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Die ungleiche Einkommensverteilung in den OECD-Ländern ist seit einem halben Jahrhundert auf dem höchsten Stand. Das Durchschnittseinkommen der reichsten zehnt Prozent der Bevölkerung ist etwa neunmal so hoch wie das der ärmsten zehn Prozent. Vor 25 Jahren war es siebenmal so hoch. Viele Menschen kämpfen mit den alltäglichen Lebenshaltungskosten. Wie aber können Regierungen und Unternehmen das Wohlstandsgefälle verringern? Universelles Grundeinkommen oder höhere Steuern für Ultrareiche sind umstrittene Lösungen. Doch wie können einfache Menschen zusätzlich zu ihrem Lohn ein passives Einkommen erzielen? Inspiriert vom französischen Ökonomen, Thomas Piketty, glaubt der niederländische Unternehmer, Quintus Willemse, dass die Kapitalverteilung gleichmäßiger sein kann.  Vorausgesetzt die Arbeitnehmer besitzen einen Teil des Unternehmens, in dem sie arbeiten. Quintus Willemse sprach mit Innovation Origins über seine Ideen und das neu gegründete Start-up The Share Council.

Was ist The Share Council?

The Share Council ist eine Blockchain-fähige Plattform. Sie erleichtert es einem Eigentümer, Mitarbeiter am Kapital seines Unternehmens zu beteiligen. Wir haben alle rechtlichen Strukturen und Verträge aufgebaut, die für jede Form des Miteigentums und jede Unternehmensgröße relevant sind. Unser Schwerpunkt liegt auf dem KMU-Markt (Kleine und mittlere Unternehmen). Denn 90 Prozent der Arbeitnehmer in den Niederlanden und 99 Prozent der Europäer für KMUs arbeiten. Unsere Plattform ist kein offener Markt. Sie ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmergeschäfte konzipiert und erleichtert die Beteiligung von Investoren.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Als ich mich in einem früheren Start-up-Unternehmen zum ersten Mal mit dem Thema Miteigentum beschäftigte, wurde mir schnell eines klar.  Es ist schwierig und finanziell unattraktiv in den Niederlanden. Doppelbesteuerung, Vorauszahlung von Steuern und extremer Papierkram sind einige der Gründe, warum wir glauben, dass so wenige Arbeitnehmer Miteigentümer von Unternehmen in den Niederlanden (und Europa) sind. Während die Regierungen darüber sprechen, ungleiche Einkommensverteilung zu verringern und finanziellen Beteiligung zu fördern, müssen sie auch darauf achten, welche Strukturen in ihren Systemen zu diesem Problem beitragen.

Unsere Plattform erleichtert das den Unternehmen, indem sie den Prozess digitalisiert und automatisiert. Wir tragen aber auch dazu bei, die Politik zu beeinflussen, die sich auf die Miteigentümerschaft der Arbeitnehmer auf nationaler Ebene und sogar auf der Ebene des Europäischen Parlaments auswirkt. Es ist an der Zeit, in Europa zu modernisieren und innovativ zu sein, wenn wir mit den USA und Asien konkurrieren wollen.

Mit welchen Unternehmen arbeiten Sie zusammen?

Die Plattform ist für das niederländische Rechts- und Steuerumfeld konzipiert. Sie kann aber auch für jede Art von Rechtssystem programmiert werden. Langfristig ist das unser Ziel. Gegenwärtig sind unsere Kunden niederländische Start-ups, Acceleratoren und KMUs wie Common Easy, Rockstart und Solar Clarity.

Wie schneiden andere Länder bei den Miteigentumsregeln für Arbeitnehmer im Vergleich ab?

Durch unsere Forschung bei der European Federation of Employee Share Ownership (EFES) haben wir herausgefunden, dass nur etwa 3,5 – 5 Prozent der Arbeitnehmer Aktien an ihren Unternehmen besitzen. Eine große Mehrheit dieser Eigentümer sind Topmanager, die bereits hohe Einkommen haben. Europa schneidet ziemlich schlecht ab, obwohl einige Länder wie Frankreich besser dastehen als andere.

In den USA ist die Miteigentümerschaft der Arbeitnehmer stärker vertreten – über 25 Prozent. Es gibt eine Kultur der Miteigentümerschaft der Arbeitnehmer. Die USA haben einen Mitarbeiterbeteiligungsplan (ESOP) eingeführt, der hilfreich ist. Das ESOP-Modell fördert die Aktienverteilung durch steuerliche Anreize für das Unternehmen und die Mitarbeiter.

Modernisieren die EU-Mitglieder ihre Vorschriften?

In den Niederlanden sehen wir einige allmähliche Veränderungen. The Share Council leistet bei der Regierung Lobbyarbeit, so dass Kapital im Besitz von Arbeitnehmern nur dann besteuert wird, wenn die Holding liquidiert wurde, und nicht im Voraus (derzeitige Regelung). Neben dem nationalen Parlament sind wir auch in Gespräch mit Vertretern des Europäischen Parlaments. Wir wollen sehen, ob wir die Änderung wirklich durchsetzen können. Wir hoffen dazu in diesem Jahr auf mehr Informationen.

Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?

Bisher sehen wir in unserem Markt einen Anstieg. Die Pandemie zeigt uns, wie wichtig es ist, zusammenzuarbeiten und in Verbindung zu bleiben. Unternehmen und Unternehmer beginnen schnell zu verstehen, welch großen Vorteil es hat, wenn Ihr Team Miteigentümer Ihres Unternehmens ist. Es motiviert, es sichert, es schafft eine Gemeinschaft und es setzt einfach alle Anreize an die richtige Stelle.

Glauben Sie, dass sich alles, was wir durchmachen, langfristig auf die ungleiche Einkommensverteilung (positiv oder negativ) auswirken wird?

Wie viele andere auch verstehe ich sehr gut, dass eine Krise von dem Ausmaß, wie wir sie derzeit erleben, nicht vorübergehen wird, ohne Spuren zu hinterlassen. Logischerweise muss sie sich auf das Wohlstandsgefälle, wie wir es derzeit kennen, auswirken. Ob dies zum Guten oder zum Schlechten sein wird, hängt davon ab, wie man es betrachtet.

Wenn dies lange genug so weitergeht, werden wir erleben, dass unser Währungssystem zu kollabieren beginnt. Da die Schuldenquote aus dem Gleichgewicht gerät. Das wäre ein großer Sieg für diejenigen, die wie ich versuchen, dieses Währungssystem zu bekämpfen und Reichtum umzuverteilen. Aber es wird auch große Verlierer geben (vielleicht wie ich), die mit ansehen müssen, wie sich ihre soziale Absicherung auflöst. Langfristig glaube ich, dass diese Art von Erschütterungen zum Besseren führen wird. Aber es wird nur für diejenigen funktionieren, die akzeptieren, dass wir nicht alle wie Könige leben können, wenn wir eine gerechtere Gesellschaft wollen, in der jeder Einzelne die gleiche faire Chance hat, sich zu entfalten.

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