grundbedürfnisse in dieser Situation gibt: das Bedürfnis nach finanzieller Stabilität und das Bedürfnis nach Austausch. Geteiltes Leid sei halbes Leid, sagt der Volksmund, und das Gespräch ist immer noch die beste Therapie. Sich mit Menschen austauschen zu können, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, die ähnliche Emotionen wie Ängste, Zweifel und Schuldgefühle erlebt haben, war für viele Teilnehmer:innen eine befreiende Erfahrung. Die Bestätigung, nicht allein zu sein, dass es andere Menschen mit ähnlichen Erlebnissen gibt und der Austausch sowohl Stabilität wie auch neue Erkenntnisse, Tips und Anregungen vermittelt.
Dieser Austausch führte dazu, dass einige zum ersten Mal über Ihre Erfahrungen vor fremden Menschen gesprochen haben. Damit wir über etwas sprechen können, müssen wir unsere Gedanken ordnen, reflektieren und in eine Struktur bringen. Das ist besonders bei emotionalen Themen nicht immer einfach. Aber sehr hilfreich. Und oft der erste Schritt für einen späteren Restart.
Zwei Faktoren
Was unterscheidet erfolgreiche von erfolglosen Restartern? Wir konnten zwei wesentliche Faktoren erkennen:
- Erfolgreiche Restarter sind bereit sich mit ihrer Erfahrung auseinander zu setzen. Sie fragen sich, welches Denk- und Verhaltensmuster, welche Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen, welche Emotionen, Blinde Flecke, Verweigerungshaltungen oder falsche Ratgeber dazu geführt haben, dass sie eine schwere Krise oder Insolvenz erleben mussten. Sie stellen sich ihrer Verantwortung.
- Sie sind bereit sich auf Veränderungen einzulassen. Sei erwarten nicht, dass es mit einem Restart genauso weitergeht, wie davor. Sie sind bereit persönlich und beruflich neue Wege zu gehen und die Einladung zur Transformation anzunehmen. Was möchte ich erreichen? Was sind meine kurzfristigen und existentiellen Bedürfnisse, die gesichert werden müssen? Was möchte ich danach tun? Was ist meine Herzensangelegenheit und mit welchen Schritten werde ich diese erreichen können? Welche Denk- und Verhaltensmuster, welche Emotionen sind dafür notwendig.
Erfolgreiche Restarter haben uns gezeigt, dass sie in der Lage sind ihre Vergangenheit loszulassen, um heute Leben und die Zukunft gestalten zu können. Das braucht Zeit. Auch das haben wir gelernt. Erfolgreiche Restarter machen nicht einfach so weiter, wie es war. Sie wissen, dass es mit dem Restart nicht so weiter geht, wie vor.
Manche Restarter ändern ihre Berufung, weil es für ihren vorherigen Beruf keine Zukunft mehr gibt. Manche Restarter bleiben in ihrem Beruf, weil er ihre Berufung ist. Sie ändern ihr Denken und Handeln, weil sie erkennen, dass sie auf diesem Weg ihre Berufung noch erfüllter leben können. Manche Restarter ändern beides. Ihre persönliche Entwicklung aus einer Krise oder einer Scheiter-Erfahrung lässt sie neue Wege gehen.
Welches ist Ihr Weg?